Beamtenparadies Österreich?

Beamtenparadies Österreich?
Sie verdienen im Schnitt mehr als Angestellte. Jeder Zweite ist nach wie vor unkündbar. Außer Dienst sind sie auch in der Pension nicht.

Die Symbolik der Veranstaltungen und ihrer Kern-Botschaften hätte unterschiedlicher nicht sein können. Während am Bundeskongress der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD) der Beamten-Dino Fritz Neugebauer für fünf weitere Jahre als Vorsitzender einzementiert wurde, startete Beamtenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) einen "Reformdialog": Ein Jahr lang soll darüber beraten werden, wie der öffentliche Dienst fit für die Zukunft gemacht werden kann. In diesem Spannungsfeld zwischen altem Beamtentum und modernem Staatsdienst findet aktuell auch die Lohnrunde für die Beamten statt. Der alte Spruch, "ein Beamter hat wenig, aber das dafür sicher", gilt jedenfalls nur mehr eingeschränkt. Ein Überblick über den Status quo der Staatsdiener.

Wie viele Personen sind im öffentlichen Dienst tätig?
Laut Beamtenministerium gibt es im öffentlichen Dienst 350.524 Vollzeitkräfte. 132.804 sind im Bund, 142.798 in den Ländern und 74.922 in Gemeinden beschäftigt (2010). Da es auch Teilzeitbeschäftigte gibt, sind insgesamt mehr als 400.000 Personen im öffentlichen Dienst tätig. Beamte gibt es auch außerhalb des Bundesdienstes: Im vergangenen Jahr haben knapp 9000 Bundesbeamte in ausgegliederten Einrichtungen (Unis, AMS, Statistik Austria etc.) und 18.785 in den "Nachfolgegesellschaften der Post" gearbeitet. Laut Beamtenministerium gibt es im staatlichen Sektor insgesamt rund 487.000 Beschäftigte.

Wie viele "echte" Beamte gibt es noch?
Rund 58 Prozent aller Mitarbeiter im Bundesdienst sind Beamte, 42 Prozent sind (nach einem privatrechtlichen Vertrag) angestellt. Der Beamten-Anteil sinkt aufgrund der restriktiven Pragmatisierungspolitik.

Was bringt die Pragmatisierung?
Pragmatisierung wird landläufig mit Unkündbarkeit gleichgesetzt. Das stimmt nur eingeschränkt: Unkündbar sind Beamte erst nach der "Definitivstellung". Das passiert im Schnitt fünf Jahre nach der "Begründung des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses", wie es im Beamten-Jargon heißt. Für Beamte gilt das Disziplinarrecht (bei Verfehlungen
können Konsequenzen von Ermahnungen über Geldstrafen bis zur Entlassung drohen). Beamte können nur mittels Bescheid versetzt werden (dieser kann bekämpft werden - siehe Causa Entacher). Im Krankheitsfall wird das Entgelt unbegrenzt weiterbezahlt. Bei Vertragsbediensteten des Bundes endete der Arbeitsvertrag dagegen nach einem einjährigen Krankenstand. Ein großer Vorteil ist auch die Möglichkeit einer Karenzierung: Will ein Beamter sich zum Beispiel selbstständig machen oder sein Glück in der Privatwirtschaft versuchen, gibt es die Möglichkeit, sich bis zu zehn Jahre lang karenzieren zu lassen - und dann in den öffentlichen Dienst zurückzukehren.

Wer wird überhaupt noch pragmatisiert?
2003 wurde von der Bundesregierung ein Pragmatisierungsstopp beschlossen, der noch immer gilt. Seitdem sind Pragmatisierungen nur noch in gewissen Bereichen vorgesehen: Bei Richtern, Staatsanwälten, Polizisten und beim Militär. Bundeslehrer (AHS, BHS) werden nicht mehr pragmatisiert, Landeslehrer (Volks-, Hauptschule) zum Teil ebenfalls nicht mehr. Insgesamt ist derzeit noch rund die Hälfte der 120.000 Lehrer pragmatisiert. Mit dem neuen Lehrerdienstrecht, das die Regierung bis zum Sommer 2012 fertig haben will, könnte die Pragmatisierung für Lehrer endgültig fallen.

Wie viel verdienen die öffentlich Bediensteten?
18,4 Prozent (oder 27,6 Milliarden Euro) der staatlichen Ausgaben gehen für das Entgelt der öffentlich Bediensteten drauf. Die Beschäftigten von Bund, Ländern und Gemeinden verdienen im Jahr durchschnittlich 46.534 Euro brutto. Das sind um 1000 Euro mehr als Angestellte (45.539 Euro) und um rund 17.000 Euro mehr, als Arbeiter (29.301 Euro) erhalten. Das bessere Einkommen der öffentlich Bediensteten ist auf mehrere Faktoren zurückzuführen: hoher Akademiker-Anteil (zirka ein Drittel, Tendenz steigend), höheres Durchschnittsalter, späterer Pensionsantritt und die automatischen Vorrückungen (Biennien).

Hat Österreich im internationalen Vergleich viele öffentlich Bedienstete?
Nein. 12,8 Prozent aller Beschäftigten in Österreich sind im öffentlichen Dienst tätig, im EU-Schnitt sind es 16,3 Prozent. Den höchsten Beamten-Anteil gibt es laut
OECD (2009) in Norwegen (34,6 Prozent), Schweden (29,7 Prozent) und Dänemark (29 Prozent). Am anderen Ende der Skala rangiert Japan (7,8 Prozent).

In welchen Bereichen sind öffentlich Bedienstete tätig?
Die größte Gruppe (34 Prozent) der Bundesbediensteten gehört zum Bildungsministerium, weil auch die Bundeslehrer (AHS, BHS) dort ressortieren (Landeslehrer gehören zu den Ländern). Die zweitgrößte Gruppe im Bundesdienst stellt das Innenressort (mit der Polizei). Danach folgt das Verteidigungsministerium (Bundesheer). In den Zentralstellen (Ministerien) arbeiten nur rund 9000 Beamte und Vertragsbedienstete (von den 132.000 Bundesbediensteten).

Gibt es bei der Pension der Beamten Unterschiede?
Öffentlich Bedienstete gehen im Schnitt mit 60,6 Jahren in Pension - um stolze 2,7 Jahre später als ASVG-Versicherte. Jeder zweite Beamte geht in "Hackler-Pension". Ein großer Vorteil für Beamte ist, dass sie, wenn sie frühzeitig in Pension gehen, unbegrenzt dazu verdienen dürfen - "normalen" Frühpensionisten ist das bis zum Erreichen des gesetzlichen Pensionsalters verboten. Streng genommen bekommen sie übrigens nur einen "Ruhegenuss", könnten aber theoretisch wieder in den Dienst berufen werden. Beamter ist man also lebenslang; das Dienstrecht gilt auch in der Pen-sion. Sie schützt bei Verfehlungen nicht vor Disziplinarverfahren.

Wie steht es um den Wildwuchs bei den Zulagen?
Nach einem Rechnungshofbericht 2007 wurde die Anzahl der Zulagen im Bundesdienst von 608 auf 258 verringert; viele der gestrichenen Zulagen wurden ohnehin nicht mehr ausbezahlt. Nach wie vor machen Zulagen bei den Beamten rund 20 Prozent ihres Verdienstes aus. Und noch immer gibt es einige Schmankerl. In Wien etwa gibt es für Magistratsbedienstete, die in der Bestattung tätig sind, eine eigene Zulage für das Verlöten von Särgen (4,39 Euro pro Sarg). Städtische Fotografen erhalten pro Monat 84,21 Euro extra, weil sie im Zuge von Baudokumentationen auf Kräne und Dächer steigen müs-sen. Auch eine Bildschirmzulage für das Arbeiten am Computer gibt es noch: Je nach Dauer pro Tag vier bis zehn Euro.

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