Rupprechter: "Meine Töchter halten die ÖVP für verzopft"

Im Ministerbüro hängt ein Bild mit verfremdeter Angela Merkel & Nicolas Sarkozy und eines des Staatsoberhaupts gleich unter dem Kreuz.
ÖVP-Lebensminister Rupprechter verlangt Öffnung seiner Partei, weil sie sonst für Junge nicht wählbar sei.

Es ist früher Abend. Müde sei er, urlaubsreif, sagt Andrä Rupprechter dem KURIER, der ihn in seinem Büro am Wiener Stubenring besucht. Schlappmachen geht nicht. Der ÖVP-Ressortchef muss noch in den Bundesrat, hernach in die ZiB2.

Ab diesem Wochenende ist aber Ruh’; Polit-Auszeit nimmt sich der Tiroler bis Mitte August. Seit sieben Monaten amtiert Rupprechter als "Lebensminister". Schon bei seiner Angelobung im Dezember ist er aufgefallen – weil er der "Ich gelobe"-Formel ein "so wahr mir Gott helfe und vor dem heiligen Herzen Jesu Christi" beifügte. Es komme ein Katholikenfundi in die Regierung, hieß es. Dann passierte das, was Rupprechter angekündigt hatte: zu überraschen. Das tat der Mann, der stets einen Rosenkranz bei sich trägt, mit dem Verlangen, Schwulen und Lesben das Adoptionsrecht zu geben; ebenso mit dem Begehren, der Zölibat solle weg, weil er "nicht mehr zeitgemäß" sei.

Nun befindet er, angesprochen auf seine Aussage im biber-Magazin, in jedem Bundesland sollte es zumindest eine Moschee mit Minarett geben: "Man sollte sich nicht vor Gebetshäusern fürchten. Es sollte selbstverständlich sein, dass eine Kirche, eine Synagoge und ein Minarett nebeneinander stehen. Wenn wir hier eine Bevölkerungsgruppe islamischen Glaubens haben, muss man ihr ermöglichen, beten gehen zu können."

Einmal mehr trotzt Rupprechter damit jenen, die ihn vorschnell kategorisiert haben. "Viele dachten wohl: Wer aus Tirol kommt, muss ein stockkonservativer Alpen-Taliban sein." Warum entspricht er nicht dem Klischee? "Ich bin zu Hause verwurzelt, habe aber in Wien gelebt und dann in Brüssel Karriere gemacht."

Anecker

Bei vielen Bürgern kommt sein "liberales Weltbild" gut an, in der eigenen Partei missfällt es etlichen. Von Geltungsdrang, Mediengeilheit reden sie hinter des Ministers Rücken. Das irritiere ihn nicht: "Ich sage, was ich mir denke – und stehe dazu." Ex-ÖVP-Mandatar Michael Ikrath hat Rupprechter als einen "Hoffnungsträger" der Schwarzen qualifiziert – wegen dessen "Offenheit". Die fordert der Ressortchef von seiner Partei ebenfalls ein: "Auch junge Leute für sie zu gewinnen, ist mir ein großes Anliegen."

Dass die ÖVP für viele von diesen "nicht das ideale politische Lager" ist, sei ihm auch durch seine beiden Töchter bewusst geworden: "Sie sagen: Die ÖVP sei verzopft, reaktionär, stockkonservativ. Das macht mir Sorgen."

In den "Evolutionsprozess", der in ein neues Parteiprogramm müden soll, werde er sich einbringen: "Wir müssen gesellschaftspolitisch offener werden, zur Kenntnis nehmen, dass es unterschiedliche Lebensentwürfe gibt, nicht nur die herkömmliche Familie." Und: "Wir müssen umweltbewegten Menschen Heimat geben, die ökosoziale Marktwirtschaft wiederbeleben."

Auch Nicht-Gesinnungsfreunden missfiel die eine oder andere Äußerung des 52-jährigen Polit-Mannes. Etwa jene über den Vize-ÖH-Chef der Boku (dieser hatte die Fusion von Wissenschafts- und Wirtschaftsressort kritisiert): "Von einem aus Mecklenburg-Vorpommern brauchen wir uns nicht sagen zu lassen, wie wir Wissenschaftspolitik gestalten. Als ich studiert habe, herrschte dort noch Realsozialismus." Auch das "Aber bitte nicht rauchen!" nahmen ihm viele krumm. Nicht so Tirols Grünen-Chefin Ingrid Felipe, der er bei einer Naturschutzkonferenz mit diesen Worten einen Mini-Heuballen übergeben hatte.

Keinen Sager bedaure er, sagt Rupprechter: "Wir brauchen auch in der Politik einen Spaßfaktor. Reiner Bierernst geht den Menschen auf die Nerven." Ebenso Politiker-Sprech. Nicht nur von Schachtelsätzen sollten Leute seiner Zunft lassen, generell sei so zu reden, dass es jeder versteht.

Knapp halten muss sich Rupprechter auf Twitter. Bei 140 Zeichen ist dort textlich Schluss. Neben Kurz ist er der einzige Minister, der auch auf die Art kommuniziert. Als Conchita den Song Contest gewann, zwitscherte er: "Österreichs Wurst ist die beste!" Diesen Tweet werde er "in Erinnerung rufen: Wenn entschieden ist, dass der nächste Song Contest in Innsbruck stattfindet. Darum wird der ORF nicht herumkommen."

Lebensminister Andrä Rupprechter zum jetzigen Zustand seiner Volkspartei

"Auch junge Leute für sie zu gewinnen, ist mir ein großes Anliegen. Meine zwei Töchter haben mir gesagt, dass die ÖVP nicht das ideale politische Lager für sie ist; dass sie sie nicht wählen. Sie sei verzopft, reaktionär, stockkonservativ. Das macht mir Sorgen."

Zum Zustand, in den die ÖVP kommen sollte

"Wir müssen gesellschaftspolitisch offener werden, zur Kenntnis nehmen, dass es unterschiedliche Lebensentwürfe gibt, nicht nur die herkömmliche Familie. Und wir müssen umweltbewegten Menschen Heimat geben, die ökosoziale Marktwirtschaft wiederbeleben."

Zu seiner Aussage, in jedem Bundesland sollte zumindest eine Moschee mit Minarett sein

"Man sollte sich nicht vor Gebetshäusern fürchten – egal für welche Konfession. Es sollte selbstverständlich sein, dass eine Kirche, eine Synagoge und ein Minarett nebeneinander stehen. Wenn wir hier eine Bevölkerungsgruppe islamischen Glaubens haben, muss man ihr auch ermöglichen, beten gehen zu können. Der Gemeinde Telfs tut das Minarett gut. Gegenseitiger Respekt wird gefördert."

Zur Kritik an seinen Sagern

"Ich bereue keinen. Im Gegenteil. Wir brauchen auch in der Politik einen Spaßfaktor. Reiner Bierernst geht den Menschen auf die Nerven."

Zu Gerüchten, er könnte Michael Spindelegger als VP-Chef beerben (um Sebastian Kurz nicht zu verheizen). Oder 2016 als Nachfolger Heinz Fischers für die Hofburg kandidieren

"Ich möchte UNO-Generalsekretär oder Papst werden. Ich sage aber dazu, dass das ironisch gemeint ist."

Andrä Rupprechter wurde am 31. Mai 1961 im tirolerischen Brandenberg geboren – als eines von elf Kindern. An der Wiener Uni für Bodenkultur studierte er Agrarökonomie. Beruflich begann er im Bauernbund. Danach werkte er im Landwirtschaftsressort, zuerst im Kabinett Franz Fischlers, dann in jenem Wilhelm Molterers. Von 2002 bis 2007 war er Sektionschef im Lebensministerium, anschließend Direktor im Generalsekretariat des Rates der EU. 2013 wurde er Generalsekretär des Ausschusses der Regionen. Rupprechter ist verheiratet, hat vier Kinder.

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