USA

Warum Donald Trump wie der Brexit ist

Donald Trump beim Parteitag
Donald Trump ist Kandidat, aber viele glauben immer noch, er könnte nicht Präsident werden. Das könnte fatal sein. Eine Analyse.

Es gibt bei den Simpsons – und bekanntlich lässt sich fast alles, das passiert, anhand der Simpsons erklären – eine Szene, in der Homer Simpson einen aufgebrachten Mob anführt, der unzufrieden mit der Müllabfuhr ist. Sie sind unzufrieden mit der Situation, aber sie haben keine Alternative, deshalb skandiert der Mob auf die Frage, wen sie als neuen Verantwortlichen für die Müllabfuhr haben wollen: „Jemand anders, jemand anders!“ Und Homer Simpson sagt, über diese Einsicht selbst erstaunt: „Ich bin jemand anders!“ Er bekommt den Job und es kommt wie es kommen muss: Die Stadt versinkt im Müll.

Der etwas andere Kandidat

Donald Trump ist auch jemand anders. Kein Politiker, keiner vom Establishment. Er ist eine wandelnde Skurrilität, und seit heute ist er offiziell zum Präsidentschaftskandidaten der Republikaner nominiert worden. Erst diese Woche veröffentlichte der New Yorker einen Artikel über Tony Schwartz, den Mann, der eigentlich Trumps Bestseller „The Art of The Deal“ geschrieben hat; jenes Buch, mit dem Trump bis heute ununterbrochen hausieren geht. Was er dem New Yorker sagte, klingt wie eine verzweifelte Warnung: Würde er für das Buch noch einmal als Ghostwriter fungieren, er würde es nicht „The Art of the Deal“ nennen, sondern: „Der Soziopath“.

Wenn Trump Präsident wird, „wenn er die Codes für Nuklearwaffen bekommt, gibt es eine große Chance, dass das zum Ende der Zivilisation führt“, sagt er. Jener Trump, der sich medial präsentiert, sei leider keine Kunstfigur, wie so viele glauben. „Er hat keinerlei Aufmerksamkeitsspanne“, sagt Schwartz, er sei „wie ein Kindergartenkind, das nicht still sitzen kann.“ Trump sei ein notorischer Lügner, und „ich glaube nicht, dass er als Erwachsener auch nur ein einziges Buch gelesen hat.“

Sind Trumps Chancen unterschätzt?

Laut fivethirtyeight.com, der Webseite von Nate Silver, jenem Statistikguru, der 2012 die Ergebnisse in allen 50 Bundesstaaten richtig vorhersagte, hat Trump aktuell eine Chance von 38,3 Prozent, Präsident der Vereinigten Staaten zu werden. Und Nate Silver, sonst immer so treffsicher, hat stets gepredigt, nie und nimmer habe Trump auch nur den Funken einer Chance, tatsächlich der Kandidat der Republikaner zu werden. Weil er seinen eigenen Zahlen nicht traute, und weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Es erinnert an die Situation vor dem Brexit: Niemand hat damit gerechnet, dass er passiert, auch wenn es die Umfragen vermuten ließen. Die Vermutung liegt also nahe, dass auch Nate Silver Trump eher unterschätzt als überschätzt. Zwei landesweite Umfragen wurden gestern veröffentlicht, in einer ist Clinton um einen Prozentpunkt vorne, in der anderen Trump. Wie kann das also sein?

Die USA stehen vor der absurden Situation, zwischen jenen beiden Kandidaten wählen zu müssen, die die schlechtesten Beliebtheitswerte haben, seit diese abgefragt haben. Und wenn Donald Trump „jemand anders“ ist, dann ist Hillary Clinton die Systemkandidatin schlechthin. Ehemalige Außenministerin, ehemalige First Lady, ehemalige Senatorin – mehr Establishment geht nicht.

Gerade in einer Zeit, in der die US-Amerikaner die „Eliten in Washington“ satt haben, stellen die Demokraten eine skandalumwitterte Kandidatin auf, die als Symbol für dieses verhasste „Washington“ steht. Schon Barack Obama baute seinen erfolgreichen Wahlkampf 2008 darauf auf, eben nicht Teil des elitären Zirkels in Washington zu sein – und der Vorwurf, er sei zu unerfahren, mit dem die Clinton-Kampagne im Vorwahlkampf 2008 arbeitete, scheiterte schon damals. Sollte Clinton gegen Trump gewinnen, hätte das wohl vor allem den Grund, dass Trump einen Tick zu verrückt ist – gegen einen gemäßigten Trump hätte sie vermutlich keine Chance.

Gegen das System

Vielen geht es einfach darum, das System abzuwählen. 80 Prozent der US-Amerikaner finden laut einer aktuellen Umfrage, dass der Kongress seine Arbeit schlecht macht. Und die Washington Post veröffentlichte eine Umfrage, dass viele Trump-Wähler seine teilweise reichlich absurden Wahlversprechen und Heilsversprechungen gar nicht glauben – und es ihnen auch egal ist. Es geht nicht darum, dass sie wirklich glauben, dass Trump eine Mauer bauen würde. Aber sie finden es gut, jemanden wählen zu können, der die Eliten schockiert, weil er solche Dinge sagt.

Es ist die Lust an der Destruktion, das mit offenen Augen ins Verderben laufen, nur um es denen da oben heimzuzahlen, das Trump zum Präsidenten machen könnte. Es könnte so enden wie beim Brexit: Dass viele einfach aus Protest Trump wählen, weil sie nicht damit rechnen, dass wirklich passieren könnte, was noch immer niemand wirklich wahrhaben will – bis es plötzlich so weit ist.

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