Katholisches Irland vor "Jawort" zur Homoehe

Heute, Freitag, entscheidet die Bevölkerung Irlands über die Einführung der Homoehe.

David Norris kann sich noch an die Zeit erinnern, als er als einziger schwuler Mann Irlands galt. Damals, in den 60er- und 1970er-Jahren, war das Eingehen einer homosexuellen Beziehung im erzkatholischen Irland nicht nur gesellschaftlich völlig inakzeptabel, sondern auch eine Straftat. "Ich war DER irische Homosexuelle", erinnert sich Senator Norris, ein früherer Präsidentschaftskandidat, der sich als erster prominenter Ire schon vor Jahrzehnten outete.

Katholisches Irland vor "Jawort" zur Homoehe
Susan O'Reilly
Dass sich die Stimmung in nur wenigen Jahren so stark drehen würde, hätte Norris damals nicht für möglich gehalten. Die Iren stimmen am Freitag als erstes Land der Welt mit einer Volksabstimmung über die Einführung der Homoehe ab. Laut Umfragen wird es ein klares Ja zu der von der Regierung propagierten Reform geben.

Wer sich auf den Straßen Dublins umhört, tut sich schwer, Gegner der Homoehe zu finden. "Ich bin hundertprozentig für Gleichberechtigung. Und ich bin überzeugt, dass es am Freitag ein Ja gibt", sagt Susan O’Reilly aus dem Dubliner Vorort Swords. Alle irischen politischen Parteien, fast alle Medien und sozialen Institutionen haben sich in den vergangenen Wochen für die Einführung der Homoehe ausgesprochen.

Recht auf Fortpflanzung inkludiert

Eine Allianz aus christlichen Gruppierungen und konservativen Familienverbänden will die nötige Verfassungsänderung verhindern. Sie machen nicht gegen die Homoehe an sich mobil, sondern warnen vor den möglichen Folgen für Kinder. "Wir sind weder homophob noch intolerant, aber wir sind der Meinung, dass ein Kind das Recht auf Vater und Mutter hat", erklärt Ronan Mullan von der "No Campaign". Ein Ehepaar hat laut irischer Verfassung das Recht auf Fortpflanzung. Das bedeutet aus Sicht der Reform-Gegner, dass homosexuelle Ehepaare dank moderner Fortpflanzungsmedizin Eltern werden können, wenn sie das wollen.

Den Dubliner Leonard Lowndes hält das nicht davon ab, am Freitag mit Ja zu stimmen. "Mein Bruder hat zwei Söhne alleine großgezogen, weil seine Frau früh bei einem Autounfall ums Leben gekommen war. Ich denke, seine Kinder haben sich auch ohne Mutter sehr gut entwickelt. Die traditionellen Familien gibt es heutzutage ohnehin immer weniger."

Katholisches Irland vor "Jawort" zur Homoehe
Leonard Lowndes
Susan O’Reilly lässt die Warnung der Reform-Gegner ebenfalls kalt: "Ich finde es absurd, dass die Kirche davor warnt, dass Kinder ohne Mutter aufwachsen könnten. Gerade die katholische Kirche war es, die irischen Frauen vor 50 Jahren uneheliche Kinder weggenommen und in Heime gesteckt hat."

Die katholischen Bischöfe haben sich an der leidenschaftlich, aber sachlich geführten Debatte kaum beteiligt. Mit gutem Grund: Irlands Kirchenführung hatte jahrzehntelang Sexmissbrauch Hunderter Kinder durch Geistliche vertuscht. Das hat der Glaubwürdigkeit der einst so dominanten Kirche massiv geschadet und einen gesellschaftlichen Wandel in atemberaubendem Tempo ermöglicht.

Und doch sehen viele Beobachter die Umfragen skeptisch, die derzeit bis zu 69 Prozent Zustimmung zur Homoehe zeigen. "Viele Gegner der Reform trauen sich nicht, ihre Bedenken zu äußern. Das ist Folge der einseitigen medialen Berichterstattung und der politischen Korrektheit", sagt Ronan Mullen von der "No Campaign". Bei älteren Iren überwiegt laut Umfragen die Ablehnung, und gerade sie gehen meist fleißiger zur Wahlurne.

Befürworter der Homoehe beklagen, dass in den vergangenen Jahren mehr als 280.000 junge, großteils liberale Iren wegen der Wirtschaftskrise emigrieren mussten und daher am Freitag nicht abstimmen können. Es gab sogar die Bitte an die irische Billigfluglinie Ryanair, in den Tagen vor und nach dem Referendum spezielle Rabatte für Heimflugtickets anzubieten. Sie blieb ungehört.

Vorreiterrolle

Absolute Vorreiter bei der Gleichstellung homosexueller Paare waren die Dänen, die 1989 mit der weltweit erstmaligen Zulassung "registrierter Partnerschaften" begonnen hatten.

Völlige Gleichstellung

In Dänemark, Großbritannien, Island, Frankreich, Luxemburg, in den Niederlanden, in Schweden, Spanien, Slowenien sind alle Ehen gleichgestellt. Schwule und lesbische Paare haben also dieselben Rechte und Pflichten wie heterosexuelle Paare.

Eingetragene Partnerschaften

In Österreich können sich homosexuelle Paare standesamtlich "verpartnern". Adoptionen oder künstliche Befruchtung sind per Gesetz verboten. In Belgien, Deutschland, Estland, Finnland, Kroatien, Malta, Tschechien sind eingetragene Partnerschaften möglich – mit weniger Rechten als in einer Ehe.

Keine Akzeptanz

Italien, Polen, Rumänien, Russland, Slowakei akzeptieren nicht einmal gleichgeschlechtliche Partnerschaften – und schon gar keine Homoehe.

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