Flüchtlinge: Grüne und FPÖ kritisieren Kurz-Vorschläge

Österreichs Außenminister Sebastian Kurz
Österreichs Außenminister will eine Pflicht zu Ein-Euro-Jobs für Flüchtlinge und ein Burkaverbot. SPÖ wartet, Grüne lehnen ab und die FPÖ wertet die Vorschläge als "abgekupfert".

Nach Innenminister Wolfgang Sobotka (siehe das KURIER-Gespräch unten) hat mit Außen-und Integrationsminister Sebastian Kurz ein weiterer ÖVP-Ressortchef Verschärfungspläne für die Ausländer-Gesetzgebung vorgelegt. Vor Journalisten verlangte er am Donnerstag verpflichtende gemeinnützige Ein-Euro-Jobs für Flüchtlinge, eine Reduktion der Mindestsicherung, aber auch Maßnahmen gegen die Vollverschleierung von Frauen.

"Symbol der Gegengesellschaft"

"Die Burka ist kein großes Thema in Österreich. Der Niqab ist aber wesentlich gängiger als noch vor einigen Jahren", präzisierte Kurz am Donnerstagabend in der ZiB2 seine Ankündigung. Die Vollverschleierung sei auch "nicht unser Hauptthema, das löst die Frage der Integration nicht." Aber sie sei nicht in Einklang zu bringen mit der Gleichstellung von Mann und Frau. Burka und Niqab seien ein Symbol des politischen Islam, sagte der Integrationsminister und kündigte an, einen Vorschlag einzubringen, "wie wir mit diesem Symbol der Gegengesellschaft umgehen" sollen.

Die am Donnerstagvormittag umrissenen Maßnahmen will Kurz künftig in einem neuen Integrationsgesetz bündeln, das im Laufe des kommenden halben Jahres erarbeitet werden soll. Enthalten soll dieses zudem den Rechtsanspruch auf einen Deutschkurs, andererseits aber auch eine Mitwirkungspflicht bei Deutsch- und Wertekursen. Bei der Integrationsvereinbarung will der Minister nachschärfen, und die Verteilung problematischer Schriften etwa durch Salafisten soll unterbunden werden.

Kritik von Grüne und FPÖ

Noch zurückhaltend hat sich die SPÖ gezeigt. Man warte darauf, dass Kurz seine Vorstellungen vorlege, war in der Partei zu hören. Die FPÖ hingegen wertete die Vorschläge als "teils abgekupfert, teils unangemessen und völlig untauglich". FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache erinnerte daran, dass ein "Burka-Verbot" eine langjährige Forderung seiner Partei sei, das "selbstverständlich" endlich kommen solle.

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Weil trotz Hinweis ein Hassposting auf der Facebook-Seite von Strache nicht entfernt wurde, wird der FPÖ-Parlamentsklub geklagt

Das von Kurz geplante Integrationsgesetz hätte allerdings schon vor eineinhalb Jahren in Angriff genommen werden sollen, meinte Strache. Der Minister spiele wieder einmal auf Zeit. Sicherheitssprecher Walter Rosenkranz lehnte das angedachte Recht auf einen Deutschkurs in einer Aussendung ab.

Äußerst kritisch zeigten sich auch die Grünen. Anerkannte Flüchtlinge mit Zwang zu Ein-Euro-Jobs für Lohndumping zu missbrauchen, habe letztendlich Österreicher im Visier, kritisierte Integrationssprecherin Alev Korun. "Das Ziel der ÖVP ist offensichtlich, Flüchtlinge als Einfallstor für noch mehr Lohndruck zu benützen. Danach wird es heißen, 'wenn es 1-Euro-Jobs gibt, können wir auch österreichische Arbeitslose zu diesen zwingen'."

Kurz hofft auf Einigung mit SPÖ

Das von Kurz geplante Gesetz soll sich an Asylberechtigte, subsidiär Schutzberechtigte und rechtmäßig niedergelassene Drittstaatsangehörige richten. Er hoffe hier auf eine Einigung mit der SPÖ. Für bessere Vorschläge sei er offen, "aber man soll nicht so tun, als gäbe es keine Probleme". Kontakte mit dem Koalitionspartner in Hinblick auf seine Vorschläge habe es bereits gegeben, betonte Kurz.

Als Kernpunkt seines Sammelgesetzes sieht der Minister die verpflichtenden gemeinnützigen Ein-Euro-Jobs. Er zielt damit auf die derzeit rund 25.000 beim Arbeitsmarktservice (AMS) gemeldeten arbeitslosen anerkannten Flüchtlinge ab, monatlich kämen 1.000 hinzu. Grundsätzlich könne man diese Pflicht zwar nicht auf diese reduzieren, angestammte Österreicher will das Integrationsressort aber durch ein Abstellen auf die Sprachkenntnisse ausnehmen.

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Alev Korun fordert mehr Rechte für die Kurden in der Türkei.

Kürzung von Sozialleistungen

Die Tätigkeiten sollen etwa die Instandhaltung öffentlicher Flächen, die Betreuung von Asylwerbern und anderen Gruppen sowie die Mitarbeit in Sozialeinrichtungen umfassen. Die Vermittlung soll über das AMS erfolgen, hier könnte auch die Residenzpflicht greifen. Anbieten sollen die Jobs in einem ersten Schritt nur Gebietskörperschaften, in einem zweiten Schritt eventuell auch Nichtregierungsorganisationen. Wer nicht zur Annahme bereit sei, dem sollen die Sozialleistungen gekürzt werden, so der Minister.

Kurz betonte die Bedeutung der Arbeitsmarkt-Teilhabe für die Integration. "Wer den ganzen Tag zu Hause und im Park herumsitzt, der hat auch einmal Tagesfreizeit, um auf blöde Ideen zu kommen." Die Ein-Euro-Jobs könnten nach deutschem Vorbild 15 bis 30 Stunden pro Woche umfassen.

Reduktion der Mindestsicherung

Ganz auf ÖVP-Linie will Kurz auch eine Reduktion der bedarfsorientierten Mindestsicherung für Neuankömmlinge. Fünf Jahre rechtmäßiger Aufenthalt wäre aus seiner Sicht die Schwelle für den vollen Bezug. "Es muss einen Unterschied geben zwischen jenen, die frisch hier sind und denen, die eingezahlt haben", argumentierte er.

Ein Verbot der Vollverschleierung "wird Teil unserer Überlegungen sein", so Kurz. Es gehe in Österreich weniger um die Burka als um den Niqab. "Aus meiner Sicht ist das ein Symbol einer Gegengesellschaft" und "kein religiöses Symbol". Sehe man sich europäische Vergleichsbeispiele an, gebe es zwei Verbotsvarianten: entweder nur in öffentlichen Einrichtungen oder im gesamten öffentlichen Raum. Vor zwei Jahren hatte Kurz ein solches - damals von der FPÖ gefordertes - Verbot noch abgelehnt.

Bei Deutsch- und Wertekursen soll es aus Kurz' Sicht eine Mitwirkungspflicht geben, und zwar mit bundeseinheitlichen Sanktionen bei der Nichteinhaltung. Gleichzeitig will er Zuwanderern aber auch einen Rechtsanspruch auf Deutschkurse verschaffen. Die Integrationsvereinbarung soll - gerichtet an Drittstaatenangehörige - um das Erlangen von Wertekenntnissen und strengere Kontrollen von Sprachkenntnissen ergänzt werden. Gegen die Verteilung problematischer Schriften will er bei jenen ansetzen, die sie durchführen - also etwa bei Salafisten, die im Fokus der Staatsschützer stehen und die öffentliche Ordnung stören könnten.

Der KURIER sprach mit Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) über die Folgen der Flüchtlingskrise

KURIER: Wie haben Sie im Vorjahr den Ausbruch der Flüchtlingskrise erlebt?

Sobotka: Persönlich hat mich damals die Nichtvorbereitung auf diese Bewegung irritiert.

Kritik an wem?

Das ist eine Feststellung. Erst als sich die Regierungschefs zur Frage des Durchwinkens zusammengesetzt haben, als Orban den Zaun errichtet hat, konnte man erkennen, dass die EU einen ungeheuren Handlungsbedarf hat. Heute gilt, dass die EU von den Plänen zu Maßnahmen kommen muss.

Jetzt sagt Kilian Kleinschmidt, der frühere Flüchtlingsberater der Regierung, dass er keine Flüchtlingswelle wie 2015 erwartet. Teilen Sie das?

Nein. Wir müssen uns auf eine weitere Flüchtlingswelle vorbereiten.

Die kommt woher?

Wenn sich heute im libyschen Bereich zwischen 300.000 und 900.000 Menschen aus wirtschaftlichen Gründen versammelt haben und die sich nach Europa bewegen, schaut die Situation ganz anders aus. Und ob der Pakt Türkei und EU wirklich so hält, wage ich vom heutigen Standpunkt her weder zu verneinen noch zu bejahen.

Was sagen Ihre Experten?

In den nächsten ein bis drei Wochen ist mit keinen größeren Anlandungen zu rechnen. Aber was im Oktober ist, weiß niemand. Wer hätte den Putschversuch in der Türkei vorausgesagt? Nicht einmal unsere Nachrichtendienste hatten dafür Anzeichen.

Die Sorge bleibt also.

Mit Sicherheit ist nicht auszuschließen, dass sich im Herbst eine größere Menge an Menschen auf die Wanderschaft nach Europa begibt.

Nun lenkt Bundeskanzler Christian Kern bei der umstrittenen Sonderverordnung ein. Damit könnten Sie bald Maßnahmen setzen, um Flüchtlinge an der Grenze zurückzuweisen.

Wenn sich die SPÖ bereit erklärt, diesen Schritt zu setzen, ist das zu begrüßen. Um das rasch in die Begutachtung zu schicken, müssen aber noch Berichte einzelner Ministerien rasch vorliegen.

Ist da jemand säumig?

Ja. Da meine ich besonders das Sozialministerium, das die Arbeitsmarktlage noch immer nur als Herausforderung sieht, aber nicht als eine, die angespannt ist.

Worin begründet sich das?

Wir haben im Sommer eine Höchstbeschäftigung, aber auch die Arbeitslosenrate steigt. Ich werte das als Indiz dafür, dass der Arbeitsmarkt übervoll ist.

Was hat das mit Flüchtlingen zu tun?Der wesentlichste Bestandteil einer Integration ist, Menschen eine Perspektive auf ein eigenverantwortliches Leben zu geben. Und das können wir in keiner Phase garantieren.

Welche Beurteilung erwarten Sie vom Sozialminister?

Dass der Arbeitsmarkt in seinen Kapazitäten erschöpft ist und es keinen weiteren Zuzug geben kann.

Gehen wir davon aus, Sie bekommen die Verordnung. Faktum ist aber auch, die Balkan-Route ist lahmgelegt, die Asylantragszahlen gehen zurück. Welche Maßnahmen wollen Sie dann an der Grenze treffen?

Wenn man sich die Zahlen ansieht, dann hat Österreich auch 2016 eine der höchsten Belastungen in Europa zu schultern. Daher braucht es Maßnahmen, die Obergrenze von 37.500 in keinem Fall überschreiten zu lassen. Ich sage aber auch, die Notverordnung ist nicht das Wunderwerkzeug.

Wie alle Politiker sagen Sie, die EU muss ihre Außengrenze besser schützen.

Wir reden nicht nur, sondern wir tun auch. Wir haben einen Pool von 180 Polizisten zur Grenzsicherung für Frontex bereitgestellt und 23 Polizisten an der Außengrenze in Ungarn zu Serbien im Einsatz. Man kann uns also nicht vorwerfen, dass wir uns nicht an einem europäischen System beteiligen.

Also gut, Außengrenze schützen – was machen Sie noch?

Wir haben unsere Informationskampagne in den Flüchtlingscamps nicht nur in Afghanistan, sondern auch in Jordanien und Libyen neu aufgesetzt, um dort die Leute zu informieren, was sie in Europa erwartet. Nämlich nur der regulierte Übertritt.

Kommen wir zu den Sicherheitsfragen in Österreich. Es gab sexuelle Übergriffe. Da kam sofort die Forderung, kriminelle Asylwerber abzuschieben.

Wir schicken nicht nur Kriminelle zurück, sondern auch jene, die kein Asylrecht erhalten. 2014 haben wir 5934 außer Landes gebracht, heuer waren es bis Ende Juli 6160.

Aber das waren primär abgelehnte Asylwerber und keine sogenannten Kriminellen.

Das Problem ist, dass in manchen Fällen die Menschenrechtskonvention einer Abschiebung entgegensteht oder Länder keine Heimreise-Zertifikate ausstellen. Da bleibt nur die Duldung.

Das gilt auch für Flüchtlinge, die kein Asyl erhalten.

Derzeit gibt mir das europäische Recht nicht die Grundlage dafür, jene, die sich hier illegal aufhalten, strafrechtlich zu verurteilen.

Wie reagieren Sie darauf?

Wir werden im Herbst mit einem ganzen Paket von Maßnahmen auf das Parlament zukommen. Bei der Verhinderung der Identitätsfeststellung muss jetzt nachgeschärft werden. Es ist unverständlich, dass Migranten das Handy und sonst alles haben, aber den Pass und die Papiere haben sie verloren. Also ich passe auf meinen Pass besser als auf mein Handy auf.

Also wollen Sie hier ein strengeres Gesetz zur Abschreckung, um den illegalen Übertritt nach Österreich zu verhindern?

Ich würde hier von einer klaren rechtsstaatlichen Durchsetzung reden und alle Möglichkeiten andenken, die völkerrechtlich zulässig sind. Die Ereignisse des letzten Jahres haben eindeutig gezeigt, dass unsere nationale Rechtsordnung angepasst werden muss.

Also kein Pardon bei den Wirtschaftsflüchtlingen?

Der vor Krieg und Verfolgung flüchtet, der hat den vollen Schutz der Genfer Konvention zu erhalten. Aber derjenige, der aus wirtschaftlichen Gründen bei uns illegal einreist, den möchte ich strafrechtlich verfolgen können. Dazu braucht es eine ganz wesentliche gesetzliche Nachschärfung.

Wie können Sie illegale Einwanderer derzeit belangen?

Das ist ein Verwaltungsdelikt. Derzeit kann die zuständige Landespolizeidirektion einen Strafbetrag von 100 bis 1000 und im Wiederholungsfall von 1000 bis 5000 Euro einheben.

Was wollen Sie vom Nationalrat?

Änderungen beim Fremden- und Sicherheitspolizeigesetz und dem Strafrecht.

Kurz zum IS-Terror: Auch hier strengere Gesetze?

Die haben wir, jetzt geht es um Prävention. Wir wollen alle bis hin zu den Asylwerbern bei der Frage sensibilisieren, wo könnte sich Radikalisierung herausbilden.

Zuletzt hat auch die Lage in der Türkei in Österreich zu Exzessen geführt. Da gab es auch Sachbeschädigungen, eine Brandbombe und vieles mehr.

Ich werde nach dem verhinderten Anschlag in Oberösterreich die Vereinsvorsitzenden ins Innenministerium bestellen, um mit ihnen die Situation zu besprechen.

Klare Worte?

Ich werde als Maßnahme verlangen, wie das von ihrer Seite zu verhindern ist.

Reicht das, angesichts der aufgeheizten Stimmung innerhalb der türkischen Community in Österreich?

Man hat jahrelang nicht beachtet, wie sich die eine oder andere Community entwickelt, weil es vordergründig keinen Grund gegeben hat, tief hinzuschauen. Man hat daher nicht klar strukturiert Wohnbaupolitik betrieben, wo man sagt, da gibt es 24 Wohneinheiten, da müssen vier aus einer türkischen Ethnie hinein und nicht einen ganzen Block mit türkischen Ethnien. Das hat man mit Sicherheit in einzelnen Gemeinden, auch in Niederösterreich, nicht getan.

Also nicht nur ein Wiener Thema?

Nein. Das ist in Wiener Neustadt, Salzburg, Vorarlberg genauso. Wir haben es auch nicht verstanden, mit den Tschetschenen, das ist eine vom Bürgerkrieg traumatisierte Community, so umzugehen, dass sie unsere Wertvorstellungen teilen. Es zeigt sich ja, dass viele aus dem tschetschenischen Lager in den IS gegangen sind.

Sie sind Innenminister und nicht Wohnbau-Politiker.

Ich mische mich hier auch nicht ein, sondern zeige auf, wie das zu verhindern ist.

Was fordern Sie von der türkischen Community in Österreich?

Dass sie hier klar ein Österreich-Bewusstsein an den Tag legen. Für mich ist es unvorstellbar, dass einer, der in Österreich die Staatsbürgerschaft hat, in der Türkei wählt. Wir wissen, dass das stattgefunden hat.

Die Politik diskutiert auch illegale Doppelstaatsbürgerschaften Österreich und Türkei.

Das wird für mich in der Herbstarbeit eine wesentliche Frage sein.

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