"Es darf keiner an der Landesgrenze krepieren"

Faymann beim Landesparteitag in der Steiermark
Kanzler Faymann bekam Unmut von Teilen der SPÖ gegen Obergrenze zu spüren.

"Kreisky würde sich im Grab umdrehen", steht auf kleinen Schildern, die Vertreter der Sozialistischen Jugend in die Höhe halten: Als SPÖ-Chef Werner Faymann über die 90.000 Asylanträge aus dem Vorjahr spricht, zeigt die Parteijugend stumm, aber gut sichtbar flagge. Sie hat noch ein zweites Taferl parat: "Menschenrechte brauchen keine Obergrenze."

Der Kanzler ignoriert den stillen Protest geflissentlich. Doch dieser zeigt den Riss in der SPÖ nach dem Obergrenzen-Beschluss für Asylwerber. "Für viele in diesem Saal hat die Bundes-SPÖ ihre letzten Prinzipien über Bord geworfen", begründet SJ-Chef Peter Drechsler die Taferl-Aktion während des Landesparteitages der steirischen SPÖ am Samstag in Spielberg.

"Es darf keiner an der Landesgrenze krepieren"
ABD0140_20160123 - SPIELBERG - ÖSTERREICH: Landeshauptmann Stellvertreter Michael Schickhofer (SPÖ) im Rahmen des Landesparteitages der SPÖ Steiermark mit Wahl des Vorsitzenden am Samstag, 23. Jänner 2016 in Spielberg. Schickhofer wurde mit 95 Prozent der Delegiertenstimmen als Landesparteivorsitzender gewählt. - FOTO: APA/ERWIN SCHERIAU
Faymann wiederholt indes, in der Flüchtlingsfrage auf eine"europäische Lösung" zu setzen – und darauf zu pochen, dass nicht nur Schweden, Deutschland und Österreich am meisten belastet werden. "Wir belügen unsere eigenen Leute nicht und sagen, alles geht bis zu jeder Zahl", verteidigt er den "Richtwert" (vulgo "Obergrenze"). "Es ist eine Frage der Ehrlichkeit, das auszusprechen." Der Parteijugend ist das zu wenig. "Wir drohen, unsere Glaubwürdigkeit zu verspielen", fürchtet Drechsler. Auch der neue rote Landesobmann Michael Schickhofer kann der Obergrenze nicht viel abgewinnen. "Ich verstehe, dass man sich ein klares Ziel setzt. Aber keiner darf an der steirischen Landesgrenze krepieren." Dann wendet sich Schickhofer direkt an seinen Parteichef. "Werner, da müss’ ma aufpassen, das wird’s nicht spielen: Dass die Steiermark zu einer Wartezone wird. Eine Pufferzone in den Weinbergen lehnen wir entschieden ab." Die steirischen Roten hat er damit gewonnen: Schickhofer wird mit 95 Prozent Zustimmung zum Landes-SP-Chef gekürt. Er folgt damit offiziell auf Franz Voves, der nach der Wahlniederlage im Vorjahr zurückgetreten ist. Schickhofer kann mit 95 Prozent zufrieden sein. Er übernahm eine Partei, die verbittert war, weil Voves den Landeshauptmannsessel der ÖVP überlassen hat. "Samma für einander da, halt ma zamm", bittet der 36-Jährige. In dem Punkt trifft er sich mit Faymann. "Ich weiß, wie schwierig es ist, diese Partei zusammenzuführen", sinniert der Kanzler. "Und wie leicht es wäre, sie auseinanderzudividieren."

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