Visa-Freiheit: Türkische Interessenten noch ungewiss

Visa-Freiheit: Türkische Interessenten noch ungewiss
Kämpfe im Kurdengebiet im Südosten könnten Zahlen erhöhen.

Die EU und die Türkei bereiten sich auf die für Ende Juni vorgesehene Abschaffung der Visa-Pflicht für Türken bei Reisen in den Schengen-Raum vor. Aus türkischer Sicht ist die Reisefreiheit ein wichtiges politisches Symbol - ob sie auch einen Ansturm etwa von Kurden aus dem umkämpften Südosten des Landes oder anderer Flüchtlinge aus der Türkei auslösen würde, ist ungewiss.

Schon seit Jahren fordert die türkische Regierung von der EU die Visa-Freiheit für ihre Bürger; die derzeitigen Visa-Verfahren werden als überteuert, zeitraubend und erniedrigend angesehen. Für den Fall, dass Europa bei der Umsetzung des in Aussicht gestellten Wegfalls der Visa-Pflicht zögern sollte, droht Ankara mit der Aufkündigung des Pakts mit der EU zur Reduzierung der Flüchtlingszahlen.

Warnung vor einer Fluchtwelle

Anders als in Deutschland verfügen in der Türkei nur relativ wenige Menschen über Reisedokumente, mit denen sie spontan nach Europa fliegen könnten. Nur rund zehn Millionen der 78 Millionen Einwohner der Türkei haben einen Reisepass. Laut türkischem Statistikamt reisten im Jahr 2013 gut 7,5 Millionen Bürger - also etwa zehn Prozent der Gesamtbevölkerung - ins Ausland.

Kurdenpolitiker wie die deutschstämmige Parlamentsabgeordnete Feleknas Uca warnen jedoch seit Monaten angesichts der schweren Kämpfe zwischen den türkischen Sicherheitskräften und der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) vor einer Fluchtwelle aus Südostanatolien nach Europa. Nach Regierungsangaben haben die Gefechte mehrere hunderttausend Menschen gezwungen, ihre Wohnungen zu verlassen.

Deutschland und die EU sollten mehr Druck auf Ankara machen, um den türkisch-kurdischen Friedensprozess wieder in Gang zu bekommen, sagte Uca vor einiger Zeit. "Sonst werden nicht nur syrische Flüchtlinge, sondern auch hunderttausende Kurden nach Europa kommen."

Neubau ganzer Stadtviertel

Ministerpräsident Ahmet Davutoglu hat zwar einen raschen und nachhaltigen Wiederaufbau zerstörter Wohngebiete versprochen, doch ist angesichts anhaltender Kämpfe offen, wann damit begonnen werden kann. Zudem wird der Neubau ganzer Stadtviertel eine lange Zeit in Anspruch nehmen.

Die Frage, ob nach einer Einführung der Visa-Freiheit im Juni viele Kurden nach Europa kommen würden, lässt sich dennoch derzeit nur schwer beantworten. Viele potenziell Betroffene im Kurdengebiet sind arm, können sich die in der Türkei relativ hohen Passgebühren von umgerechnet bis zu 190 Euro kaum leisten.

Die Visa-Freiheit könnten - zumindest theoretisch - auch in der Türkei eingebürgerte Syrer nutzen. Syrische Flüchtlinge können nach fünf Jahren Aufenthalt in der Türkei einen Einbürgerungsantrag stellen. Allerdings sind die wenigsten der 2,7 Millionen Syrer in der Türkei schon so lange im Land.

Keine massenhafte Einbürgerung

Zudem verfolgt die türkische Regierung das langfristige Ziel einer Rückkehr der Syrer in ihr Heimatland. Regierungssprecher Numan Kurtulmus schloss vor wenigen Wochen eine massenhafte Einbürgerung von Syrern aus.

Ohnehin besteht noch Unklarheit darüber, inwieweit die Türkei die für die Visa-Freiheit erforderlichen 72 Kriterien fristgerecht umsetzen kann. Zu den Bedingungen gehören nicht nur verwaltungstechnische Herausforderungen wie die Herstellung biometrischer Pässe. Auch politisch schwierige Punkte sind darunter. So verlangen einige der Kriterien von der Türkei eine indirekte Anerkennung der zur EU gehörenden Republik Zypern. Das lehnt Ankara bisher aber ab.

Kommentare