USA: El-Kaida plante "etwas Großes"

US-Bürger werden aufgefordert, "sofort" den Jemen zu verlassen. El-Kaida-Chef soll einen Angriffsbefehl erteilt haben.

Nach aktuellen Terrorwarnungen und einer verschärften Sicherheitslage haben am Dienstag sowohl US-Amerikaner als auch Briten ihre Staatsbürger aufgefordert, den Jemen zu verlassen. London und Washington ziehen auch ihr Botschaftspersonal ab, im Jemen gilt weiter die höchste Alarmstufe.

"Wenn so viele Staaten Botschaften schließen, dann gibt es eine ernsthafte Bedrohung"

USA: El-Kaida plante "etwas Großes"
epa00882097 Nadia Abdel-Aziz al-Sakkaf, editor-in-chief of the newspaper Yemen Times, has been awarded the Jubran Tueini Award, a new prize from the World Association of Newspapers to honour an editor or publisher from the Arab region in Beirut on Sunday, 10 December 2006. Nadia Abdel-Aziz al-Sakkaf, who is the first woman ever to be appointed an editor in Yemen, received the award Sunday during the opening ceremony of the 'Media In Danger - Press Under Siege' conference. The opening meeting was allocated to a special honour to Jubran Tueni, publisher of "Al-Nahar" newspaper, who was assassinated on 12 December 2005. EPA/NABIL MOUNZER
Die Gefahr eines Anschlags islamischer Terroristen auf westliche Einrichtungen im Jemen wird nun offiziell als höchst akut eingeschätzt. Im Gespräch mit dem KURIER berichtet die jemenitische Chefredakteurin derYemen Times, Nadia al-Sakkaf, dass in Sanaa strengere Sicherheitsmaßnahmen als sonst ergriffen wurden. "Wenn die USA Botschaften schließen, meint man manchmal, die USA übertreiben. Jetzt aber haben alle Panik, nicht nur im Jemen, auch in anderen Ländern werden Maßnahmen getroffen. Ich glaube, das ist eine ernsthafte Angst, und gerechtfertigt. Denn sie haben die Information. Wenn so viele Staaten Botschaften schließen, dann gibt es eine ernsthafte Bedrohung", betont al-Sakkaf.

Telefonat abgehört

Die vorübergehende Schließung der US-Botschaften und die Reisewarnung des US-Außenministeriums sind nach Medienberichten auf ein abgehörtes Telefonat zurückzuführen. Wie die Los Angeles Times und der Sender CBS News am Montagabend übereinstimmend unter Berufung auf Regierungsbeamte berichteten, sei ein Telefonat zwischen El-Kaida-Chef Ayman al-Zawahiri und seinem Regionalleiter im Jemen, Nasser al-Wuhayshi, abgehört worden. In diesem Gespräch habe Wuhayshi den Befehl erhalten, vom vergangenen Sonntag an Angriffe gegen US-Einrichtungen zu führen. Es sei um "etwas Großes" gegangen, berichtete CBS.

"Jetzt wird überlegt, ob die El-Kaida ihren Angriff verschoben oder nur ein anderes Ziel ausgewählt hat", wurde der US-Abgeordnete Adam B. Schiff zitiert. "Ich glaube, sie (die Geheimdienstleute) wissen nicht mit Sicherheit, wo oder wann die Angriffe erfolgen könnten."

Die deutsche Botschaft, die eigentlich am Dienstag wieder öffnen sollte, bleibt ebenfalls vorerst geschlossen. Aus Sorge vor einem großen Terroranschlag islamischer Extremisten halten die USA, Deutschland und andere westliche Länder ihre diplomatischen Vertretungen im Jemen seit Sonntag geschlossen. Schon am Freitag hatten die USA eine weltweite Reisewarnung für ihre Bürger herausgegeben.

Österreich plant keine Schließung

Österreich hingegen plant weiterhin keine Schließung von Botschaften. Im Außenamt hieß es am Dienstag auf Anfrage der APA, es gebe "keine Änderung" in dieser Frage. Die Lage habe sich nicht gravierend verändert.

Außerdem könne eine Botschaftsschließung nur im Einzelfall beurteilt werden. Was den spezifischen Fall von Jemen betrifft, gebe es außerdem schon seit langem Seitens Österreichs eine Reisewarnung.

Terrorbedrohung als Ablenkungsmanöver?

Das Auffangen elektronischer Kommunikation ist eine der Hauptaufgaben des US-Geheimdienstes NSA, dessen massive Spähprogramme US-Whistleblower Edward Snowden enthüllt hatte. Medienberichten zufolge deuteten Analysten an, eine Terrorbedrohung zum jetzigen Zeitpunkt sei ein guter Weg, von der Kritik an den NSA-Programmen abzulenken.

Unterdessen wurden bei einem US-Drohnenangriff im Jemen vier mutmaßliche Extremisten aus dem Umfeld des Terrornetzes El-Kaida getötet. Die Drohnenattacke ereignete sich etwa 200 Kilometer von der Hauptstadt Sanaa entfernt. In der mitteljemenitischen Provinz Marib sowie im Süden und Osten des Landes sind Kampfverbände der jemenitischen El-Kaida aktiv.

Die Terrorgruppe El-Kaida auf der Arabischen Halbinsel gilt als aktivster Zweig des weltweiten Mutternetzwerks gleichen Namens. Im Jahr 2009 hervorgegangen aus dem Zusammenschluss des jemenitischen und des saudiarabischen El-Kaida-Ablegers, wird die Gruppe unter Führung von Nasser al-Wahiischi für zahlreiche Anschläge verantwortlich gemacht.

Nach der jüngsten US-Warnung vor drohenden Anschlägen im Nahen Osten und Nordafrika rückt die Extremistengruppe im Jemen wieder in den Fokus - zumal die Terrorwarnung auf abgefangene Anschlagsabsprachen zwischen al-Wahischi und El-Kaida-Chef Aiman al-Sawahiri zurückgehen sollen.

Seit dem Anschlag auf den US-Zerstörer "Cole" im Oktober 2000, bei dem im Hafen von Aden 17 US-Soldaten getötet wurden, machte die Gruppe immer wieder mit Anschlägen von sich reden. Zwei Jahre später verübte sie einen Angriff auf den französischen Öltanker "Limburg" vor der jemenitischen Küste. Im Juli 2007 wurden acht spanische Touristen und zwei Jemeniten bei einem Anschlag auf eine Ausgrabungsstätte bei Sanaa getötet, im September 2008 ließen bei einer Attacke auf die US-Botschaft im Jemen 19 Menschen ihr Leben, darunter sieben Angreifer.

Anschlag auf Innenminister

Nachdem Saudi-Arabien verstärkt gegen die Gruppe vorgegangen war, verübte ein Selbstmordattentäter 2009 einen Anschlag auf den heutigen Innenminister Prinz Mohammed bin Najef. Der Attentäter, der die Sicherheitskräfte infiltriert hatte, zündete dabei einen Sprengsatz in seinem Körper. Der Prinz überlebte leicht verletzt. Kurz darauf versuchte ein El-Kaida-Mitglied am Weihnachtstag 2009, ein US-Flugzeug über Michigan in die Luft zu jagen. Der Attentäter wurde überwältigt, bevor er die in seine Unterhose eingenähte Sprengladung zünden konnte.

Im November 2010 übernahm die Gruppe die Verantwortung für die Platzierung einer Paketbombe in einer UPS-Frachtmaschine, die zwei Monate zuvor im Golfemirat Dubai abgestürzt war. Außerdem bekannte sie sich zur Versendung mehrerer Paketbomben in die USA, die allerdings nicht explodierten. Nach der Tötung des El-Kaida-Gründers Osama bin Laden im Mai 2011 bekräftigte al-Wahischi gegenüber dem neuen El-Kaida-Führer Aiman al-Sawahiri die Gefolgschaft seiner Gruppe.

Während der Proteste gegen den langjährigen jemenitischen Präsidenten Ali Abdullah Saleh im Frühjahr 2011 nutzte der El-Kaida-Ableger die Schwäche des Militärs, um im Süden des Landes große Gebiete unter seine Kontrolle zu bringen. Erst nach einer zweimonatigen Militäroffensive ab Mai 2012 wurden die Extremisten wieder aus den größeren Städten vertrieben und zum Rückzug in die Wüste der Hadramaut-Provinz gezwungen.

US-Drohnenangriffe

Zudem wurden sie durch die deutlich intensivierten US-Drohnenangriffe geschwächt. Wie die nun angeordnete Schließung der US-Botschaften in zahlreichen arabischen Ländern andeutet, hat es sie aber wohl nicht der Möglichkeit beraubt, Anschläge zu planen.

Im September 2011 wurde der radikale Prediger Anwar al-Aulaqi, der als zentrale Figur der Gruppe galt, bei einem Drohnenangriff getötet. Wenige Monate später starb Fahd al-Kuso, der als Drahtzieher des Anschlags auf den Zerstörer "Cole" galt, bei einem weiteren Angriff eines unbemannten Flugzeugs. Mitte Juli 2013 bestätigte El-Kaida dann die Tötung von Said al-Schehri, der nach seiner Freilassung aus dem US-Gefangenenlager Guantanamo und der Flucht aus einem saudiarabischen Rehabilitierungsprogramm zum Vizechef der Gruppe aufgestiegen war.

Kommentare