Aiginger zu Steuerreform: Fünf Mrd. Euro zu wenig

Prof. Karl Aiginger , Wifo
Der Wifo-Chef hält ein Volumen von acht Mrd. für notwendig. Zudem müsse man die Sozialausgaben senken.

Die Debatte um die Steuerreform geht nach dem Auftritt Reinhold Mitterlehners in der ORF-Pressestunde am Sonntag (mehr dazu siehe hier) in die nächste Runde. Wifo-Chef Karl Aiginger hält das von der Regierung für die Steuerreform angepeilte Volumen von fünf Mrd. Euro für zu niedrig. "Weil für uns wichtig ist, dass auch das unterste Drittel der Einkommensbezieher etwas bekommt, durch eine Senkung der Sozialabgaben", sagte der Wirtschaftsforscher im Ö1-Mittagsjournal am Montag. "Und das ist nur durch eine Größenordnung von acht Milliarden darstellbar."

"Die Menschen müssen wissen, dass ihnen real mehr übrig bleibt"

Es sei allen Beteiligten - nämlich SPÖ und ÖVP - klar, dass alle mehr Netto vom Bruttoeinkommen bräuchten, damit die schwache private Nachfrage wieder Schwung gewinne, so der Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts. Die Menschen müssten wissen, dass ihnen real mehr übrig bleibe. "Das ist ganz wichtig, dann wird gekauft, dann kommt die Konjunktur wieder in Schwung."

Für gut hält er die Vorschläge von Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner vom Wochenende, der die Bundesländer zu Gebührensenkungen aufgerufen hatte. Es sei wichtig, die Budgets nicht über Gebührenerhöhungen, sondern über Ausgabensenkungen zu sanieren. Für eine Möglichkeit von Steuermehreinnahme hält Aiginger Umweltsteuern - etwa eine Erhöhung der Mineralölsteuer Zustimmung findet Mitterlehner auch in seinem Ruf, das Pensionsalter automatisch an die Lebenserwartung anzupassen - ein "sehr vernünftiger Vorschlag", findet Aiginger. Freilich müsse das auch am Arbeitsmarkt Niederschlag finden, die Menschen müssten auch einen Job bekommen, so der Wifo-Chef.

Faymann lehnt Pensionsautomatik ab

Gegenteilig reagierte der Bundeskanzler auf den Mitterlehner-Vorschlag: Werner Faymann lehnte am Montag die vom Vizekanzler geforderte Pensionsautomatik kategorisch ab. Wenn man sage, dass die Möglichkeit bestehe, länger zu arbeiten, "bin ich für alles zu haben. Aber einen Automaten, der darüber bestimmt, ohne dass man die Arbeitsplätze hat - für den war ich nicht und bin ich nicht. Aber das ist gut, dass zwischen dem Parteitag der ÖVP und dem Parteitag der SPÖ ein Unterschied ist, weil die Beliebigkeit ist in unserer Gesellschaft oftmals ohnehin zu groß", so Faymann. Das Arbeitsklima mit dem Koalitionspartner generell sei aber "persönlich gut".

Beamte sollen mitarbeiten

Aiginger zu Steuerreform: Fünf Mrd. Euro zu wenig
APA16160158-2 - 22122013 - WIEN - ÖSTERREICH: ZU APA-TEXT II - Der Präsident des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH), Robert Thienel, am Dienstag, 17. Dezember 2013, während eines Interviews mit der Austria Presse Agentur (APA) in Wien. Thienel tritt mit 01. Jänner 2014 sein Amt als neuer Präsident an. APA-FOTO: HERBERT NEUBAUER
Die seit dem Sommer arbeitende von der Regierung eingesetzte Deregulierungskommission soll abseits aller neuen Einnahmen für die Steuerreform Spielraum schaffen. Konkret durch das Aufzeigen von Sparpotenzial in der Verwaltung. Ein neuer Bericht soll schon bald der Regierung vorgelegt werden. Das Paket enthält 130 bis 150 Vorschläge, besonderes Augenmerk wurde auf die Vorschläge des Rechnungshofs gelegt, sagte der Leiter der Kommission, Rudolf Thienel am Montag imÖ1-Mittagsjournal. So sollen etwa Amtssachverständige über Bezirks- und Landesgrenzen eingesetzt werden, die Verrechnung zwischen Behörden vereinfacht werden und Beamte verstärkt in den Prozess der Ausarbeitung von Sparmaßnahmen einbezogen werden.

Die geplanten Steuerreform steht im Fokus, so auch in der ORF-Pressestunde: Vizekanzler und ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner betonte am Sonntagvormittag, dass sich die Regierung bei der Steuerreform auf ein Volumen von fünf Milliarden Euro - "nicht sechs" - geeinigt hat. Sechs Milliarden Euro könnten es nur sein, wenn die Konjunktur gut läuft:

"Vielleicht haben wir ja ein Wunder."

Nun gelte es einmal, alle Vorschläge, etwa auch jene der Deregulierungskommission, zu prüfen. Mitte März nächsten Jahres soll die Steuerreform stehen. Nicht näher eingehen wollte Mitterlehner auf die Frage, ob beim Scheitern der Reform eine Neuwahl drohe.

Kanzler Werner Faymann von der SPÖ hatte auf dem Parteitag der steirischen SPÖ am Samstag indes eine Entlastung von sechs Milliarden Euro gefordert.

Mitterlehner nimmt Wien ins Visier

Mitterlehner appelliert im Zusammenhang mit der geplanten Steuerreform an die Bundesländer, Gebührensenkungen anzudenken. Dies könnte Bürger 100 Euro mehr in der Geldbörse bringen, stellte er in der ORF-Pressestunde fest. Hier wandte er sich besonders an das rot-grün regierte Wien. In der Bundeshauptstadt seien die Bürger mit enormen Gebührensteigerungen konfrontiert, so Mitterlehner. Nichts hält er von einer Steuerreform auf Pump. Auch seine Position gegen Negativsteuern bekräftigte er.

Keine Details zur Reform

ÖVP-Details zur Reform ließ er sich nicht entlocken, kritisierte jedoch, dass die SPÖ ihre Ideen via Medien publik macht. Er verstehe, dass der Koalitionspartner in zwei Wochen einen Parteitag zu schlagen hat: "Aber wir können nicht über die Medien verhandeln", forderte der ÖVP-Chef, sich wie vereinbart intern auszutauschen und in Ruhe zu verhandeln. Derzeit tage die Expertengruppe zur Steuerreform noch bis Ende November, dann starten die politischen Gespräche. Nun mit Einzelvorschlägen an die Öffentlichkeit zu gehen, mache keinen Sinn, bekräftigte Mitterlehner. In dem Fall würden einzelne ihre Position gleich wieder einzementieren, verwies er auf die Diskussion am Wochenende über den SPÖ-Vorschlag zu Einsparungen beim Finanzausgleich und die darauffolgende Empörung der Landeshauptleute. Dieses Thema sei mit den Betroffenen zu diskutieren, so Mitterlehner.

Das Streitthema Studiengebühr wollte Mitterlehner nicht ansprechen, zumal sich diese nicht im Regierungsabkommen finden. Reden wollte er hingegen über die Pensionsautomatik und die Angleichung des Frauenpensionsantrittsalters an jenes der Männer.

Nach LuxLeaks: Mindeststeuersatz statt Bandbreiten

Nach der Luxemburg-Affäre um extrem niedrige Steuerbelastungen für international tätige Konzerne plädierte auch Vizekanzler Mitterlehner für einen Mindeststeuersatz anstelle von Bandbreiten. Ein Satz von zum Beispiel 15 Prozent sei besser als eine Bandbreite von ein bis 30 Prozent, was "lächerlich" wäre, so Mitterlehner am Sonntag.

Bei der Neuordnung sollten ohne Ausnahmen "alle mit gleichen transparenten Regeln arbeiten", wünschte sich Mitterlehner. Er kenne dazu auch den Vorschlag von EU-Parlamentarier Othmar Karas. Dieser forderte diese Woche die Prüfung aller Steuerpraktiken in den EU-Mitgliedstaaten durch die Brüsseler Kommission. "Wir brauchen endlich eine gemeinsame europäische Bemessungsgrundlage für die Unternehmensbesteuerung und mehr Transparenz in diesem Bereich", so Karas.

Mitterlehner hofft auf Junckers Paket

Zur Konjunktursituation in Österreich hofft Mitterlehner, "dass die Prognosezuwächse stärker sind als vorprognostiziert". Das Problem der Konjunkturschwäche sei kein österreichisches, sondern bestehe in Europa und weltweit - wegen der geopolitischen Konflikte sei nämlich die Stimmung sehr negativ, so der Minister darauf angesprochen, dass unser Land eventuell in eine Rezession schlittern könne. "Die EU hat positive Einschätzungen und viele andere auch", hält er dem entgegen.

Als Investitionsstütze für die Unternehmen hoffe er auch auf das Paket, das Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker gerade schnüre. Zudem ziehe man die Breitband-Milliarde vor, plane Investitionen durch die Bundesimmo-Gesellschaft BIG, "und auch im Wohnbau gibt es eine eigene Gruppe, die aktiv ist". Mitterlehner: "Ich bin schon optimistisch, dass wir in den nächsten Monaten eine bessere Entwicklung haben."

ÖIAG soll neu aufgestellt werden

Zur ÖIAG bekräftigte Mitterlehner, dass das neue Konzept für die Staatsholding jedenfalls noch vor dem März stehen solle. Gemeinsam mit dem Koalitionspartner SPÖ wolle man die ÖIAG "neu aufstellen und dafür sorgen, dass der Staat die Eigentümerrolle besser wahrnehmen kann". Zu den künftigen personellen Neu- bzw. Nachbesetzungen in der ÖIAG "haben wir schon Vorarbeiten gemacht und uns einen Nominierungsmodus überlegt", meinte der ÖVP-Chef: "Wir wollen eine sehr objektive Vorgangsweise, wir brauchen dort keine Versorgungsposten." Neben einer Cool-off-Phase solle es einen Fit&Proper-Test wie bei Banken üblich geben. Welche Firmen eventuell noch unters Holding-Dach kommen, wollte Mitterlehner nicht kommentieren, auch weil potenzielle Kandidaten - wie der Verbund - börsennotiert seien.

Mitterlehner und seine Vorgänger

Eine Woche nach seiner Kür zum neuen ÖVP-Obmann räumte Mitterlehner ein, dass er vor der Wahl seines Vorgängers Michael Spindelegger bereits über die Obmannschaft nachgedacht habe. Grundsätzlich plane er jedoch nicht: "Es kommt, wie es kommt." So erklärte er auch, dass es nicht sein persönliches Ziel sei, Bundeskanzler zu werden. Aufgrund der guten Umfragedaten für die Partei, der guten internen Stimmung und der Inhalte ergebe sich jedoch der Führungsanspruch für die ÖVP.

Den Auftritt eines weiteren Vorgängers, Wolfgang Schüssel, als Zeuge vor Gericht sowie dessen Aussagen dort vergangene Woche wollte Mitterlehner nicht kommentieren. Schüssel habe als Bundeskanzler "viel auf Schiene" gebracht. Die schwarz-blaue Regierung habe aber auch infolge zu "schmerzhaften" Klärungen geführt.

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