Informant Manning kein Hochverräter

U.S. Army Private First Class Bradley Manning (C) departs the courthouse at Fort Meade, Maryland July 30, 2013. A military judge on Tuesday found Manning not guilty of aiding the enemy - the most serious charge among many he faced for handing over documents to WikiLeaks. But Col. Denise Lind, in her verdict, found Manning, 25, guilty of 19 of the other 20 criminal counts in the biggest breach of classified information in the nation's history. REUTERS/Gary Cameron (UNITED STATES - Tags: CRIME LAW MILITARY POLITICS TPX IMAGES OF THE DAY)
Ein US-Militärgericht sprach den Amerikaner in 19 Anklagepunkten schuldig. Es droht eine lange Haft.

Irak, 2007: Wahl- und sinnlos werden Menschen abgeschossen, wie in einem Computerspiel. Die Schützen sitzen in einem Apache-Helikopter der US-Armee, ihre Ziele suchen panisch Schutz vor den Kugeln. Unter den rund ein Dutzend Toten waren, wie sich später herausstellte, auch zwei Reuters-Mitarbeiter. Als diese Bilder um die Welt gingen, machten sie mit einem Schlag WikiLeaks und Julian Assange bekannt. Bradley Manning, der das Video als Lady- Gaga-CD herausgeschmuggelt und der Enthüllungsplattform zugespielt hat, wurde die Rechnung dafür präsentiert: Nach drei Jahren hinter Gittern, teilweise in Einzelhaft, sprach ihn das US-Militärgericht in Fort Meade am Dienstag in 19 der 21 Anklagepunkte schuldig. Darunter in fünf Fällen der Spionage sowie des Diebstahls, der Computerkriminalität und weiterer militärischer Regelverstöße.

Keine „Unterstützung des Feindes“

Doch den schwerwiegendsten Anklagepunkt – „Unterstützung des Feindes“ – ließ die Richterin, Oberst Denise Lind, fallen. Darauf wäre lebenslange Haft ohne Möglichkeit der Begnadigung gestanden. Auch vor der Todesstrafe ist Manning damit sicher.

Dabei hatten Mannings Verteidiger im Vorfeld des Prozesses die erfahrene Richterin lange Zeit vergeblich beschworen, diesen Vorwurf fallen zu lassen. Oberst Lind beharrte zunächst darauf: Mannings Hochverrat sei durch WikiLeaks-Dokumente, die im Versteck von Osama bin Laden auf einem Computer gefunden worden seien, quasi schon bewiesen.

Insofern fiel der Richterspruch dann überraschend aus, allerdings hatte es schon am Montag aus dem Gericht geheißen, mit der Todesstrafe müsse Manning nicht rechnen.

Manning wird jedenfalls noch viele Jahre hinter Gittern bleiben. Wie lange, wird er im August erfahren. Erst ab Mittwoch wird in Fort Meade hinter verschlossenen Türen über das Strafmaß verhandelt. Die Washington Post mutmaßt, dass die Staatsanwaltschaft die Richterin dazu drängen wird, das mögliche Höchstmaß zu verhängen: 136 Jahre Haft. Das Minimum, das die Verteidigung herausholen könnte, beträgt 21 Jahre. Das ist die Bandbreite, in dem sich der juristische Schacher jetzt bewegt. Und dann gilt es noch die Frage zu klären, wieviel davon unbedingt verhängt wird. Allein auf die zehn Punkte der Anklage, für die sich Manning selbst schuldig erklärt hat, stehen bis zu 20 Jahre Haft.

Besonders sauer aufgestoßen war den US-Behörden Mannings Weitergabe von rund 700.000 geheimen Dokumenten, zu denen er als Spezialist für nachrichtendienstliche Analyse Zugang hatte. Ein Gutteil davon waren Depeschen von US-Botschaftspersonal auf der ganzen Welt. Die zuweilen peinlichen Akten, die US-Diplomaten über ihre Partner vor Ort schrieben, stellten die USA bloß. Die Depeschen waren in der Annahme verfasst worden, sie stünden 25 Jahre lang unter Verschluss. So kam es oft zu einem allzu legeren Ton, in dem Politiker anderer Länder beschrieben wurden. Manning zog den Zorn des gesamten Regierungsapparats auf sich.

Er hat gestanden, dass er die Dokumente an WikiLeaks gab. Er wollte, „dass die Menschen die Wahrheit sehen“. Viele meinen, er sei ein Held, manche sehen nur einen Naivling oder einen Burschen, der immer wieder mit persönlichen Problemen zu kämpfen hatte und gerne einmal im Mittelpunkt stehen wollte. Für Chefankläger Major Ashden Fein ist er ein „geltungssüchtiger Verräter“.

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