"Zuwanderer machen ein Zielland reicher"

Thompson: „Man kann nicht für oder gegen Migration sein.“
Die Vize-Chefin der Internationalen Organisation für Migration über notwendige, aber gesteuerte Immigration.

Nie zuvor in der Geschichte der Menschheit gab es so viele Migranten wie heute: Die in Genf ansässige Internationale Organisation für Migration (IOM) schätzt ihre Zahl auf 232 Millionen Menschen, rund 50 Millionen davon sind Flüchtlinge. In rund 25 Jahren könnten es bereits rund 400 Millionen Migranten sein. Dies aber sei kein Grund, in Pessimismus oder Feindseligkeit gegenüber den Ankommenden zu verfallen, sagt Laura Thompson. Die IOM-Vizedirektorin im KURIER-Interview über ...

... die Ängste in den Zielländern angesichts der zunehmenden Migration

Migration ist eine Realität. Man kann nicht dafür oder dagegen sein. Man kann sie nur gut managen und die Probleme möglichst breitflächig innerhalb eines Landes angehen. Der Staat hat dazu die nötigen Werkzeuge. Für unsere Gesellschaften sind das keine leichten Prozesse, sie sind langwierig.

... Befürchtungen, unsere Wohlfahrtssysteme könnten zusammenbrechen

Lassen sie mich eines klarstellen: Was wir immer in den Medien sehen, sind die überfüllten Flüchtlingsboote auf dem Meer. Aber was wir nicht sehen, ist der Beitrag, den Migranten bei uns für unser Wohlfahrtssystem leisten: Im Durchschnitt zahlt ein Migrantenhaushalt in Europa rund 5000 Euro pro Jahr ins jeweilige staatliche Sozialsystem ein. Oder anders gesagt: Zuwanderer machen ein Zielland eher reicher als ärmer. Und es ist auch nicht wahr, dass Zuwanderer überwiegend die "3-D-Jobs" – "dirty, dangerous, difficult" ("schmutzig, gefährlich, schwierig") – machen. In den USA war bei Betriebsneugründungen auf dem Technologie- und Ingenieur-Sektor der vergangenen Jahre in der Hälfte aller Fälle mindestens ein Migrant unter den Gründern. Diese Firmen haben 500.000 Jobs geschaffen und einen Umsatz von zusammen 52 Milliarden Dollar erzielt.

... die Tatsache, dass Europa Zuwanderer braucht

Europas Bevölkerung wird immer älter, gleichzeitig werden immer weniger Kinder geboren. Es würde sich also ein großer Mangel an Menschen im arbeitsfähigen Alter ergeben, gäbe es keine Migration. In den 28 EU-Staaten würde die Bevölkerung ohne Zuwanderung in den kommenden 50 Jahren laut Eurostat-Daten um 58 Millionen Menschen sinken.

... den Zustrom aus AfrikaDie überwiegende Mehrheit der Migranten in Afrika geht von einem afrikanischen Land in ein anderes, bleibt also auf dem Kontinent. Schätzungen gehen davon aus, dass etwa 11 Prozent der afrikanischen Migranten nach Europa wollen.

... Rückkehr in die Heimat

In Mexiko beobachten wir diese Entwicklung: Noch immer wandern viele Menschen in die USA aus – aber derzeit kommen in etwa gleich viele wieder nach Mexiko zurück.

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