In Traiskirchen blüht offenbar der Schwarzmarkt

In Traiskirchen blüht offenbar der Schwarzmarkt
Markus P. schwindelte sich ins Lager und berichtete dem Schweizer "Tagesanzeiger" über die Zustände.

Markus P., dessen Name von der Redaktion des Schweizer Tagesanzeiger geändert wurde, hat österreichische und afghanische Wurzeln. Grund genug für ihn offenbar, "mir einmal selbst ein Bild von den Zuständen in der Erstaufnahmestelle Traiskirchen" zu machen, wie er im Interview mit der Zeitung sagt. Dabei erhebt er schwere Vorwürfe gegen ORS, jene Firma, die im Auftrag des Innenministeriums die Flüchtlinge betreut.

P. filmte zwei Tage lang mit versteckter Kamera und dokumentierte das Leben hinter den Mauern des Lagers. Er gab sich selbst als Asylwerber aus. Schwierigkeiten, sich am Sicherheitsdienst vorbei zu schwindeln, hatte P. nach eigenen Angaben nicht. "Es gibt zwar einen Wachdienst, aber der schert sich wenig um die Sicherheit. Man kann leicht über den Zaun klettern, das machen die Asylbewerber auch, wenn sie nicht beim Ausgang warten wollen, bis ihr Ausweis gescannt wurde. Ich konnte einmal sogar an der Security vorbei beim Tor raus- und reingehen. Das hat die gar nicht interessiert", so P.

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"Ich habe mir wirklich sehr viele Toiletten angesehen, mehrmals, und habe niemals Klopapier gefunden."

Im Lager selbst sei ihm zunächst besonders der Müll aufgefallen, der in den Ecken liege. Dieser würde einmal täglich von so genannten "Remus" entfernt. Remus sei eine Abkürzung für Asylbewerber, die für drei Euro pro Stunde Dienste im Lager verrichten, etwa Putzen. Es gebe keine professionelle Putz-Firma in Traiskirchen. P.s größte Schwierigkeit in seinen zwei Tagen Recherche: der Mangel an Toilettenpapier. "Ich habe mir wirklich sehr viele Toiletten angesehen, mehrmals, und habe niemals Klopapier gefunden." Das Beschäftigungsangebot für Flüchtlinge gehe gegen Null, seit einiger Zeit würden nicht einmal mehr Deutschkurse angeboten. Auch die Gesundheitsversorgung sei nicht ausreichend.

Spenden verkaufen

Der Vorwurf, der ORS am meisten Kopfzerbrechen machen dürfte, ist wohl dieser: Manche Flüchtlinge würden mit den Sachspenden, die von Privatpersonen nach Traiskirchen gebracht würden, einen regen Schwarzmarkt betreiben. "Das ist richtig gut organisiert: Einige junge Männer stehen am Zaun und nehmen Spenden entgegen, die sie dann im Lager verkaufen, gegen andere Güter tauschen oder für sich behalten. Nur Wasser bekommt jeder am Zaun." Dem Sicherheitsdienst sei das egal, so P. "Sie bekommen ihr Geld sowieso. Im Lager hat mich niemand angesehen, auch nicht kontrolliert."

ORS wehrt sich

ORS will die Vorwürfe nicht auf sich sitzen lassen. In einer Stellungnahme an den Tagesanzeiger wehrte sich der operative Leiter, Wilhelm Brunner: Weder leite noch verwalte man die Erstaufnahmestelle, sondern betreue lediglich die Flüchtlinge als Dienstleister im Auftrag des Innenministeriums. Dabei leide man selbst unter dem Mangel an Ressourcen. "Wir haben dem Ministerium laufend kommuniziert, wie wir die Situation einschätzen und dass die Kapazitäten bei weitem überschritten wurden. Durch die äusserst schwierige Situation ist es uns nicht mehr möglich, alle Leistungen, wie sie im Vertrag festgelegt wurden zu erfüllen." Man habe bereits neue Leistungen erbringen müssen, die im Vertrag nicht genannt seien.

Die Deutschkurse, so Brunner, würden tatsächlich nicht mehr angeboten - die Räumlichkeiten seien angesichts der Überfüllung für die Unterbringung gebraucht worden. Den Vorwurf, es gebe kein Klopapier, weist er zurück. Die Flüchtlinge erhielten Pakete, die sie jederzeit nachfordern dürften.

Die ausführliche Stellungnahme gerät nur einem Punkt kurz und knapp: "Von einem Schwarzmarkt in der Betreuungseinrichtung habe ich keine Kenntnis."

Anmerkung: Der KURIER kann weder die angegebenen Behauptungen von Markus P. noch die Angaben von ORS verifizieren oder widerlegen.

Die privat gespendeten Zelte am Gelände des Erstaufnahmezentrums Traiskirchen sind vorläufig abgebaut worden. Man hoffe, im Laufe des Donnerstags sämtliche Flüchtlinge in fixen Unterkünften unterzubringen, begründete das Innenministerium diese Maßnahme. Dies hänge auch davon ab, wie viele Asylwerber an diesem Tag in die Bundesländer überstellt werden.

Der Belagsstand in Traiskirchen betrug Donnerstagvormittag 3.400. Davon seien noch 200 Menschen obdachlos gewesen, hieß es aus dem Ministerium, wo von einer weiteren Entspannung der Lage im Erstaufnahmezentrum die Rede war. Von einst rund 2.000 Asylwerbern ohne Dach über den Kopf sei man auch aufgrund des Aufnahmestopps auf nun 200 gekommen.

Die abgebauten Zelte, die über das gesamte Gelände des Erstaufnahmezentrums verstreut gewesen waren, würden sicher verwahrt, betonte man im Innenministerium. Sollten am Abend noch immer Menschen obdachlos sein, würde man die Notunterkünfte wieder aufbauen. Im Internet verbreitete Gerüchte, wonach die privat gespendeten Zelte "entsorgt" worden sein sollen, dementierte man.

Mitnichten, konterte hingegen Markus P. (siehe oben) gegenüber dem KURIER. Er habe mit eigenen Augen gesehen und dokumentiert, dass die gespendeten Zelte weggeschmissen würden.

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