Kampf um die Downing-Street

Kämpft gegen Schnösel-Image: David Cameron.
Wer sind die wichtigsten Köpfe im Kopf-an-Kopf-Rennen bei den britischen Parlamentswahlen?

Großbritannien wählt am Donnerstag ein neues Parlament. Die Umfragen sagen ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Cameron und Miliband voraus. Laut der jüngsten Umfrage der Rundfunkanstalt BBC liegen Camerons konservative Tories bei 34 Prozent, Milibands oppositionelle Labour-Partei kommt auf 33 Prozent. Keiner dürfte allein regieren können.

Um den Einzug in die Downing Street rittern auch Nicola Sturgeon und Nigel Farage. Ein "Who ist Who" des britischen Wahlkampfs im Überlick.

Titelverteidiger sucht Bodenhaftung

Kampf um die Downing-Street
epa04732844 British Prime Minister and Conservative party leader David Cameron (C) speaks to supporters during an election rally at Hayesfield Girls' School, in Bath, Britain, 04 May 2015. Britons will go to the polls in a general election on 07 May. EPA/STR UK OUT
Der vermutlich schwerwiegendste Fehler in dieser Wahlkampagne, der PremierDavid Cameronunterlaufen ist, hat auf den ersten Blick wenig mit Politik zu tun. Da ein Fußballverein, dem man treu ergeben ist, zur Grundausstattung jedes anständigen Engländers gehört, hatte Cameron sich immer zu Aston Villa bekannt.

Plötzlich aber bezeichnete er irrtümlich Westham als seinen Lieblingsklub. Für die Gegner des Konservativen der perfekte Anlass, um Cameron wieder einmal als abgehobenen Oberschicht-Schnösel zu brandmarken, der in Wahrheit weder von Fußball, noch vom harten Alltag seiner Landsleute auch nur irgendeine Ahnung habe.

Cameron musste sich tatsächlich in mehreren Interviews für seinen "Hirnschwund" rechtfertigen. Im Wahlkampf-Finale gab sich der 48-Jährige daher betont hemdsärmelig und emotional und versuchte so, den Vorwurf auch aus der eigenen Partei, er habe einen faden und wenig überzeugenden Wahlkampf geführt, zu entkräften.

Dass er seine Liberaldemokraten 2010 tatsächlich in eine Koalition mit den Konservativen führte, hat der linke Parteiflügel Nick Clegg bis heute nicht verziehen. Dass er dann noch eine drastische Anhöhung der Studiengebühren unter dem Druck des übermächtigen Koalitionspartners durchwinken musste, gilt als der endgültige Sündenfall des smarten Weltbürgers, der - ganz anders als die meistens seiner Landsleute - mehrere Fremdsprachen spricht. Schließlich ist er ja mit einer Spanierin verheiratet. Clegg, der im Wahlkampf 2010 sowohl David Cameron als auch den damaligen Labour-Chef Gordon Brown überstrahlt hatte, stürzte in den Umfragen ab.

Auch die in Großbritannien seit Jahren anwachsende europafeindliche Stimmung hat dem überzeugten Pro-Europäer nicht gerade geholfen. Seiner Partei wird bei diesen Wahlen nur eine Außenseiterrolle mit einer Handvoll Mandate zugetraut. Doch auch diese Handvoll könnte bei knappem Wahlausgang entscheidend sein, vor allem weil die Liberaldemokraten als einzige Kleinpartei gelten, mit der beide Großparteien zusammenarbeiten würden, ganz anders also als im Fall von UKIP oder der SNP.

Der Labour-Chef, der ja über Jahre im Schatten seines Bruders Dave stand, der enger Vertrauter von Tony Blair war, galt lange Zeit als unentschlossener Langeweiler. Die Medien porträtierten ihn als Nerd, der sich wohl lieber mit einem Rubiks-Würfel oder Computerspielen beschäftige als mit den wirklichen Sorgen seiner Landsleute. Außerdem gilt auch Miliband wie Premier Cameron als typisches Produkt britischer Elite-Erziehungsanstalten und daher als abgehoben. Doch schon in den TV-Wahldebaten überraschte Miliband mit Selbstbewusstsein und Angriffigkeit.

Auch wirkte sein Versuch, die Labour-Partei, die ja unter Tony Blair und Gordon Brown politisch in die Mitte gerückt war, wieder links und mit sozialem Bewusstsein zu präsentieren, zunehmend glaubwürdig. Überraschend wurde Miliband auch in den sozialen Medien von der anfangs grob karikierten Witzfigur zum Star. Fotos des 45-Jährigen als Indiana Jones oder Marlon Brando wurden wie wild verbreitet. Unter dem Stichwort "Milifandom" versammeln sich inzwischen Tausende in online-Fanklubs des Sozialdemokraten. Das läuft zwar nicht ohne typisch britische Ironie ab, verschafft Miliband aber jede Menge Sympathie. Auf der Suche nach Jungwählern und einem coolen Image hat sich der Parteichef vor einigen Tagen sogar zu Englands Starcomedian Russell Brand vorgewagt, was ihm wütende Kritik von den Konservativen einbrachte. Schließlich hat es Brand für sinnlos erklärt, überhaupt wählen zu gehen.

Nach dem im Vorjahr knapp gescheiterten Unabhängigkeits-Referendum in Schottland war ja der quasi-Übervater der schottischen Nationalisten der SNP, Alex Salmond, abgetreten. Mit seiner Stellvertreterin Nicola Sturgeon konnten viele Anhänger des hemdsärmeligen Linken vorerst nicht viel anfangen. Doch die 44-Jährige bewies nicht nur politischen Angriffsgeist und rhetorische Brillianz, sondern mauserte sich auch optisch zur prägenden Führungsfigur. Viele britische Blätter witzelten, sie habe sich wohl Angela Merkels Styling-Berater nach Edinburgh geholt.

Doch Sturgeon profitiert nicht nur von perfekten Kostümen und guten Argumenten, sondern auch durch ihre Bodenständigkeit, die ihr viel Glaubwürdigkeit bei den Wählern verschafft. Schließlich stammt sie, ganz anders als der Großteil von Großbritanniens politischer Führungsriege, tatsächlich aus einfachen Verhältnissen. Stimmen die Umfragen dann erlebt Schottland bei diesen Wahlen ein politisches Erdbeben. Die SNP könnte tatsächlich sämtliche schottischen Wahlkreise gewinnen. Mit 59 Mandaten und dem erwarteten knappen Wahlausgang könnte Sturgeon damit zum einzig möglichen Mehrheitsbeschaffer für die Labour-Partei werden. Die aber hat einen Pakt mit den nach Unabhängigkeit gierenden Schotten vorerst ausgeschlossen.

Bei den Europawahlen im Vorjahr war Nigel Farage der große Sieger. Seither ist seine rechtspopulistische UKIP mit 23 Abgeordneten die größte britische Fraktion im Europaparlament. Eine absurde Situation, ist doch die Hauptforderung der UKIP nach wie vor der Austritt Großbritanniens aus der EU. Bei den Unterhauswahlen wird der charmante und leutselige Ex-Konservative allerdings nicht so groß punkten können.

Das britische Wahlsystem, bei dem ja in jedem Wahlkreis nur der Gewinner zählt und alle anderen Stimmen quasi verlorengehen, gibt der UKIP gerade einmal in einer Handvoll Wahlkreise reale Chancen. Inzwischen versucht Farage nicht mehr ausschließlich als EU-Gegner zu punkten, sondern setzt auch auf die typischen Themen europäischer Rechtspopulisten, wie etwa die Probleme mit Zuwanderern und dem radikalen Islam. Außerdem warnt der überzeugte Pub-Besucher und Kettenraucher gerne vor dem Verlust der britischen Identität.

Kommentare