Deutschland kämpft gegen Erdogans langen Arm

Privilegien für Deutschtürken wackeln - Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft wird gefordert.

Offiziell gibt sich die deutsche Regierung in puncto Türkei nach wie vor höchst zurückhaltend. "Kein Kommentar", heißt es noch immer zu den Vorgängen seit dem Putsch; nicht einmal die Vorwürfe aus Ankara, das Verbot der Erdogan-Rede bei der Kölner Groß-Demo sei eine "Schande" für Deutschland, konnten Kanzlerin Merkel eine Kritik entlocken.

Woran das liegt? Natürlich daran, dass man den Flüchtlings-Deal nicht gefährden will. Dazu kommt aber die Sorge um den inneren Frieden in Deutschland. Schon vor der Demo kam es zu Attacken auf Schulen der Gülen-Bewegung, es kursierten Listen mit Läden und Restaurants von Gülen-Anhängern – sie macht der türkische Präsident für den Putsch verantwortlich. Eine Eskalation dieses Konflikts wünscht sich niemand – bei knapp drei Millionen Türkeistämmigen im Land könnte das schnell zum Flächenbrand ausarten.

Macht einschränken

Deshalb wird nun überlegt, wie der Einfluss Ankaras auf die Deutsch-Türken zu beschneiden ist. Vorbild dabei ist Österreich: Die CSU fordert schon länger ein Islam-Gesetz nach österreichischem Muster, man will so die Finanzierung muslimischer Vereine und Moscheen aus dem Ausland verbieten. Die meisten Geistlichen sind türkische Staatsbedienstete, sie können vielfach kaum Deutsch. Die Unionsparteien wollen deshalb, dass sie künftig nur im Inland ausgebildet werden dürfen. Zudem fordert man die Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft. In Deutschland lebende Türken müssten sich entscheiden, welchem der beiden Staaten ihre Loyalität gelte, sagt Jens Spahn, Merkels Stellvertreter in der CDU. Die Zwei-Pass-Politik wurde eigentlich als Integrations-Instrument eingeführt; Spahn bemängelt nun, dass die "Regelungen vor allem den in Deutschland lebenden Türken entgegenkommen." Profiteur ist zudem die AKP, denn mit dem Doppel-Pass geht auch das Wahlrecht einher: Bei der Parlamentswahl 2015 erreichte Erdogans Partei in Deutschland mehr Zustimmung als in der Türkei.

"Terror-Beihilfe"

Erdogan selbst hat indes erneut Attacken gegenüber der Gülen-Bewegung geritten – in einer live übertragenen Rede griff er auch die USA und Deutschland an. "Der Westen unterstützt Terrorismus und ergreift Partei für Putschisten", sagte er; die strategische Partnerschaft mit den USA, die Fetullah Gülen ja nicht ausliefern, müsse überdacht werden. Auch Berlin warf er Terror-Beihilfe vor: "Die Türkei hat Deutschland mehr als 4000 Akten zu gesuchten Terroristen geschickt, aber Deutschland hat nichts getan." Bleibt abzuwarten, ob das Kanzleramts auch das unkommentiert lässt.

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