Aufstand der Ärzte gegen Sparplan

Symbolbild
Die Ärztekammer mobilisiert die Patienten gegen Reformen, die Politik ist empört

Skandalös. Empörend. Eine Chuzpe. Selten ist die Politik so einmütig aufgebracht wie derzeit über die Ärztekammer. Ob rotes Bundesland, ob schwarzes Bundesland, ob Bundes-Sozialversicherung: Die Politik wirft den Funktionären der Ärztekammer vor, die „Macht des weißen Mantels“ zu missbrauchen, um „ihre Pfründe abzusichern“.

Der Anlass für die Empörung: Die Ärztekammer hat eine Kampagne fix und fertig, mit der sie die Patienten gegen die Gesundheitsreform mobilisieren will. Ab kommenden Montag sollen in den Wartezimmern von Spitälern und Ordinationen Plakate mit folgendem Text hängen: „Mein Arzt ist weg. Eingespart“ bzw. „Mein Spital ist weg. Eingespart“. Subtext: „Früher konnte meine Mutter zur Kontrolle ins Spital im Ort. Jetzt gibt’s dort nur noch die Notfallambulanz. Die Abteilungen haben sie eingespart. Müssen wir jetzt immer 100 Kilometer ins nächste Krankenhaus fahren?“. Die Verteilung der Plakate durch die Ärztekammer an ihre Mitglieder startet heute, Samstag. Die Politik bekam Wind von d er Sache und geht in Gegenwehr.

Ein ungleiches Duell. Denn jeder weiß, wie viel Prestige ein Politiker bei der Bevölkerung hat und wie viel ein Arzt. Aber die Politik kann eine Reihe von Zeugen nominieren, die ihr in der Sache recht geben: Experten von der OECD über den Rechnungshof, vom IHS bis zum WIFO, von Gesundheitsökonomen bis zur EU-Kommission fordern eine Strukturbereinigung im Gesundheitsbereich – und jetzt, wo die Politik sie nach langem Hin und Her endlich macht, „wacheln die Ärzte mit dem Leichentuch“, sagt der Chef des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger, Hans Jörg Schelling zum KURIER. „Immer, wenn man im Gesundheitsbereich irgend etwas angreift, kommt die Ärztekammer und redet den Leuten ein, sie müssten sterben.“ Diese Panikmache und Verunsicherung der Patienten sei „empörend“, sagt Schelling.

Das findet auch die Wiener Gesundheitslandesrätin Sonja Wehsely . Schelling und Wehsely erinnern an die Debatten um eCard, ELGA, eMedikation usw. Stets war die Ärztekammer dagegen. Wehsely: „Es ist eine Chuzpe, wenn sich die Ärztekammer als Patientenvertretung aufspielt. Die Gesundheitsreform enthält erstmals Qualitätsstandards und Qualitätskontrollen – und dagegen wehren sich die Ärzte in Wahrheit. Aber sie sagen es nicht, sondern sie benutzen die Macht des weißen Mantels, um die Patienten zu verunsichern.“

Hintergrund des Konflikts

Schelling kritisiert auch, dass die Ärztekammer eine Kürzung insinuiert, die es nicht gebe: „Wir kürzen nicht 100 € auf 98 €, sondern wir geben statt 104 € nur 102 € aus. Das heißt, wir dämpfen nur den Zuwachs, aber es fließt immer noch mehr Geld ins System.“

Hintergrund des Konflikts: Die Gesundheitsreform bringt eine sehr bedeutende Änderung mit sich. Bisher waren die „Zahler“ im Gesundheitssystem, die Kassen (für den niedergelassenen Bereich) und die Länder (für die Spitäler) miteinander verfeindet. Jeder trachtete, die Kosten möglichst dem anderen umzuhängen. Die Ärztekammer konnte die Zahler gegeneinander ausspielen.

Nun ziehen erstmals die Zahler im System an einem Strang, und die Ärztekammer sieht sich einer geschlossenen Phalanx gegenüber. Bis jetzt durfte sie an den Reform-Verhandlungen gar nicht teilnehmen.

Hinzu kommt – wie in jedem Beruf – die technologische Entwicklung. Die eCard, die elektronische Gesundheitsakte ELGA in Kombination mit der Gesundheitsreform machen Ärzte erstmals wirklich kontrollierbar. Wehsely: „Zum ersten Mal gibt es vom Bodensee bis zum Neusiedler See einheitliche Qualitätsstandards.“

Schelling glaubt, dass in der Ärztekammer „Hardliner“ den Ton angeben, von denen sich die Mehrheit der Ärzte gar nicht vertreten fühlt: „Die Wiener Ärztekammer spart bei der Pensionsvorsorge für die Ärzte, gibt aber 1,8 Millionen für solche Kampagnen aus.“

Der niederösterreichische Gesundheitslandesrat Wolfgang Sobotka findet, dass die Ärztekammer „aufgelöst gehört“. Sobotka: „Es ist einfach jenseitig, was die da behaupten. In Niederösterreich wird kein einziges Spital gesperrt. Die verbreiten glatte Lügen. Das zeigt wieder einmal, wohin dieser Kammerstaat führt. Ich bin eh dafür, die alle aufzulösen.“

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