Die letzten Tage der Ceausescu-Diktatur

In den Weihnachtsfeiertagen vor 25 Jahren fand die brutalste Diktatur Osteuropas nach elf Tagen des Aufstands ihr blutiges Ende.

Wie ein Lauffeuer machte das Gerücht die Runde: Der Diktator ist weg. "Als dann plötzlich die Glocken läuteten, waren wir uns ganz sicher – Ceausescu ist gestürzt. Wir alle, Tausende Menschen auf dem Opernplatz in Temeswar, haben gemeinsam das ,Vater-Unser‘ gebetet."

Doch die Gebete des damals 29-jährigen Herbert Grün und all jener Rumänen, die in der zweitgrößten Stadt des Landes für das Ende der kommunistischen Diktatur auf die Straße gegangen waren, kamen zu früh. Am selben Abend zeigte sich Nicolae Ceausescu im Fernsehen. Seit 22 Jahren hatte der "Conducator" oder das "Genie der Karpaten", wie er sich nennen ließ, Rumänien mit eiserner Faust regiert. Totale Überwachung bis in die Familien hinein, brutalste Staatsgewalt, soziales Elend – alles war in Rumänien schlimmer als in den meisten anderen Staaten hinter dem Eisernen Vorhang.

In jenen Dezembertagen des Wendejahres 1989 hatten die Ungarn ihre Stacheldrahtgrenzen bereits zerschnitten. Die Berliner Mauer war offen, und Polen wählte ein Parlament, doch Rumänien ächzte noch immer unter seinem größenwahnsinnigen Herrscher.

Der unbequeme Pastor

Via TV spuckte Ceausescu Gift und Galle in Richtung der "Terroristen in Temeswar". Doch die Bewohner der westrumänischen Stadt waren nicht mehr kleinzukriegen. Die Lawine der Ereignisse, die Rumänien für immer verändern sollte, war schon eine Woche zuvor losgetreten worden: Der ungarisch-stämmige Pastor Laszlo Tökes hatte es gewagt, in seinen Predigten die verheerenden Missstände und die Armut in Rumänien anzuprangern. Dafür planten ihn die KP-Behörden in ein abgelegenes Dorf zu verbannen.

Tökes aber wollte nicht gehen. Am ersten Abend versammelten sich tausend Gläubige zu seinem Schutz vor seinem Haus. Am nächsten Tag waren es doppelt so viele Menschen – und sie riefen schon "Nieder mit Ceausescu!" Am dritten Tag rollten Panzer. Bewaffnete marschierten auf, feuerten in die Menge. Mindestens 50 Menschen wurden getötet. "Wer genau geschossen hat, ob Polizei oder Armee, das weiß man bis heute nicht genau", sagt der Temeswarer Herbert Grün.

Am folgenden Tag, erinnert sich Grün für den KURIER, "war die Menge noch größer, 30.000 oder 40.000 Menschen, und das Militär ist auch schon wieder aufgefahren". Doch nun sprang der Funke des Aufstandes aufs ganze Land über. "Im Grunde hatten wir alle schon lange darauf gewartet, dass der Volks- und Massenprotest gegen das Regime losbricht", schildert Grün, der heutige Direktor der Caritas Temeswar. Immer gefährlicher, immer aufgeheizter wurde die Lage. Menschen wurden zu Tode geprügelt, erschossen, niedergewalzt. Mehr als 1100 Menschen kamen in den elf Tagen der rumänischen Revolution ums Leben.

Dass es nicht noch mehr wurden, war Verteidigungsminister Milea zu verdanken. Der verweigerte den von Ceausescu ausgegebenen Schießbefehl. Dafür wiederum ließ der Diktator seinen Minister erschießen.

Vier Tage später waren auch Diktator Nicolae Ceausescu und seine Frau Elena tot. Auf der Flucht von der Armee gefangen, von einem Militärtribunal zum Tod verurteilt und am 25. Dezember 1989 in einem Hinterhof an die Wand gestellt. Die dramatischen Ereignisse jener Weihnachtsfeiertage hat Herbert Grün daheim vor dem Fernseher miterlebt. "Wir waren alle froh, wir haben eine Flasche Wein aufgemacht."

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