Österreich zeigt BND-Agenten an

Innenministerin Johanna Mikl-Leitner und Sicherheitschef Konrad Kogler berieten sich beim Sicherheitsgipfel mit dem Interpol-Generalsekretär Jürgen Stock (links) und dem Europol-Chef Rob Wainwright (rechts).
Mittels einer Strafanzeige wollen österreichischen Behörden Akteneinsicht in Deutschland.

Die Strafanzeige von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner nach dem Paragrafen 256 StGB (Geheimer Nachrichtendienst zum Nachteil Österreichs, Anm.) richtet sich zwar offiziell gegen "unbekannte Täter" (der KURIER berichtete). Doch hinter den Kulissen ist klar, dass damit Agenten des deutschen Bundesnachrichtendienstes BND und der US-amerikanischen Lauschzentrale NSA gemeint sind. Brisant: Mit der Anzeige will das Innenministerium einen Einblick in Untersuchungen bekommen, die derzeit in Deutschland im Laufen sind.

Wie berichtet, soll der BND für die Amerikaner den Datenverkehr mit seiner Abhörstation in Bad Aibling in Bayern nach bestimmten Suchmerkmalen wie Telefonnummern oder IP-Adressen von Computern ausspioniert haben - darunter auch den Mailverkehr der österreichischen Regierung.

Die österreichische Strafanzeige gegen ausländische Geheimdienste mutet für Außenstehende etwas skurril an. Doch am Rande des Sicherheitsgipfels "Forum Salzburg" in St. Pölten erläuterte der Generaldirektor für öffentliche Sicherheit, Konrad Kogler, dem KURIER die Hintergründe.

Akteneinsicht

Durch die Anzeige sei es der österreichischen Justiz möglich, bei Verfahren in Deutschland Akteneinsicht zu bekommen. Derzeit prüft der deutsche Generalbundesanwalt, ob ein sogenannter "Anfangsverdacht" vorliegt. Außerdem, so Kogler, könnte man in Abstimmung mit dem Außenministerium Verfahren in Deutschland durch Diplomaten beobachten lassen. Beispielsweise befasst sich derzeit ein "NSA-Untersuchungsausschuss" des Bundestags mit der Affäre.

Hauptziel sei es, die Methoden eines allfälligen Angriffes in Erfahrung zu bringen. Kogler geht nicht davon aus, dass in Österreich direkt abgehört wurde. Vielmehr sei davon auszugehen, dass ausländische Server gehackt wurden, über die auch der österreichische Mailverkehr läuft. Für künftige Abwehrmaßnahmen sei daher dieses Wissen wichtig.

Dass es auch zu österreichischen Haftbefehlen gegen ausländische Agenten kommen kann, schließt Kogler nicht aus. Es ist zwar Realität, dass weder die USA noch Deutschland in diesem Falle ihre Agenten ausliefern würden. Doch bei Auslandsreisen würde ein österreichischer Haftbefehl für die betroffenen Personen ein echtes Problem darstellen.

Dilemma

Gleichzeitig wurde aber beim Forum Salzburg in St. Pölten das amerikanisch-europäische Dilemma offenkundig. Denn dort waren auch Europol-Direktor Rob Wainwright und Interpol-Generalsekretär Jürgen Stock anwesend. Beide waren sich einig, dass die weltweite Terrorgefahr trotz aller Gegenmaßnahmen noch auf längere Zeit im Steigen begriffen sei. Einig sind sich beide auch, dass beim Kampf gegen den Terror die USA und ihre Geheimdienste ein unverzichtbarer Partner seien. Generalsekretär Stock verwies auf eine Reihe von geplanten Terroranschlägen, die aufgrund entsprechender Geheimdienstinformationen verhindert werden konnten. Und Europol-Chef Wainwright, der seine Karriere bei einem britischen Geheimdienst begann, warnte überdies vor allzu perfekten Verschlüsselungs-Programmen, die es immer schwieriger machen, Terroristen oder organisierte Kriminalität zu überwachen. Ein allgemeines "Amerika-Bashing" seitens der Europäer wegen der wiederholten Spionageangriffe aus den USA scheint daher aus dieser Sicht nicht gewünscht.

Auch Innenministerin Mikl-Leitner rechnet damit, dass der Terror zunehmen werde. Daher plädierte auch sie für einen noch intensiveren Datenaustausch unter Einbindung von Europol und Interpol. Denn die Zahl der Foreign Fighters, die aus Europa stammen, soll bereits bei 5000 liegen.

Innenministerin Johanna Mikl-Leitner bekam Dienstag beim Sicherheitsgipfel in St. Pölten internationale Unterstützung für ihre Flüchtlings- und Migrationsstrategie – insbesondere, was verkürzte Asylverfahren und die Einrichtung von Auffanglagern in Nordafrika betrifft.

In St. Pölten herrschte höchste Sicherheitsstufe. 20 Innenminister mit Schwerpunkt Mittel- und Südosteuropa waren zur Tagung des "Forum Salzburg" gekommen. Das ist eine Sicherheitspartnerschaft der Länder des Donauraumes, in der auch die nicht EU-Staaten Albanien, Bosnien-Herzegowina, Mazedonien, Montenegro und Serbien eingebunden sind.

Der Europadirektor des UNO-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR), Vincent Cochetel, hob ganz besonders das österreichische "Save Lives"-Projekt hervor. Das beruht auf zwei Eckpfeilern: Ein Pfeiler wäre die Prüfung und Auswahl von Flüchtlingen durch UNHCR vor Ort in den Drittstaaten, ob jemand besonders schutzbedürftig ist. Dazu müsste man etwa Auffanglager in Nordafrika errichten, um den Menschen die lebensgefährliche Fahrt über das Mittelmeer zu ersparen. Der zweite Pfeiler wäre eine gerechte Verteilung von Flüchtlingen nach einem fixen Schlüssel in der EU.

Balkan-Strategie

Österreich zeigt BND-Agenten an
INNENMINISTER ALBANIEN Samir Tahiri
Auch die Balkan-Strategie der Innenministerin, mit der die jüngste Auswanderungswelle aus dem Kosovo gestoppt werden konnte, stieß auf Anerkennung. Der albanische Innenminister Samir Tahiri forderte die EU-Staaten mit höchst emotionalen Worten auf, die Asylverfahren für Asylantragsteller auf maximal zwei Wochen zu verkürzen. Ein Vorhaben Mikl-Leitners, das sich gerade im Parlament in der Begutachtungsphase befindet.

Tahiri erklärte die Hintergründe. Demnach wäre eine Massenauswanderung für die Länder des Westbalkans ein nicht zu verkraftender Aderlass an dringend benötigten Arbeitskräften. Wenn die Menschen wissen, dass sie im Falle eines Asylantrages in einem europäischen Land mindestens ein halbes Jahr bis zur Entscheidung dort bleiben können, würden sie das als "Einladung" verstehen. Deshalb forderte er dringend die Verkürzung der Verfahren auf zwei Wochen. Beigepflichtet wurde ihm vom UNHCR-Vertreter Cochetel, der erklärte, dass es sich bei Flüchtlingen vom Westbalkan um keine "Asylangelegenheit" handle.

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