Mikl-Leitner steuert auf Konflikt mit Ländern zu

Mikl-Leitner: Großer Anstieg der Asylanträge kam überraschend.
Erfüllen Bundesländer bis Freitag Quote nicht, wird Innenministerin dort selbst nach Quartieren suchen – Kasernen inklusive.

Maximal 480 Leute sollten im Erstaufnahmezentrum Traiskirchen sein: 1342 sind es; rund 160 in Thalham (statt 120). Es gibt immer mehr Asylanträge von Menschen aus Syrien, dem Irak und anderen Krisenregionen. Und fünf Bundesländer erfüllen die Flüchtlingsbetreuungsquote nicht: Ob dieser "besorgniserregenden Situation" wird die Innenministerin aktiv. "Verbessert sich die Lage bis Freitag nicht, indem alle Bundesländer die vereinbarten Plätze schaffen, werden wir dort Privatunterkünfte suchen", sagt Johanna Mikl-Leitner dem KURIER. "Zudem werden wir leer stehende Kasernen ins Auge fassen." Mit Heeresminister Gerald Klug werde sie in den kommenden Tagen darüber reden. "Ich habe ihm schon vor Wochen gesagt, dass es sein kann, dass wir auf Kasernen zurückgreifen müssen." Solche wurden bereits als Unterkunft für Asylwerber genutzt: während der Bosnien-Krise, detto 2013.

Bestärkt in dem Vorhaben fühlt sich Mikl-Leitner durch eine im KURIER publizierte OGM-Umfrage (siehe unten): 73 % der Österreicher sind dafür, Flüchtlinge in Kasernen einzuquartieren: "Das zeigt hohe Akzeptanz." Nicht mehr akzeptieren will die ÖVP-Ressortchefin, dass sich Länder nicht an die festgelegte Quote halten: "Mit diesem Schauspiel der unwürdigen Herbergsuche für Asylwerber muss Schluss sein." Und so will Mikl-Leitner, dass nicht mehr in Traiskirchen (NÖ) oder Thalham (OÖ) der Erstantrag auf Asyl zu stellen ist, sondern in den Regionaldirektionen des Bundesasylamts in den Bundesländern. "Damit muss ein Asylwerber etwa nicht mehr von Kärnten nach Traiskirchen und dann, wenn abgeklärt ist, ob Österreich für den Antrag zuständig ist, nach Kärnten zurückgebracht werden." Die Erstaufnahmezentren wären nur noch für "Dublin-Fälle" (es wurde bereits in einem anderen Land um Asyl ersucht) zuständig. Das träfe auf bis zu 400 derer, die derzeit in Traiskirchen sind, zu, sagt Mikl-Leitner. "Die restlichen könnten sofort in die Bundesländer gebracht werden."

Widerstand

Dort wird gegen das neue Modell opponiert. Nur Niederösterreichs Erwin Pröll heißt es gut. Oberösterreichs Josef Pühringer drängt auf ein drittes Erstaufnahmezentrum. Die Burgenländer sorgt, als "grenznahe Region des Ostens im Krisenfall eine nicht zu bewältigende Zahl an Asylwerbern versorgen zu müssen". Mikl-Leitner versucht zu beruhigen: "Die in der 15a-Vereinbarung und beim Asylgipfel 2012 vereinbarte Quote bleibt ja gleich. Wenn sie im Burgenland erfüllt ist, werden dortige Asylwerber in ein Bundesland gebracht, in dem sie nicht erfüllt ist."

Vorarlbergs wahlkämpfender ÖVP-Landeschef Markus Wallner sagt: "Man will die heiße Kartoffel an die Länder abgeben." Ein Diktat gehe nicht an; die Ministerin solle "ein ausgegorenes Konzept" vorlegen. Ihre Replik: "Bei einem so sensiblen Thema sollten Emotionen und Eigeninteressen hintangestellt werden. Solidarität ist gefragt." Im Übrigen: "Jetzt gibt es Eckpfeiler. Das Ganze wird über den Sommer mit Experten ausgearbeitet, dann darüber diskutiert." Ab Sommer 2015 solle der Modus gelten. Im ersten Halbjahr 2014 gab es 8400 Asylanträge, ein Viertel davon (2170) von Syrern. In diesem Monat waren es in Summe 2200. Mikl: "Der höchste Wert seit Dezember 2005."

Die Situation in Syrien ist nach wie vor dramatisch. Dementsprechend steigt in Europa die Zahl der Asylanträge jener, die Schutz suchen, so auch in Österreich. Im Erstaufnahmezentrum Traiskirchen sind schon (Stand Freitag) 1342 Menschen. Und so hat ÖVP-Innenministerin Johanna Mikl-Leitner den Bundesländern ein Ultimatum gestellt: Sollten diese bis Ende Juli nicht so viele Bürgerkriegsflüchtlinge versorgen, wie mit dem Bund vereinbart sei, werde ihr Ressort aktiv – und Quartiere schaffen, vor allem in jenen Ländern, "die besonders säumig sind". Fünf von neun (Tirol, Oberösterreich, Salzburg, Steiermark, Vorarlberg) erfüllen nicht einmal die 2012 festgelegte Quote von 88 Prozent. Mikl-Leitner: "Zuerst werden wir Privatunterkünfte nützen. In einem zweiten Schritt sollten wir wieder über leer stehende Kasernen nachdenken."

Heeresherbergen Wie denkt die Bevölkerung darüber? Eine große Mehrheit (Grafik) der Österreicher wäre dafür, syrische Flüchtlinge in Kasernen des Heeres unterzubringen, wie eine OGM-Umfrage ergibt. Am vehementesten befürworten das Neos- (87 %) und SPÖ-Anhänger (83 %), der – mit 63 % – geringste Zuspruch kommt von Grün-Sympathisanten. "Kasernen – die immerhin rund 40 Prozent der männlichen Österreicher selbst von innen kennengelernt haben – werden als geeignete Unterbringungsmöglichkeit betrachtet. Dazu kommt das Wissen um die (Finanz-)Misere des Bundesheeres und die diskutierte Verlagerung von Asylplätzen in die Bundesländer", erläutert OGM-Chef Wolfgang Bachmayer im KURIER-Gespräch.

Mehr Schutzsuchende als von der Regierung vorgesehen will das Gros der Bürger aber nicht haben. Zwei Drittel befinden, es sollte bei 1500 bleiben. Primär Blau- (94 %) und Rot-Fans (78 %) wollen das. Nur Neos- (51 %) und Grün-Wähler (72 %) würden mehr dieser Menschen hier Quartier geben. Ursprünglich wollten Rot und Schwarz lediglich 500 Flüchtlinge aus Syrien im Lande aufnehmen; nach Kritik erhöhten sie die Quote.

Warum verwahren sich so viele gegen mehr als 1500 Asylwerber? Bachmayer: "Es liegt an Berichten über Millionen von Flüchtlingen und aus allen Nähten platzenden Lagern. Zudem differenzieren die Menschen in Österreich kaum zwischen Wirtschafts-, Kriegs- und politischen Flüchtlingen. Der Zuwanderung aus muslimischen Ländern stehen sie besonders kritisch gegenüber. Die Erinnerung an jene Zeiten scheint vergessen, als Österreich während der Krisen in Ungarn und später in der Tschechoslowakei mehr als 200.000 Flüchtlinge aufgenommen hat."

Mikl-Leitner steuert auf Konflikt mit Ländern zu
Umfrage Syrien

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