Zwischen "Rache" und israelischen "Antworten"

Sebastian Kurz im Süd-Libanon
Außenminister Kurz stattete Österreichs Blauhelmen im Libanon einen Besuch ab – die stehen zwischen Hisbollah und Israel, und damit zwischen Todfeinden.

Erst vor wenigen Tagen flogen drei Raketen über das UNO-Camp im Südlibanon. Die Hisbollah hatte die Katjuschas nach Israel abgeschossen, angeblich als Rache für die Ermordung eines Hisbollah-Führers in Damaskus. Die israelische Armee antwortete umgehend mit Artilleriebeschuss in den Verantwortungsbereich der UNO-Blauhelme, unter denen sich auch 175 Österreicher befinden.

Außenminister Sebastian Kurz wurde damit bei seinem Besuch beim österreichischen Kontingent bei UNIFIL im südlibanesischen Camp Naqoura die spannungsgeladene Situation der Region vor Augen geführt, die auch ohne die Auswirkungen des Syrien-Konfliktes und der Flüchtlingskrise ein latentes Pulverfass darstellt.

"Die Bedrohung erfolgt in der Regel ohne Vorwarnung," erklärt der Kontingentskommandant, Oberstleutnant Ronald Schnell. Das bedeutet, dass im Gegensatz zu anderen Einsatzgebieten die UNIFIL-Soldaten ihre Helme und Schutzwesten immer griffbereit halten müssen, auch in der Freizeit. Denn es stehen sich dort zwei unerbittliche Gegner gegenüber. Auf der einen Seite die vom Iran gesteuerte Schiitenmiliz Hisbollah, die einen Terrorkrieg gegen Israel führt. Erst am 5. Dezember wurden im Ostteil der UNO-Zone zwei israelische Grenzpatrouillen-Fahrzeuge mit ferngesteuerten Bomben angegriffen – wohl ebenfalls ein Teil der "Racheaktion". Auf der anderen Seite, nur wenige hundert Meter südlich des UNO-Camps, steht die israelische Armee, die mit unmittelbarer Härte auf alle Provokationen reagiert. Nach dem Attentat auf die Patrouillenfahrzeuge feuerten die Israelis 150 großkalibrige Granaten auf grenznahe Dörfer ab. Derzeit sind UNIFIL-Inspekteure mit der Schadensaufnahme konfrontiert.

2015 wurde durch einen derartigen Gegenschlag ein spanischer UN-Soldat getötet.

Weiters fliegen die Israelis ziemlich ungeniert Aufklärungsflüge mit Drohnen und Kampfjets im Nachbarland – immer wieder über die Köpfe der UNIFIL-Soldaten hinweg. Diese Flüge werden an die UNO-Zentrale nach New York gemeldet. Die vorhandene Flugabwehr einsetzen dürfen die Blauhelme nicht.

Logistisches Rückgrat der Blauhelme

Die Österreicher stehen dabei nicht an vorderster Front. Sie sind als Logistik-Kompanie für die Versorgung der 10.500 UNIFIL-Soldaten aus 40 Nationen verantwortlich. Sie reparieren alle Fahrzeuge, Panzer und Aggregate, führen Versorgungsfahrten durch. Und sie betreiben auch "Shops". "LIBRO" nennen sie beispielsweise jene Halle, in der Baumaterial und Werkzeuge gelagert und ausgeliefert werden. Und in einer Halle ebenfalls mit dem Namen "Libro" bekommen die Blauhelme von den Österreichern ihr Büromaterial.

Und sie sorgen für die Brandsicherheit. Die UNO-Feuerwehr wird auch von den Österreichern betrieben. Feuerwehrkommandant ist eine Frau: Hauptmann Julia Nievoll vom Panzerstabsbataillon 3 in Mautern. Dort hat sie beim ABC-Aufklärungszug eine volle Feuerwehrausbildung genossen, was sie nun zur Tätigkeit als UNO-Feuerwehr-Kommandantin qualifiziert.

Im Gegensatz zum Golan stehen die Österreicher als Logistiker nicht mehr in der ersten Reihen. Aber als "Nachschubler" sind sie nicht weniger gefährdet als die Kameraden in den Kampfdeckungen. Eher das Gegenteil scheint der Fall zu sein. Ein terroristischer Angreifer wird wohl nicht einen schweren Kampfpanzer der französischen Blauhelme attackieren, sondern eher ein "weiches Ziel" suchen. Und als solches gelten Nachschubkolonnen. Deshalb ist in jedem Konvoi auch ein sogenanntes "Jammer-Fahrzeug" dabei, das mit einem Störsender sämtliche Handys und den Funkverkehr in der Umgebung lahmlegt. Damit soll das Fernzünden von Bomben unterbunden werden. Dass sie bei ihren Fahrten in nicht gepanzerten Fahrzeugen unterwegs sind, beruhigt die Soldaten aber wenig.

Außenminister Kurz unterstrich bei seinem Besuch die Bedeutung des österreichischen Engagements bei UNIFIL, das auch international gewürdigt werde. Negative Auswirkungen auf die Reputation Österreichs durch den Abzug vom Golan, der von vielen Menschen als übereilt und panikartig beurteilt wird, sieht er nicht. Bei allen Gesprächen, etwa in der UNO-Zentrale in New York, würde er wegen der vergleichsweise hohen Zahl von 1000 Soldaten im Auslandseinsatz immer nur höchste Anerkennung gewinnen.

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