Separatisten wollten Waffenruhe ab Sonntag

Abschied nehmen von Donezk: Evakuierung aus dem Gebiet
Angeblich wollte Putin Umsetzung sofort. Sanktionen bleiben trotz Abkommens Thema.

Der Waffenstillstand für die Ostukraine wurde am Donnerstag vereinbart, ab Sonntag soll er gelten. Wieso drei Tage Zeit bleiben, an denen das Töten weitergeht, war Gegenstand der Spekulation. Nun gibt es erste Angaben aus Moskau dazu: Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sagte der Wirtschaftszeitung Kommersant, Präsident Wladimir Putin habe sich beim Gipfel in Minsk für eine sofortige Waffenruhe eingesetzt. Der schließlich auf Sonntag festgelegte Beginn sei "auf Wunsch der Separatisten" erfolgt. Putin habe während der Gespräche in Minsk "beträchtliche Anstrengungen unternommen, um die Rebellen von einer Unterzeichnung des Dokuments zu überzeugen".

Die Separatisten wollten offenbar noch etwas Zeit herausschinden. Im Mittelpunkt steht dabei wohl der Kampf um den Bahnknotenpunkt Debalzewe. Die Separatisten wollen diese nämlich bereits am Mittwoch durch die Blockade der letzten Straße, die den Verkehrsknotenpunkt mit ukrainisch kontrolliertem Territorium verband, eingekesselt haben. Nach Angaben Moskaus sind dort bis zu 8.000 ukrainische Soldaten von den Rebellen eingeschlossen. Laut dem Kreml-nahen Journalisten Andrej Kolesnikow wurde bei den Minsker Verhandlungen nahezu die Hälfte der Zeit darüber diskutiert, ob es den "Kessel von Debalzewe" gebe oder nicht. Beobachter vermuten, dass die prorussischen Kämpfer bis zum Inkrafttreten der Waffenruhe in der Nacht auf Sonntag versuchen wollen, die Stadt einzunehmen und fürchten noch heftige Kämpfe, die die Waffenruhe noch vor ihrem Inkrafttreten vereiteln könnte.

Amnestie nur eingeschränkt

Auch am Freitag gab es Tote: Binnen 24 Stunden seien mindestens elf Menschen gestorben, teilten die ukrainische Armee und die Rebellen am Freitag mit. Nach Angaben eines AFP-Korrespondenten waren in der von Rebellen kontrollierten Stadt Donezk seit Freitag in der Früh Raketeneinschläge und Artilleriefeuer zu hören.

Auch die Ukraine geht wieder stärker auf Konfrontationskurs: Die beim Krisengipfel vereinbarte Amnestie soll nach Darstellung des ukrainischen Außenministers Pawel Klimkin nicht für die Anführer der Separatisten im Donbass gelten. Die zudem abgesprochene Autonomie für die Ostukraine bedeute nicht, dass die Führung in Kiew die Macht völlig aus der Hand gebe, sagte Klimkin am Freitag.

Separatisten wollten Waffenruhe ab Sonntag
Ukrainian army pilot Nadezhda (Nadia) Savchenko looks out from a defendant's cage during a hearing at the Basmanny district court in Moscow February 10, 2015. Savchenko is accused in Russia of providing coordinates for a mortar attack in east Ukraine in which two Russian journalists were killed last summer. Her lawyers say she is not guilty. She was captured by pro-Russian rebels while fighting in a volunteer battalion in east Ukraine last June. REUTERS/Maxim Zmeyev (RUSSIA - Tags: CRIME LAW POLITICS CONFLICT MILITARY)
Und Russland zieht ebenfalls Grenzen: Der Kreml hat eine Freilassung der seit Juni in Moskau inhaftierten ukrainischen Luftwaffen-Pilotin Nadja Sawtschenko ausgeschlossen. Putin habe klar gemacht, dass gegen Sawtschenko ermittelt werde. Ein Gericht müsse "über ihre Schuld oder Unschuld entscheiden". Russland wirft ihr vor, der ukrainischen Armee die Position zweier russischer Journalisten übermittelt zu haben, die im Juni nahe der ostukrainischen Stadt Luhansk bei einem Angriff der ukrainischen Regierungstruppen getötet wurden. Die Anklage gegen die 33-Jährige lautet auf vorsätzlichen Mord. Aus Protest gegen ihre Inhaftierung befindet sich Sawtschenko, um die sich ein wahrer Propagandakrieg entsponnen hatte, seit Mitte Dezember im Hungerstreik.

Sanktionen noch am Tapet

Separatisten wollten Waffenruhe ab Sonntag
Belarus' President Alexander Lukashenko (L), Russia's President Vladimir Putin (2nd L), Ukraine's President Petro Poroshenko (R), Germany's Chancellor Angela Merkel (C) and France's President Francois Hollande pose for a family photo during peace talks in Minsk, February 11, 2015. The four leaders meeting on Wednesday for peace talks in Belarus on the Ukraine crisis are planning to sign a joint declaration supporting Ukraine's territorial integrity and sovereignty, a Ukrainian delegation source said. REUTERS/Grigory Dukor (BELARUS - Tags: POLITICS CIVIL UNREST CONFLICT TPX IMAGES OF THE DAY)
Dennoch sei die Vereinbarung von Minsk sei "ein Hoffnungsschimmer", sagte Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel, die am Abkommen maßgeblich beteiligt war. Nun müssten den Worten aber "Taten folgen". Wenn dies nicht geschieht, behält sich die EU einstweilen weitere Sanktionen vor. Man werde "nicht zögern, Maßnahmen zu ergreifen", sagte EU-Ratspräsident Donald Tusk am Donnerstagabend in Brüssel. Die EU sei "hoffnungsvoll, aber auch vorsichtig, denn wir haben ja schon schlechte Erfahrungen gemacht", sagte Ratspräsident Tusk. "Wir haben nur begrenzt Vertrauen in den guten Willen Putins." Zuvor hatte der EU-Gipfel beschlossen, dass die bereits beschlossenen Sanktionen wie geplant am Montag in Kraft treten werden - um Druck auf Moskau zur Umsetzung des Minsker Abkommens zu erzeugen.

"Wenn es Schwierigkeiten gibt, schließen wir auch weitere Sanktionen nicht aus", so Merkel. "Wir halten uns alle Reaktionsmöglichkeiten offen." Der EU-Gipfel habe die EU-Kommission aufgefordert, weitere Wirtschaftssanktionen gegen Russland vorzubereiten. Ähnlich äußerte sich der französische Präsident Francois Hollande. Auch die im Herbst auf Eis gelegte Lieferung von französischen Mistral-Kriegsschiffen an Russland bleibe weiterhin blockiert.

Bundeskanzler Werner Faymann bezeichnete es auch als zu früh", über eine mögliche Lockerung oder Aufhebung der Sanktionen zu sprechen. Das Minsker Abkommen sei nämlich "ein Hoffnungsschimmer, aber keinesfalls eine Garantie". Sollte der Friedensplan umgesetzt werden, dürfte es zu einer Diskussion über die Aufhebung der Sanktionen kommen.

Porträt: Putins Männer fürs Grobe. Mehr dazu hier.

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