Vom Rapper zum Dschihadisten

Der mutmaßliche Mörder James Foleys ist nicht der einzige Ex-Musiker unter den Extremisten.

Lyricist Jinn" galt vor zwei Jahren als Aufsteiger in Londons Rap-Szene. Zehntausende klickten die Videos des 24-jährigen gebürtigen Ägypters auf YouTube an, sogar die BBC spielte seine Songs. Deren Inhalt, typisch für Rap-Songs: Kriminalität, Gewalt, desolate Familien. Doch bald veränderten sich die Texte. "Lyricist Jinn" hetzte gegen Menschen, die ihr Geld lieber für Alkohol oder Clubbings ausgeben als für ihre Familien; im heurigen März sang er: "Verletzt meine Brüder und ich fülle euch mit Blei."

Den Clip muss der junge Mann in Syrien ins Netz gestellt haben – dort hält er sich seit 2013 auf. Sein bisher letzter Auftritt war vermutlich in dem Video des "Islamischen Staats" (IS), das die Welt schockierte: "Lyricist Jinn" soll der Mörder des US-Journalisten James Foley sein.

Stimmenexperte

Das auffälligste Merkmal des vermummten Mannes, dem Medien den Namen "Dschihadi John" gaben: ein Londoner Akzent. Der führte Ermittler zu "Lyricist Jinn", bürgerlicher Name: Abdel-Majed Abdel Bary. Ein Stimmenexperte spricht laut der Zeitung The Independent von einer "großen Wahrscheinlichkeit", dass es sich bei Abdel Bary und Foleys Mörder um denselben Mann handelt.

Abdel Bary war 1993 nach Großbritannien gekommen, wo seine Familie Asyl erhielt. Im Londoner Stadtteil Maida Vale lebte er mit seiner Mutter und sechs Geschwistern in einem Haus, das gut eine Million Euro wert sein soll. Der Vater war laut Independent ein Weggefährte Osama bin Ladens und soll eine Schlüsselrolle bei den Anschlägen auf die US-Botschaften in Kenia and Tansania 1998 gespielt haben. 2012 wurde er an die USA ausgeliefert.

Gleiche Zielgruppe

Rapper wie Abdel Bary sind für islamistische Gruppen Gold wert, auch wenn sie selbst sich nicht dem Dschihad anschließen – denn ihre Zielgruppen überschneiden sich mit denen der Extremisten. Die Fans haben oft Migrationshintergrund, sind sozial benachteiligt, haben Erfahrung mit Gewalt und Kriminalität, die Schule abgebrochen und sehen keine Perspektive für ihr Leben. Aufgehetzt durch radikale Texte, Gräuelvideos und Hassprediger entscheiden sich einige für ein Leben als Terrorist: Mehr als 2000 Europäer sollen in Syrien und im Irak kämpfen, mehr als 500 davon aus Großbritannien.

Ein solcher Kämpfer ist auch der 39-jährige Deutsche Denis Cuspert. Mit seiner Mutter und seinem Stiefvater, einem US-Soldaten, wuchs der Sohn eines Ghanaers in Berlins sozialen Brennpunkten auf. Als Jugendlicher saß er mehrere Haftstrafen ab. 2002 begann Cuspert als "Deso Dogg" zu rappen. Wenige Jahre später konvertierte er zum Islam. 2010 beendete er seine Musikkarriere, um als Prediger durchs Land zu touren. In Kampfliedern sang er u.a. "Scheich Osama, der schönste Märtyrer dieser Zeit". Mit dem österreichischen Dschihadisten Mohamed M. gründete Cuspert 2011 die später verbotene Gruppierung "Millatu Ibrahim". Er hatte auch Kontakt zum deutschen Hassprediger Pierre Vogel, der immer wieder die Nähe zu Rappern sucht.

Nach einem Haftbefehl verließ Cuspert 2012 seine schwangere Freundin und reiste nach Syrien, wo er sich schließlich dem IS anschloss. Mittlerweile gilt Abu Talha al-Almani, so sein Kampfname, als treibende Kraft des "Al Hayat Media Centers", verantwortlich für die Propaganda des IS.

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