Es muss mehr als der goldene Figl bleiben

Die letzten Überlebenden prägten die Gedenktage 2015 nachhaltig. Ihr Vermächtnis: Nein zu Hass und Hetze.

Im kollektiven Gedächtnis der Welt, dem Internet-Suchdienst Google, hat sich eine Erinnerung zuvorderst eingegraben. Zum 50. Geburtstag der 2. Republik wurde eine Goldmünze aufgelegt. Das in Gold geprägte zentrale Motiv: Außenminister Leopold Figl präsentiert stolz den Staatsvertrag am Balkon des Belvedere. Der goldene Figl war eine gute Investition. 1995 um 1000 Schilling(72,68 Euro) aufgelegt, wird er heute zum Zehnfachen gehandelt. Der 70. Geburtstag von Österreich II wurde vielfältig begangen. Die Höhepunkte: In Mauthausen und auf dem Heldenplatz wurde der Befreiung der Überlebenden in den KZs und des ganzen Landes von der Nazi-Barbarei gedacht. Besonders im Gedächtnis werden die Gedenktage 2015 jenen bleiben, die mit dem Schrecken von damals unmittelbar in Berührung kamen: Etwa jene Gruppe von Jugendlichen, die mit Marko Feingold – dem 101-jährigen KZ-Überlebenden (und Gedenkredner im Kanzleramt) – vor den Baracken von Ausschwitz darüber diskutierten, ob "es noch einmal einen Hitler geben kann". Nachhaltig Eindruck hinterlassen werden wohl auch die Dokumentationen von Hugo Portisch und die vielen Reportagen und Rückblenden in den Qualitätsmedien von ORF III bis zu jenen meiner Kollegen in den zurückliegenden Wochen im KURIER (gebündelt nachzulesen hier).

Neue Sündenböcke für die Krise

Aber was wird kollektiv im Gedächtnis bleiben, woran wird man sich in zehn, zwanzig Jahren noch immer erinnern? Der 70. Jahrestag war für uns Nachgeborene wohl die letzte Gelegenheit, viele Zeitzeugen des Nazi-Terrors und Überlebende des Holocaust persönlich noch einmal zu sehen und zu hören. Was Sie zu sagen hatten und haben, muss im Gedächtnis des Landes einen festen Platz behalten. Ob die Republik auch hält, was der Kanzler den letzten lebenden Zeitzeugen dieser Tage zu Recht versprach, wird nicht nur an den kommenden Jahrestagen zu messen sein: "Die Erinnerungskultur ist hochzuhalten und konsequent über die Verbrechen des Nationalsozialismus zu informieren." Denn, so Faymann: "Für Antifaschismus, Toleranz und Respekt in der Gesellschaft muss man sich jeden Tag einsetzen."

Dafür bieten sich in Österreich auch dieser Tage unerwartet viele Gelegenheiten. Die Feindbilder sind andere, die Muster der verhetzenden Propaganda die gleichen. Mal ist es der Islam, dem Politiker "als letzter Ritter des Abendlands" (Strache) Einhalt gebieten wollen. Mal sind es Ausländer und Flüchtlinge, die als Sündenböcke der Krise herhalten sollen. Kärntens FPÖ-Chef forderte jüngst gar einen "Asylstopp, bis die Finanzierung des Landes sichergestellt ist". Das ist nicht nur Chuzpe zum Quadrat aus dem Mund eines Politikers, dessen Vorgänger das Milliarden-Debakel in Kärnten lostrat. Das ist auch der Humus, auf dem die Hetze von heute gedeiht. Dazu muss die ganze Republik unaufgeregt, aber bestimmt Stopp sagen. Dieses entschiedene Nein ist wertvoller als jede Gedenkmünze. Denn es prägt das kollektive Bewusstsein von morgen.

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