"Auch Neuauszählung denkbar"

Verfassungs-Experte Bernd-Christian Funk
Experte hält Rechtsbrüche für "de facto erwiesen".

Je länger der VfGH die Wahlanfechtung der FPÖ behandelt, desto dichter werden die Hinweise auf massive Schlampereien – und desto häufiger kommen die Verweise der Experten auf die bisher strenge Judikatur des Höchstgerichtes. Eine Wiederholung der Stichwahl steht also durchaus im Raum.

"Rechtswidrigkeiten hat es gegeben, das ist de facto erwiesen", sagt nun Verfassungsjurist Bernd-Christian Funk im KURIER-Gespräch. Dass daher der Verfassungsgerichtshof keinen Anstoß an den Vorgängen bei der Hofburg-Stichwahl nimmt, hält der Experte für "ausgeschlossen". "Das wird der VfGH bestimmt schonungslos darstellen."

Die Frage sei nun, ob das Ergebnis der Stichwahl durch die aufgetauchten Rechtswidrigkeiten kippt oder nicht. Hier gebe es Interpretationsspielraum für den VfGH. Alexander Van der Bellen hat mit rund 30.000 Stimmen Vorsprung gewonnen.

Bleiben die Höchstrichter bei ihrer strengen Linie, müsste die Stichwahl wiederholt werden. Denn es habe schließlich die Möglichkeit zur Manipulation gegeben, das reicht nach bisheriger Lesart. Denkbar sei aber auch, dass der VfGH alle Augen zudrückt: also die Rechtswidrigkeiten aufzeigt und scharf kritisiert, das Ergebnis aber dennoch bestätigt. Und Funk sieht noch eine dritte Variante: "Auch eine Neuauszählung ist denkbar."

Alle Protokolle, Listen, Briefwahlumschläge, Stimmzettel etc. seien noch vorhanden. Es könnte recht unproblematisch neu gezählt werden. Und Van der Bellen bliebe wohl Sieger, denn bisher wurde ja noch keine einzige Stimmen-Manipulation bekannt.

Interessantes Detail: Im unwahrscheinlichen Fall, dass die Wahl wiederholt werden muss, aber einer der beiden Kandidaten nicht mehr antreten will oder kann (z.B. schwere Krankheit) müsste die gesamte Wahl neu aufgerollt werden – von der Ausschreibung weg, über das Sammeln der Unterstützungserklärungen bis hin zu möglicherweise ganz neuen Kandidaten.

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