Heim an den Herd: Für viele ein modernes Märchen

Heim an den Herd: Für viele ein modernes Märchen
Laut einer Umfrage sehnen sich immer mehr Frauen nach einem Leben als Mutter und Hausfrau. Nur Wunsch oder Wirklichkeit?

Frauen sollen sich um Haushalt und Familie kümmern, während der Mann das Geld nach Hause bringt. Laut einer Spectra-Umfrage sind 54 Prozent der Österreicher dieser Meinung. Das sind um 6 Prozentpunkte mehr als noch vor sieben Jahren, als diese Umfrage ebenso durchgeführt wurden. Erstaunlich. Verfallen Österreicher wieder in alte Rollen­klischees?

Erstaunlich auch: "Es sind vor allem die Frauen, die den Beruf der Hausfrau wieder aufwerten und die bereit sind, für die Familie den Beruf aufzugeben", sagt Gerald Weichselbaum vom Meinungsforschungsinstitut Spectra. Als "Gartenlaube-Vorstellung" bezeichnet die Kolumnistin und Mitinitiatorin des Frauenvolksbegehrens Elfriede Hammerl dieses "neue alte" Familienbild.

Sehnsucht

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"Adrett gekleidete, glückliche Hausfrauen und zuverlässige Ernährer – das sind Wunschvorstellungen, die so nie Realität waren, auch nicht in den 1960er-Jahren, auf die jetzt solche Sehnsüchte projiziert werden", ist sich Hammerl sicher.

Doch warum sehnen sich die Menschen gerade jetzt wieder nach einem Leben wie in den 1960ern? Hammerl macht die aktuelle Situation auf dem Arbeitsmarkt verantwortlich: "Der Beruf wird immer stressiger, die Arbeitsverhältnisse werden immer prekärer. Wer einen Job hat, von dem wird erwartet, dass er oder sie rund um die Uhr zur Verfügung steht. Wer es da wagt, Zeit für die Familie einzufordern oder einmal nach Feierabend sein Handy auszuschalten, gilt ja fast als Verräter. Dazu kommt, dass selbst hoch qualifizierte Arbeitnehmerinnen oft nur Zeit- oder Werkverträge haben und nicht wissen, ob sie nächsten Monat überhaupt noch eine Stelle haben."

Viele Frauen zermürbt es, dass sie nicht nur den kräfteraubenden Job meistern, sondern gleichzeitig Haushalt und Familie im Alleingang managen müssen. "Deshalb würden sie sich gerne bereitwillig mit der Rolle der Hausfrau und Mutter begnügen. Leider hat man den Frauen eingeredet, mit Power könnten sie alles schaffen, ohne die Männer mit zusätzlichen Aufgaben zu ,belasten". Es war nie die Rede davon, dass der Partner, einen Teil der Aufgaben übernimmt, die die Frau vorher alleine bewältigt hat.

Weil Beruf und Familie kaum vereinbar sind, sehnen sich viele eben in die gute alte Zeit zurück, die aber gar nicht so gut war. Nicht umsonst startete die Frauenbewegung in den Vororten Amerikas: "So sehr erfüllend waren das Putzen und Kindern-Hinterherräumen nicht", meint Hammerl. Die Frauen, aber auch die Männer wissen das. Mehr als 80 Prozent sagen, dass der Beruf das beste Mittel für Frauen ist, unabhängig zu sein.

Mythos

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Mit dem Mythos der Powerfrau rechnete auch Anne-Marie Slaughter (51), einst Strategie-Beraterin von Hillary Clinton, vor Kurzem ab. Als solche war sie im Frühjahr zurückgetreten. Der Kinder wegen (sie hat zwei Söhne) ließ sie den Top-Job in Washington sausen. Man warf ihr vor, sie kehre "zurück an den Herd". Dabei arbeitet sie jetzt "nur" als Professorin für Politikwissenschaft an der Uni Princeton. In einem Essay mit dem Titel "Warum Frauen nicht alles haben können", erklärt sie ihre Beweggründe. Es wäre zwar für Frauen möglich, alles zu erreichen, aber die Kultur des Berufsalltages sei nach wie vor familien- und folglich frauenfeindlich. "Das Ideal des amerikanischen Arbeitnehmers ist noch immer der Mann, der rund um die Uhr einsatzbereit ist, weil seine Frau ihm zu Hause den Rücken freihält." Aus Sicht Slaughters zahlen Frauen einen hohen Preis für die vermeintliche Traum-Kombi "Kind-Mann-Karriere". Millionen von Menschen haben den Text bereits aufgerufen.

KURIER-Familycoach Martina Leibovici-Mühlberger glaubt, dass viele Frauen einfach resigniert haben. "Für die meisten Familien ist es finanziell nicht möglich, dass der Mann weniger arbeitet. Dazu kommt, dass die moderne Väterlichkeit noch immer ein Lippenbekenntnis ist."

Dass 70 Prozent sagen, dass ein Kleinkind darunter leidet, wenn beide Elternteile berufstätig sind, wundert Leibovici nicht: "Es zeigt sich, dass es nicht machbar ist, wenn beide Eltern voll berufstätig sind. Das belastet den Lebensalltag enorm und zeigt, wie sehr die gesellschaftlichen Strukturen dafür fehlen."

Leibovici bezweifelt, dass für alle Frauen die Hausfrauenarbeit eine Erfüllung ist. "Viele machen aus der Not eine Tugend. Jene, die aus freien Stücken heraus Hausfrau und Mutter sein wollen, gehören von der Gesellschaft wertgeschätzt und abgesichert."

Nicht anerkannt

Hausfrau zu sein wird nicht als Beruf angesehen und von der öffentlichen Hand nicht versichert. Werden diese Frauen von ihrem Mann verlassen, oder erkranken, leben sie manchmal im Notstand. Privatversicherer sind fortschrittlicher. Dort kann man sich auf Berufsunfähigkeit versichern lassen.

Beim Katholischen Familienverband Österreich hat man die Studie ebenso aufmerksam gelesen. Vizepräsidentin Irene Kernthaler-Moser wünscht sich, "dass die berufstätigen Frauen nicht gegen die Frauen, die bei den Kindern zu Hause sind, ausgespielt werden: "Aus vielen Interviews weiß ich, dass alle ihr Bestes versuchen, übrigens auch ihre Männer."

Man solle "die Frauen, die zu Hause bleiben wollen, nicht grundsätzlich verteufeln. Kinder zu erziehen ist nicht nur ein harter Job, er erfordert auch viele Management-Kompetenzen."

Wenn daher jemand, egal ob Mann oder Frau, "die soziale Verantwortung in seinem unmittelbaren familiären Umfeld ernst nimmt", dann sei das zu begrüßen.

Sie hat den Job für ihren Mann aufgegeben

Tina Bachmann war gut in die Berufswelt gestartet, hatte in der Wiener UNO-City und in der Europäischen Investitionsbank in Luxemburg gearbeitet, um dann einen gut dotierten Job bei der Lufthansa in Stockholm für ihren Mann David Bachmann aufzugeben. Warum Sie das gemacht hat, lesen Sie hier.

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