Arbeiten bis 65 "nicht vorstellbar"

Arbeiten bis 65 "nicht vorstellbar"
Für die meisten Österreicher ist Arbeiten bis zum offiziellen Pensionsantrittsalter reine Utopie.

Mehr als die Hälfte (53 Prozent) der über 45-Jährigen kann sich nicht vorstellen, unter unveränderten Bedingungen bis zum offiziellen Pensionsantrittsalter von 60 (Frauen) bzw. 65 (Männer) Jahren zu arbeiten. Sogar unter den 36-bis 45-Jährigen kann sich das die Hälfte der im Arbeitsklimaindex befragten nicht vorstellen. Das sei ein Alarmsignal, meint AK-Oberösterreich-Präsident Johann Kalliauer.

"Menschen müssen länger arbeiten, ist falsch"

Von den Menschen, die unter Zeitdruck arbeiten, können sich sogar zwei Drittel nicht vorstellen, bis zum offiziellen Pensionsantrittsalter weiterzumachen. Diese Zahlen zeigen aus Kalliauers Sicht einen "groben Widerspruch" zum gesellschaftspolitischen Ziel, Menschen länger in der Arbeit zu halten. "Die verkürzte Formel: Menschen müssen länger arbeiten, ist falsch", so Kalliauer am Freitag in Wien im Gespräch mit Journalisten. Die Betriebe seien gefordert, sich um Arbeitsbedingungen zu bemühen, die älteren Menschen überhaupt ermöglichen, bis 65 zu arbeiten.

Kündigungsschutz ein "Mosaiksteinchen"

Einfache Rezepte gebe es nicht. Ein Kündigungsschutz sei dabei nur "ein Mosaiksteinchen". Die Einführung eines Bonus-Malus wäre hingegen immerhin schon eine "Mosaikplatte". Das von den Sozialpartnern schon länger verhandelte System würde Gutschriften für Firmen vorsehen, die überdurchschnittlich viele ältere Menschen beschäftigen und Strafzahlungen, wenn ein Unternehmen wenig Ältere in der Belegschaft hat. Aber auch das werde nicht funktionieren, wenn die Arbeitsbedingungen eine Beschäftigung bis zur Pension verhindern.

Die Sozialpartner sollten in der Lage sein, im Frühjahr eine Einigung zum Bonus-Malus zu erzielen, glaubt Kalliauer. Ein Beschluss im Parlament sei dann im Herbst denkbar. Der Bonus bzw. Malus müsse jedenfalls so hoch sein, dass ihn Firmen spüren. Die AKOÖ selber hat einmal mit 900 Euro pro Mitarbeiter gerechnet, so Kalliauer. Aber zunächst müsse man erst klären, wie überhaupt der Durchschnitt berechnet wird: Nach Branchen biete sich an, aber dann würden Branchen, die insgesamt kaum ältere Menschen beschäftigen, nicht erfasst. Auch das ist für Kalliauer "gesellschaftspolitisch kritisch".

Zumutbarkeitsdebatte

Auch von einer Lockerung der Kündigungsbestimmungen für Ältere hält Kalliauer wenig. Der Kündigungsschutz in Österreich sei ohnehin relativ schwach ausgebildet (mehr dazu siehe Hintergrund) und in der Praxis werde praktisch nie wegen Alters gekündigt. Auch habe der Wegfall des Kündigungsschutzes für Behinderte nicht zu einer höheren Beschäftigung geführt. Jedenfalls seien pauschale Schuldzuweisungen, wonach ältere Menschen nicht arbeiten wollen, falsch. Solange es zu wenige Jobs im Land gebe, helfen keine Maßnahmen, schon gar nicht die Verschärfung der Zumutbarkeitsbestimmungen (siehe hier).

Den Arbeitsklimaindex im Detail finden Sie hier.

Wer seinen Job verliert, hat es in Krisenzeiten schwer. Besonders hart trifft es jene, die auf Arbeitssuche und über 50 sind. Der Anstieg der Arbeitslosigkeit ist in dieser Altersgruppe doppelt so hoch wie im Durchschnitt der Bevölkerung: ein Zuwachs um 15 Prozent allein im Oktober.

Triste Konjunkturaussichten oder künftige Pensionsreformen, die das Antrittsalter weiter in die Höhe schrauben, machen die Situation für Ältere nicht unbedingt besser. In Österreich sind in dieser Altersgruppe momentan fast 80.000 Menschen ohne Arbeit – und Perspektive.

Um ihre Beschäftigung zu fördern beziehungsweise den Wiedereinstieg Älterer in den Arbeitsmarkt zu erleichtern, hat sich die Regierung verschiedenste Maßnahmen vorgenommen. Neben vielen weichen Punkten ("Förderung", "Sensibilisierung", "Evaluierung") finden sich auch harte Maßnahmen im Regierungsprogramm. Dazu gehört – im Rahmen eines umfangreichen Paketes zu Fragen des Arbeitsrechts und der Arbeitszeit – der geplante Entfall des Kündigungsschutzes für Ältere ab 50.

Zuständig ist das Sozialministerium unter Rudolf Hundstorfer (SPÖ). Aufgrund strittiger Details (z. B. 12-Stundentag, leichterer Zugang zur 6. Urlaubswoche etc.) hängt das Gesamtpaket schon länger in der Warteschleife. Die Aufhebung des Kündigungsschutzes ist jedoch relativ unstrittig.

Frist: Zwei Jahre

Konkret kann derzeit eine Kündigung wegen sogenannter Sozialwidrigkeit mit sehr guten Erfolgsaussichten angefochten werden, wenn jemand jenseits der 50 ist und schon zwei Jahre in einem Unternehmen arbeitet.

Ohne diesen Passus im Arbeitsverfassungsgesetz sollte es Betrieben künftig leichter fallen, Ältere anzustellen. Schlicht, weil man sie im Falle des Falles auch wieder leichter los wird. So sieht das jedenfalls Arbeitsmarktexperte Wolfgang Alteneder von der Forschungsgesellschaft Synthesis. Er sagte zum KURIER: "Diese Maßnahme hat zwei Seiten. Sie erleichtert es Betrieben, Ältere aufzunehmen, aber auch, sich älterer Beschäftigter zu entledigen. Der österreichische Arbeitsmarkt ist jedoch derart dynamisch, dass unter dem Strich wohl ein positiver Effekt zu erzielen sein wird."

Vorher muss aber noch an der legistischen Umsetzung bzw. der konkreten Formulierung gefeilt werden. So wie es jetzt im Regierungsprogramm steht – "Förderung der Einstellung von älteren Arbeitnehmern durch Wegfall der Frist in § 105 Abs. 3b" wird das Gegenteil bewirkt. Denn im zitierten Paragraf steht die besagte Frist von zwei Jahren. Entfällt sie, könnte ein 50-Jähriger seine Kündigung sofort und nicht erst nach zwei Jahren vor Gericht anfechten. Der Kündigungsschutz würde also verschärft statt gelockert.

"Das ist nur missverständlich formuliert. Geplant ist die Lockerung", versichert man im Ministerium – fristgerecht.

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