Amnesty schickt Prüferteam nach Traiskirchen

Viele von ihnen müssen im Freien auf dem Boden schlafen. Darunter auch Kinder.
Zentrale in London durch "Massenobdachlosigkeit" alarmiert. Derartige Prüfung für Mitteleuropa ungewöhnlich.

Wie Flüchtlinge in Österreich untergebracht bzw. eben nicht untergebracht werden, wird zunehmend Thema auf internationalem Parkett: Wie Amnesty International dem KURIER bestätigt, wird es eine offizielle, von London beim Innenministerium beantragte Prüfung der Flüchtlingssituation in Traiskirchen und Rest-Österreich geben.

"Ja, wir haben von der Zentrale schriftlich den Auftrag erhalten, eine international autorisierte Research-Mission durchzuführen", bestätigt Heinz Patzelt, Generalsekretär von Amnesty Österreich, im KURIER-Gespräch.

Nachdem über längere Zeit und in verschiedenen EU-Ländern wie Frankreich und Deutschland Berichte über eine "mögliche Massenobdachlosigkeit unter Asylwerbern" aufgetaucht sind, habe die Mutter-Organisation entschieden, dass ein österreichisches Team – gemeinsam mit einer Mannschaft in London – überprüfen soll, wie es aus menschenrechtlicher Perspektive um das heimische Flüchtlingswesen bestellt ist. Immer wieder wurden ja erschreckende Fotos veröffentlicht.

"Man kann sagen, dass demokratisch und rechtsstaatlich gefestigte Länder so etwas im Schnitt nur alle zehn Jahre erleben"

Eine derartige Prüfung ist vergleichsweise aufwendig und für mitteleuropäische Länder ungewöhnlich.

"Man kann sagen, dass demokratisch und rechtsstaatlich gefestigte Länder so etwas im Schnitt nur alle zehn Jahre erleben", sagt Patzelt. In Österreich habe es einen vergleichbaren Check zuletzt 2007 gegeben.

Innenministerium prüft

Das Innenministerium prüft derzeit den Antrag von amnesty international. Sofern das Innenressort zustimmt, wird "in den nächsten Tagen und Wochen" ein aus Menschenrechtsexperten, Ärzten, Dolmetschern und Dokumentaristen bestehendes Team die Situation in Österreich prüfen. Dabei geht es unter anderem um eine Bestätigung, dass die Fotos und Artikel, die in heimischen Zeitungen wie dem KURIER zu sehen und lesen waren, authentisch sind, erklärt Patzelt.

Die Tatsache, dass Österreich nun aufgrund von "indiziengestützten Annahmen" evaluiert werden soll, bedeute nicht, dass Amnesty Österreich mit Staaten wie Griechenland, Ungarn oder der Tschechischen Republik gleichgesetzt hat. "In diesen Ländern", sagt Patzelt, "ist die Situation ungleich schlechter und Flüchtlinge sind Ungeheuerlichem ausgesetzt – bis hin zu physischem Missbrauch."

Warum wird geprüft?

Warum aber will Amnesty dann offiziell prüfen?

Patzelt erklärt das so: "Österreich galt in letzter Zeit als überdurchschnittlich gut bei der Bewältigung des übergroßen Andrangs an Asylwerbern. Wenn, dann gab es vorübergehende Verteilungsprobleme, aber generell wurde uns attestiert, dass hier ein guter Job gemacht wird."

Wenn sich nun über Wochen, ja Monate das Bild verfestige, in Österreich herrsche unter Asylwerbern "Massenobdachlosigkeit", so sei das für internationale Beobachter besorgniserregend.

Eine der entscheidenden Fragen, die das Team beim internationalen Check überprüfen will, ist, ob Österreich überfordert, nicht fähig oder schlicht nicht willens ist, die möglicherweise den Menschenrechten widersprechende Situation zu ändern.

Geflüchtete Kinder

Als einen Schwerpunkt definiert Patzelt die Situation der geflüchteten Kinder ohne Eltern, im Bürokratendeutsch "Unbegleitete Minderjährige" genannt. Patzelt: "Für Amnesty ist es sehr wichtig, zu sehen, ob es bei Kindern eine Ungleichbehandlung innerhalb eines Landes gibt."

Patzelt bringt ein Beispiel: "Stellen Sie sich vor, ein österreichisches Kind würde am Abend in einem Schlafsack allein in der Wiener Kärntnerstraße gefunden. Es ist anzunehmen, dass die Polizei binnen Minuten hilft und die Fürsorge recht schnell einen überdachten Schlafplatz organisiert." Die UN-Kinderrechtskonvention werde also umgesetzt.

Demgegenüber bestehe in Traiskirchen die Befürchtung, dass Kinder eben diesen Schutz nicht genießen. "Und solche Unterschiede", sagt Patzelt, "müssen und werden von Amnesty benannt und kritisiert – natürlich immer vorausgesetzt, sie lassen sich verifizieren."

Weiterführende Artikel

Kommentare