Arbeitserlaubnis für Flüchtlinge?

Der Problematik bewusst, aber uneinig: Ministerin Mikl-Leitner (re.) und Landeshauptleute-Chef Kaiser
Plan der Innenministerin: Vier Flüchtlinge pro 1000 Einwohner in einer Gemeinde.

Das Lachen, das Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) beim "Familienfoto" mit Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) und Salzburgs Flüchtlingsreferentin Martina Berthold (Grüne) aufsetzte, war wohl nur für die Kameras. Denn beim Asylgipfel am Mittwoch im mondänen Hotel "Schloss Seefels" in Pörtschach hatte sie nichts zu lachen. Von der von der Regierungsspitze in Wien geforderten Einigung ist man noch weit entfernt. Dabei ließ die Ministerin wissen, bei den Quartieren bis zum Wochenende "am Ende" zu sein (siehe Bericht unten). Für sie muss aber die "unwürdige Herbergssuche ein Ende haben".

Am Wörthersee tagten zuerst die Flüchtlingsreferenten der Länder. Sie waren sich relativ schnell einig. Dann präsentierte Mikl-Leitner die "neue Struktur der Grundversorgung", die bis Juli 2015 in ein Gesetz gegossen werden soll. Sie musste zugeben: "In der Grobstruktur wurde Einigung erzielt. Jetzt geht es um die Details."

Erstmals sagte die Ministerin, dass neben den Ländern (Asylwesen ist in einem Bund-Länder-Vertrag niedergeschrieben) auch die Gemeinden in die Verhandlungen einbezogen werden müssen. Für Kaiser sind noch viele Fragen offen. Daher gibt es schon am 19. Oktober den nächsten Asyl-Gipfel. Stand der Dinge ist:

Automatismus
Mikl-Leitners Konzept basiert auf drei Säulen: Automatismus zur Erfüllung der Quote (je mehr Flüchtlinge, desto mehr Aufnahmen in den Ländern); Erstzulassung und Prüfung in den Ländern ("Aber es muss nicht unbedingt neun Aufnahmezentren geben"); und eine neue Verpflichtung für Gemeinden ("weil sie die Flüchtlinge unterbringen müssen."). Derzeit versorgen nur 515 der 2354 Kommunen Asylwerber. Die von Mikl-Leitner angedachte Lösung: Vier Flüchtlinge pro 1000 Einwohner.

Standards
Die Länder haben sich auf Mindeststandards bei Unterbringung, Infrastruktur, Betreuung, Bildung und Ausbildung (u.a. Gratiskindergarten) geeinigt.

Zwei Euro mehr
Mit derzeit 19 Euro pro Person und Tag wird fast nirgends das Auslangen gefunden. Mit "Zähneknirschen" (aus budgetären Gründen) haben sich die Länder auf 21 Euro für die Unterbringung eines Asylwerbers geeinigt.

Arbeit
Debattiert wird, ob Flüchtlinge künftig arbeiten dürfen, noch bevor das Asylverfahren abgeschlossen ist.

Bleiberecht auf Zeit
Mikl-Leitner sieht anders als in der Bosnien-Krise keine Notwendigkeit zu einem Sonder-Aufenthaltsrecht. ("Bei Syrern gibt es ohnehin 98 Prozent positive Entscheidungen").

Reserven
Um künftiger Flüchtlingsströme Herr zu werden, müssen Kapazitäten geschaffen werden. Wie, wird verhandelt.

EU-Initiative
Alle sind sich einig, dass Asyl nicht nur wenige, sondern alle 28 EU-Staaten angeht. Das will die Ministerin am 10. Oktober bei der Konferenz der Innenminister zur Sprache bringen.

Als die Innenministerin eigentlich schon gehen will, meldet sich ein Asylwerber. Ob er denn etwas sagen dürfe, fragt der junge Syrer Johanna Mikl-Leitner. „Wir haben es alle gut hier. Gutes Essen, alles gut“, beteuert er und zeigt auf das Grüppchen hinter ihm, das zuhört. „Ich bin allein hier. Aber die alle haben Familien im Krieg.“

Rund 140 Asylwerber wohnen derzeit im „Haus am Semmering“ im steirischen Spital am Semmering, einem Hotel, das gegen den Willen der Gemeinde vom Bund zu einem Großquartier gemacht wurde. Doch nach einem Rundgang mit Bürgermeister Reinhard Reisinger (SPÖ) hat Mikl-Leitner eine für ihn erfreuliche Botschaft: „Sollte das Bundesland die Quote zu 100 Prozent erfüllen, sind wir bereit, auf diese Betreuungseinrichtung zu verzichten.“

Damit gibt die ÖVP-Ressortchefin den Druck weiter an die steirische Landesregierung: „Die Steiermark hat das in der Hand.“ Damit legt auch Bürgermeister Reisinger den ins Auge gefassten Plan, aus Protest die Semmering Schnellstraße S 6 zu blockieren, ad acta. „Mit der Aussicht, dass dieses Quartier in zwei, drei Monaten weg ist, können wir zufrieden sein.“ Derzeit erfüllt das Bundesland die Quote zu rund 90 Prozent.

Der Bund hat das Hotel allerdings gerade erst auf 15 Jahre gepachtet. Wie sich dieser Vertrag wieder lösen lasse, müsse man sich nun anschauen, betont Ministerin Mikl-Leitner.

Um Platz für Flüchtlinge zu schaffen, werden nun österreichweit Polizei-Turnsäle adaptiert. 40 Asylanten bietet außerdem eine ehemalige Bundesheer-Kaserne in Hall Quartier.

Ein Polizei-Turnsaal in Salzburg wurde bereits zum Flüchtlingslager umfunktioniert, er ist inzwischen voll belegt. Den Turnsaal im Bundesamtsgebäude der burgenländischen Landespolizeidirektion in Eisenstadt hat man in den vergangenen Tagen ebenso adaptiert: 40 Betten aus Beständen des Roten Kreuzes wurden aufgestellt und die notwendige Logistik eingerichtet, wie Wolfgang Bachkönig, Sprecher der Landespolizeidirektion, informiert. Mittwoch am späten Nachmittag sind die ersten Asylwerber, 40 Männer aus Syrien bzw. dem Irak, vom Erstaufnahmezentrum Traiskirchen nach Eisenstadt überstellt worden. "Das ist aber nur ein Provisorium", betont Bachkönig.

In Linz und Villach trifft man indes die letzten Vorkehrungen, um ebenfalls Flüchtlinge aufzunehmen. Im Turnsaal der Stahlstadt werden ab Donnerstag bis zu 40 Personen untergebracht. Für soziale Betreuung durch eine Hilfsorganisation und Aufsicht durch eine private Firma sei gesorgt, sagte der Pressesprecher der Landespolizeidirektor Oberösterreichs, David Furtner. Wie der Kärntner Presseoffizier, Rainer Dionisio, hinzufügte, sei man auch im Polizei-Turnsaal der Kollegen in Villach "in ein bis zwei Tagen gerüstet, um rund 30 Flüchtlinge aufzunehmen." Für die Versorgung sorgt hier die Polizeiküche.

In der ehemaligen Bundesheerkaserne in Hall werden unterdessen weitere Flüchtlinge untergebracht. Die Liegenschaft gehört jetzt einer Gemeinschaft aus Rumer und Thaurer Bauern, die das Areal nun Asylanten zur Verfügung stellt – zum Missfallen der Haller Bürgermeisterin Eva Maria Posch: "Flüchtlinge sind bei uns immer willkommen, aber die Kaserne wurde vor Jahren von Experten geprüft und als nicht ideal für Flüchtlinge eingestuft. Es fehlt die Infrastruktur."

Wegen der zahlreichen Krisen in Afrika und Nahost sind derzeit weltweit so viele Menschen auf der Flucht wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. Darauf hat die Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland, Selmin Caliskan, am Mittwoch in Berlin hingewiesen. Der überwiegende Teil der 51 Millionen entwurzelten Menschen suche innerhalb des eigenen Landes Schutz.

Etwa 18 Millionen Menschen hätten sich aufgemacht in ein anderes Land, sagte Caliskan. Angesichts dieser dramatischen Entwicklung müsse Europa endlich seine "Abschottungspolitik" beenden. "Es nimmt dabei in Kauf, Menschenrechte zu verraten und das Mittelmeer zum Massengrab zu machen", sagte sie mit Blick auf die Schlepper-Boote, die im Mittelmeer gekentert waren. Auch die Strategie, durch die Zusammenarbeit mit Transit-Ländern wie Libyen eine "Pufferzone" rund um Europa zu errichten, sei grundlegend falsch.

Der Geschäftsführer der deutschen Flüchtlingsorganisation Pro Asyl, Günter Burkhardt, erklärte, das sogenannte Dublin-Verfahren, wonach jeder Asylbewerber in Europa seinen Antrag in dem Land stellen muss, das er zuerst betreten hat, sei gescheitert. Trotzdem beharrten einige EU-Staaten darauf, die Verantwortung für die Aufnahme von Flüchtlingen auf Grenzstaaten wie Italien und Griechenland abzuwälzen. "Europa muss das Sterben an seinen Grenzen beenden", forderte Burkhardt.

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