USA: Revolte der Wähler gegen das Establishment

USA-Experte und Politologe Reinhard Heinisch, (Uni Salzburg): Im Wahljahr 2016 viele Überraschungen.
Experte Reinhard Heinisch über die Zugkraft politischer Außenseiter und die Strahlkraft der Jugend.

Kurier: Welche Bedeutung hat der kleine Bundesstaat Iowa im US-Wahlkampf?
Reinhard Heinisch: Die Strategie der Wahlkämpfer ist es, sehr viel Zeit in Iowa zu verbringen, dort rauf und runter tingeln und zu gewinnen. Und dann mit dem Nimbus eines Wahlgewinners in den Supertuesday (1.März) zu gehen.

Also kann man den Vorwahlkampf in Iowa nicht einfach weglassen?
Die meisten großen Geldgeber sitzen noch auf ihren Dollars und warten. Sie wollen klug in einen möglichen Gewinner investieren. Und wer einmal eine Vorwahl gewinnt, hat eine größere potenzielle Chance, innerhalb kürzester Zeit dieses Geld abzuholen und mit diesem Geld-Vorsprung in den Supertuesday zu gehen.

Im christlich-konservativen Iowa führt Trump in den Umfragen nicht so deutlich wie landesweit. Wieso tut sich Trump dort schwerer?
Da ist Ted Cruz erfolgreich, weil er ein anderes Zielpublikum anspricht. Ideologisch-stramm wie Cruz agiert, ist er für die jungen, ideologischen Parteigänger der Interessantere. Während Trump eher die weiße, zornige Arbeiterklasse anspricht. Es hilft Trump aber auch nicht, dass er zum dritten Mal verheiratet ist.

Fällt am Supertuesday, an dem 12 US-Bundesstaaten wählen, die Entscheidung für den republikanischen Kandidaten?
Nein, das könnte diesmal sehr lange dauern – vielleicht sogar bis zum Parteikonvent im Juli. Wir werden aber nach dem Supertuesday wissen, ob der Vorsprung von Trump real ist oder ob es ein Medienhype war. Es gibt drei dominierende Kandidaten: Donald Trump, Ted Cruz und Marco Rubio. Letzterer liegt laut Umfragen zwar deutlich hinten. Aber die moderateren Republikaner, die nach dem Wegfall der anderen konservativen Kandidaten, nicht zu Trump oder Cruz wechseln, werden zu einem Dritten wechseln müssen. Und die werden mehrheitlich wohl zu Rubio gehen. Dann hätten alle drei Kandidaten etwa gleich viele Stimmen. Wobei Cruz und Trump sich gegenseitig das Leben schwer machen und im selben Teich fischen. Cruz ist dabei zweifellos der Klügere und hat die geschicktere Strategie.

Ist es für die Wahlen ein Nachteil, dass Ted Cruz in Kanada geboren wurde?
Ich sehe das als Sturm im Wasserglas. Aber allein die Diskussion darüber ist schon ein gewisses Risiko. Mancher Wähler mag sich denken: Unterstütze ich jetzt einen Kandidaten, der am Ende vielleicht gar nicht Präsident werden darf? Das ist natürlich eine Grauzone. Aber im Prinzip kann so etwas nur ein Gericht entscheiden.
Derzeit gehen aber alle davon aus, dass Cruz amerikanischer Staatsbürger ist: Seine Mutter ist Amerikanerin, sein Vater gebürtige Kubaner. Seine Latinowurzeln lässt Cruz im Wahlkampf aber völlig weg. Cruz will die rechten Christen bis hin zu den Libertären auf sich vereinigen, er hat eine sehr strikte Anit-Einwanderungspolitik verkündet.

Was ist mit den großen Namen passiert: Jeb Bush, Chris Christie? Bush wurde ja anfangs sogar als Favorit gehandelt.
Die sind alle relativ chancenlos. Die ganze Vorwahl läuft ganz anders, als sich das Partei-Establishment das gedacht hat. Die Republikanische Partei ist heute nicht mehr die Partei, die sie einmal war. Ihre Rechnung war: Wir wollen die Partei der Wirtschaft sein. Aber damit allein hatte man zu wenige Wähler, man brauchte auch ein Fußvolk. Das waren früher die rechte Christen, dann die Libertären. Und dann hat das Establishment die Geister der Tea Party geweckt. Und deren Anhänger gehen auch zur Wahl. Aber die stehen so weit rechts, und jetzt ist alles ein unkontrollierter Prozess geworden. Die Mobilisierung nach rechts hilft den Republikanern immer bei den Kongresswahlen, weil durch diese Politik stramm rechte Kongressabgeordnete gewählt werden.

Wie wollen die Republikaner Präsidentenwahlen gewinnen, wenn sich viele Wählerschichten nicht angesprochen fühlen?
Bei den nationalen Wahlen muss man als Partei auch viele Minderheiten mitnehmen – dann verlieren die Republikaner wieder. Und so war für 2016 der Plan: Dieses Mal wollte man einen freundlicheren, milderen Konservativismus anbieten. Das gingt dann ab dem Moment schief, als Donald Trump mit seinen Aussagen gegen Mexikaner daher kam.

Woher kommt die Begeisterung so vieler Amerikaner für politische Außenseiter wie Trump?
Das rührt zum Teil daher, dass die untere Mittelschicht das Land nicht wieder erkennt. Seit 20 Jahren stagnieren die Löhne, Weiße werden in absehbarer Zeit eine Minderheit sein, in weiten Bereichen profitiert die Bevölkerung nicht. Im ländlichen, suburbanen Bereich sind die Leute zunehmend verstimmt. Sie können sich das Leben nicht mehr leisten, sie können ihre Kinder nicht mehr aufs College schicken. Sie sehen ihre Kultur und Lebensweise gefährdet und verbinden das mit der Immigration. Die Entfremdung des Establishments treibt die Basis dazu, Außenseiter zu präferieren. Und keiner ist ein größerer Außenseiter als Trump. Auch Ted Cruz positioniert als Außenseiter – was er aber als Senator nicht ist.

Ist es möglich, dass tatsächlich Trump oder Cruz am Ende die Kandidaten der Republikaner sein könnten?
Möglich ist es, alles läuft dieses Mal anders. Ein Szenario wäre: Trump gewinnt alle Vorwahlen, er wird Spitzenkandidat. Oder die drei Kandidaten Trump, Cruz und Rubio liegen mehr oder weniger gleich auf. Dann wird die Partei intern diskutieren – und eher nicht Trump zum Kandidaten nominieren. Die Frage wäre: Wird Trump dann als unabhängiger Kandidat antreten? Dann werden die Republikaner gegen die Demokraten verlieren. Wenn Trump nicht diese Möglichkeit in petto hätte, als Unabhängiger zu kandidieren, hätten ihn die Partei schon längst abgeschossen.

Wer hätte als Kandidat der Republikaner die größten Chancen, Hillary Clinton zu schlagen – Cruz, Rubio, Trump?
Eindeutig Rubio. Das ist auch die größte Sorge der Demokraten, dass Rubio der Kandidat der Republikaner werden könnte. Er könnte viele Latino-Wähler abziehen. Er ist hübsch, telegen, wirkt sympathisch. Und Rubio symbolisiert Jugend, während Hillary Clinton dagegen als alt wahr genommen würde. Immer, wenn in den USA Jung gegen Alt angetreten ist, hat jung gewonnen. Die einzige Ausnahme war Ronald Reagan.
Aber ein Wahlsieg Trumps gegen Clinton ist nicht auszuschließen, weil eben alles dieses Jahr anders ist: Auch für Hillary Clinton als Establishment-Kandidatin tut sich in einem Anti-Establishment-Jahr etwas, das ganz anders erwartet wurde. Sie muss ja erstmal ihre eigene Vorwahl gewinnen.

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