Asyl: Mikl-Leitner pocht auf Neustrukturierung

Sechs, sieben, acht? Johanna Mikl-Leitner will sich in puncto Verteilerzentren auf keine genaue Zahl festlegen.
Asylwesen soll "einfacher, menschlicher und solidarischer" werden, so die Innenministerin.

Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) pocht auf die von ihr Mitte Juli vorgeschlagene Neustrukturierung des Asylwesens - mit Auflösung der Erstaufnahmezentren Traiskirchen und Thalham und einem "Automatismus" zur Aufteilung von Antragstellen auf die Bundesländer. Das Asylwesen müsse "einfacher, menschlicher und solidarischer" werden, sagte sie am Mittwochabend in der ZiB 2.

Im September werde sie ein detailliertes Konzept vorlegen und mit den Landeshauptleuten besprechen, kündigte Mikl-Leitner an.

Traiskirchen ist seit Mittwoch dicht. Die Daten von neuen Asylwerbern werden zwar nach wie vor im Lager aufgenommen. Danach müssen die Menschen aber wegen des Aufnahmestopps andernorts untergebracht werden.

Auf die Straße wird freilich niemand gesetzt. "Mit dem Notfallplan kann ich in den nächsten Tagen gewährleisten, dass wir die neu hinzukommenden Flüchtlinge betreuen können", sagte Mikl-Leitner am Mittwoch zum KURIER. Sie meint damit, dass einige Privatquartiere gefunden wurden. Auch Turnsäle in Bundesgebäuden (z. B. Landespolizeidirektionen) könnten genutzt werden. Notfalls stellt das Rote Kreuz Zelte zur Verfügung. Und: Der Verteidigungsminister lenkte in Sachen Kasernen ein. Gerald Klug hat Mikl-Leitner gestern offeriert, dass 70 bis 100 Asylwerber vorübergehend in der Kaserne Ebelsberg/Linz (OÖ) wohnen könnten. Voraussetzung dafür sei ein Vertrag mit dem Innenministerium. Auch das Finanzministerium müsse die Sache absegnen. Die Asylwerber dürften zudem maximal sechs Monate in Ebelsberg bleiben, weil das Gebäude 2015 verkauft werden soll. Und die Kosten für Adaptierungen müsse das Innenressort tragen.

Mikl-Leitner: "Sieg für die Menschlichkeit"

Mikl-Leitner ist erfreut, dass der Verteidigungsminister "unserem Vorschlag gefolgt ist". Das sei "ein Sieg für die Menschlichkeit" – auch wenn das Angebot "noch im Detail geprüft" werde. Was die Kosten betrifft, hofft die Ressortchefin, dass diese "nicht allzu hoch sind".

Einen Strich durch die Rechnung könnte der ÖVP-Ministerin allerdings noch der Linzer SPÖ-Bürgermeister machen. Klaus Luger bekräftigte gestern, er "müsste" behördlich "verbieten", dass Flüchtlinge in der Kaserne untergebracht werden, weil das Areal "nur militärisch genutzt werden darf". Eine Umwidmung würde "acht bis zehn Monate dauern". Zudem habe die Stadt Linz ohnedies schon 800 Flüchtlinge zu betreuen.

Ebelsberg alleine ist aber ohnedies keine Lösung für das Quartierproblem. "Wir können uns aufgrund der Ereignisse in Krisenregionen keine Entspannung erhoffen", sagt Mikl-Leitner. Heißt: Der starke Zustrom an Flüchtlingen wird anhalten. Die Ministerin "kann nicht ausschließen, dass wir noch zusätzliche Kasernen brauchen".

Als Flüchtlingsherberge jedenfalls nicht infrage kommen soll die Martinek-Kaserne in Baden. Nach dem Nein von Landeshauptmann Erwin Pröll gab es gestern auch eine einstimmige Absage vom Stadtrat der Kurstadt.

Schleppende Suche

Mikl-Leitner pocht weiterhin darauf, dass die Bundesländer – wie vereinbart – mehr Flüchtlinge aufnehmen. Das läuft zäh. In Salzburg hieß es gestern auf KURIER-Anfrage, "zu 88 Prozent werden wir die Quote relativ rasch erfüllen können, an den 100 Prozent arbeiten wir". Tirols Landesrätin Christine Baur will "bis Jahresende sukzessive 100 neue Plätze schaffen". Laut Innenministerium müsste Tirol aber 300 Asylwerber zusätzlich aufnehmen.

Ein Asylwerber in Traiskirchen ist am Donnerstag an ansteckender Gehirnhautentzündung gestorben - mehr dazu hier.

Rund 1400 Asylwerber befinden sich derzeit in Traiskirchen, 480 sollten es sein. Woran liegt das? Wieso halten sich zahlreiche Bundesländer nicht an die mit dem Bund paktierte Quoten-Reglung? Der KURIER beantwortet die wichtigsten Fragen zum Streit um die Unterkünfte für Flüchtlinge.

Warum ist das Erstaufnahmezentrum in Traiskirchen derzeit wieder überfüllt?

Eigentlich sollten Flüchtlinge nur maximal drei Wochen im Erstaufnahmezentrum Traiskirchen (NÖ) verbringen – von der Antragstellung bis zur Zulassung zum Asylverfahren. Danach sollten sie auf Quartiere in den Bundesländern verteilt werden. Da die meisten Länder die vereinbarten Quoten aber nicht erfüllen, bleiben die Flüchtlinge in Traiskirchen. Hinzu kommt, dass die Zahl der Asylwerber aufgrund der vielen Krisenherde (zum Beispiel: Syrien) wieder steigt.

Wie stark ist der Anstieg bei den Asylwerbern?

Im ersten Halbjahr 2014 haben 8395 Personen einen Asylantrag in Österreich gestellt – ein Plus um 1,9 Prozent im Vergleich zu 2013. Im Juli 2014 war der Anstieg noch stärker. Da wurden laut Innenministerium 2200 Neu-Anträge registriert. Das sind um 500 mehr als im Juni 2013 und ist damit der höchste Wert seit 2005. Von den Spitzenwerten Anfang der 2000er-Jahre ist Österreich damit aber nach wie vor weit entfernt. Im ganzen Jahr 2002 sind z. B. fast 40.000 Asylanträge eingebracht worden. Im Vorjahr waren es "nur" 17.503.

Wer sind die größten Quotensünder?

Derzeit haben nur zwei Bundesländer mehr Flüchtlinge untergebracht, als sie müssten: Wien und Niederösterreich (siehe Grafik). Praktisch voll ist das Burgenland. Dort fehlen nur zwölf Plätze. Die übrigen sechs Bundesländer sind säumig. Am meisten Plätze (655) müsste Oberösterreich noch bereitstellen. Landeshauptmann Josef Pühringer hat etwa die Kaserne Ebelsberg im Auge.

Warum halten sich die Bundesländer nicht an die Quoten-Regelung?

Basis der Quoten-Regelung ist ein Vertrag zwischen Bund und Ländern aus dem Jahr 2004. Wer die Quote nicht erfüllt, hat aber keine Sanktionen zu befürchten. Aus diesem Grund sind viele Länder säumig. Schließlich ist es nicht so leicht, Gemeinden zu finden, die Quartiere für Flüchtlinge zur Verfügung stellen. Einige Landeschefs berufen sich zudem auf eine Vereinbarung aus dem Jahr 2012, wonach die Quoten nur zu 88 Prozent erfüllt werden müsse. Laut Innenministerium waren die 88 Prozent aber nur als Übergangslösung im Herbst 2012 gedacht, als Traiskirchen ebenfalls überlastet war.

Ist die Quoten-Regelung zahnlos?

Derzeit trägt das Innenministerium die Infos über die Asylwerber in eine Datenbank ein – und die Länder können entscheiden, welche Flüchtlinge sie übernehmen. Das Ministerium kann die Asylwerber den Ländern also nicht aktiv zuteilen. Die Länder haben eine "Holschuld". Insofern ist die Regelung problematisch. Traiskirchens Bürgermeister Andreas Babler fordert daher "ein neues Gesetz, damit Rechtssicherheit herrscht".

Warum will Verteidigungsminister Klug seine leer stehenden Kasernen partout nicht für Flüchtlinge zur Verfügung stellen?

Weil er die vier leer stehenden Kasernen im Laufe der Legislaturperiode verkaufen muss, um seine Budgetvorgaben einzuhalten. Die finanzielle Lage im Heer ist ohnehin äußerst angespannt. Im Ressort wird befürchtet, dass die Kasernen nicht nur vorübergehend als Unterkunft für Flüchtlinge genutzt werden könnten, sondern Dauer-Quartiere werden. Damit wäre ein Verkauf der Liegenschaften obsolet.
Schlange stehen in Traiskirchen: Derzeit sind rund 1400 Flüchtlinge im niederösterreichischen Lager einquartiert, eigentlich sollten es nur 480 sein.

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