Wien erkundet Fluchtwege vom Golan

An Austrian U.N. peacekeeper stands guard during United Nations (U.N.) Secretary-General Ban Ki-moon's visit to the U.N. Disengagement Observer Force (UNDOF) headquarters at the Nabea al Faouar village in Golan Heights near the border with Israel April 24, 2007. REUTERS/Jamal Saidi (SYRIA)
Die Lage der österreichischen Blauhelme am Golan wird prekär. Im Generalstab werden Evakuierungspläne entworfen. Die Abzugsroute führt durch Israel.

Zuletzt gerieten die UNO-Soldaten auf den Golan-Höhen zunehmend zwischen die Fronten der syrischen Regierungsarmee und den Aufständischen. Zuerst registrierten die Österreicher Granatenschläge in der Nähe von Beobachterposten. Dann gab es Gefechte zwischen Rebellen und Armeeverbänden in der Truppentrennungszone. UNDOF (United Nations Disengagement Observer Force) umfasst mehr als 1000 Soldaten – darunter 370 Österreicher. Der Mission gehören auch Soldaten aus Kroatien, Indien, Japan und den Philippinen an. Ihr Auftrag lautet, das Eindringen von Truppen in die Pufferzone zu verhindern. Um die UNO-Soldaten machten beide Streitparteien anfänglich einen Bogen.

Gezieltes Attentat

Ein Schussattentat am 29. November änderte die Situation für die Blauhelme enorm. Rebellen hatten beim Flughafen Damaskus gezielt die weißen UNO-Fahrzeuge unter Beschuss genommen. Zivile Fahrzeuge blieben unbeschädigt. Vier Österreicher wurden verletzt. Damit war klar, dass auch UNO-Soldaten Angriffsziele sind. Außerdem wurden kurz darauf zwei Offiziere der unbewaffneten Beobachtermission UNTSO – darunter ein Österreicher – von Aufständischen vorübergehend gekidnappt. Die UNO stellt nun zusätzliche Panzerfahrzeuge zur Verfügung und liefert ABC-Schutzausrüstungen an jene Kontingente, die ihre Soldaten damit nicht ausgerüstet haben. Die Japaner zogen ihr Kontingent schon ohne Vorwarnung ab.

Nachschubprobleme

Eingestellt mussten auch die Versorgungsflüge über den Flughafen Damaskus werden. Die Nachschubgüter werden jetzt nach Tel Aviv geliefert und über den UNO-Checkpoint bei Quneitra zugestellt. Dieser Weg scheiterte früher am Widerstand der syrischen Regierung. Jetzt hat das Regime in Damaskus die Versorgung über Israel akzeptiert. Beobachter spekulieren, ob diese Haltung auch bereits Ausdruck von Auflösungstendenzen ist.

Für den ehemaligen UNDOF-Kommandanten Wolfgang Jilke ist ein Abzug keine Option. Die UN-Truppe gewinne sogar an Gewicht. Vor allem Israel wäre höchst interessiert an dem stabilisierenden Puffer.

Evakuierungsszenarien

Währenddessen wird im Generalstab intensiv an Evakuierungsszenarien gearbeitet. Evakuierungspläne gibt es seit Beginn der Mission im Jahr 1974. Ursprünglich war geplant, im Falle des Ausbruches eines neuen israelisch-syrischen Krieges die UNO-Truppen über Jordanien oder den Libanon zu evakuieren. Denn in diesem Fall hätte die israelische Armee sämtliche Straßen blockiert, was ein Entkommen dort schon aus praktischen Gründen unmöglich gemacht hätte.

Jetzt liegt der Fall nach Beurteilung der Analysten aber anders. Werden die Kämpfe am Golan so heftig, dass sie einen Abzug erzwingen, würden mit hoher Wahrscheinlichkeit auch die bisherigen Rückzugsländer Jordanien und Libanon in Mitleidenschaft gezogen werden. Israel würde aber kaum mit einer Generalmobilmachung reagieren, die Verkehrswege nach Westen wären frei. Daher lautet nun die aktuelle Planungsvariante: Abzug über Israel und anschließender Luft- und Seetransport nach Zypern. Dort könnte man die weitere Entwicklung abwarten. Oberst Michael Bauer vom Verteidigungsministerium bestätigt, dass es „Aktualisierungen von Ausstiegsszenarien“ gebe. Für einen Abzug bestehe derzeit jedoch kein Grund.

Syrische Delegation in Moskau

Indes ist eine syrische Delegation unter der Leitung des Vize-Außenministers in Russland eingetroffen, dem wichtigsten Verbündeten von Damaskus. Es wurde spekuliert, dass die Reise Teil einer gemeinsamen Initiative Washingtons und Moskaus sein könnte, um die Krise doch noch diplomatisch zu lösen.

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