US-Lauschangriff: Merkel muss reagieren und kann kaum

Obama und Merkel vertrauten und mochten einander nie wirklich.
Anders als das Volk misstraute Merkel Obama immer. Jetzt wird sie es nur weniger verbergen.

Nach der Häme der Opposition und einiger Medien über die Hilflosigkeit der Regierung bei den Lauschattacken des US-Geheimdienstes wird Kanzlerin Merkels Zugzwang größer: innenpolitisch und mehr noch gegenüber den USA. Doch ihre Möglichkeiten, das verletzte Selbstbewusstsein wiederherzustellen, erweisen sich als gering.

Das Aussetzen der Gespräche der EU mit den USA über eine Freihandelszone, wie es etwa der Präsident des Europaparlaments Martin Schulz verlangt, wäre ein Schuss ins Knie: Die Kanzlerin hatte am meisten in die Gespräche investiert, denn Deutschland würde davon mehr profitieren als die USA und jedes andere Land. Sie, die Wirtschaft und sogar prominente andere Sozialdemokraten bremsen daher die Hitzköpfe in den eigenen Reihen, wo viele allfällige Liberalisierungen ideologisch ablehnen.

Als Ventil dafür überlegt Merkels Umgebung inzwischen, Drohgebärden beim „Swift“-Abkommen der EU mit den USA zuzulassen und den Zwangsaustausch aller Daten über Geldströme zu bremsen. Offiziell soll es die Daten von Terroristen aufdecken, tatsächlich verfolgen die USA damit auch die der EU-Konkurrenz für massive Wirtschaftsspionage. Da die USA wie bei ihrem brutalen Druck auf die Schweiz bei der Jagd auf US-Steuersünder auch bei Swift am längeren Hebel sitzen, ist das aber keine von ihnen zu fürchtende Drohung. So wenig wie die Empörung deutscher und europäischer Politiker die Obama-Administration bisher beeindruckte.

Beschränkte Optionen

Merkel selbst hält sich auch dabei zurück. Obwohl es in ihrer engen Umgebung als sicher gilt, dass Obama das Abhören ihrer Handys gebilligt hat: Jedes Briefing durch Geheimdienste enthält eine Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Quellen. Weshalb die US-Dienste ihre Abhör-Erfolge Obama hätten offenbaren müssen.

Aber auch die Reaktion der Regierung zu Hause ist beschränkt: Die Opposition aus Grünen und Linken will zwar die künftige Große Koalition mit einem Untersuchungsausschuss in Verlegenheit bringen. Aber auch sie wissen, dass der nichts bringt als Sitzungsgelder für seine Mitglieder. Denn einer Vorladung eines deutschen Ausschusses leistet kein Amerikaner Folge. Was als Sofortmaßnahme bleibt, ist die Aufstockung der Abwehr: Derzeit sorgen sich nur zehn Beamte um das Handy-Thema.

Dass die Kanzlerin mit ihrem Gang an die Öffentlichkeit den innen- und außenpolitischen Wirbel riskierte, lässt Insider befürchten, dass noch mehr aus dem gestohlenen Megaarchiv des US-Enthüllers Ed Snowden kommen könnte: Etwa peinliche Mitschnitte von Merkel. Ihr „Auf Obama-Vorgänger Bush konnte man sich wenigstens verlassen“ wurde ja schon einmal ausgeplaudert. Solchen Sagern würde nach der öffentlichen Empörung über das Abhören dann schon etwas die Spitze fehlen.

„Der Präsident soll aufhören, sich zu entschuldigen, aufhören, ständig zurückzurudern.“ Was der republikanische Kongressabgeordnete Peter King am Wochenende vor der Presse deutlich machte, ist längst keine Einzelmeinung mehr. Immer mehr US-Politiker beziehen nun klar Stellung für ihren Geheimdienst NSA und auch dessen internationale Spionage-Operationen. Der NSA sei eine unverzichtbare Waffe im Kampf gegen den Terror und habe, so formuliert es das politische Schwergewicht King, „Tausende Leben gerettet, nicht nur in den USA, sondern auch in Frankreich, Deutschland und überall in Europa.“

Für den US-Präsidenten ein Grund mehr, sich in all der internationalen Empörung über die NSA weiterhin abwartend und weitgehend unauffällig zu verhalten. Obama, der innenpolitisch ohnehin an mehreren Fronten kämpft, will mit diesem Thema keine weitere eröffnen.

Unmut über die NSA ist in den USA vor allem an beiden Rändern des politischen Spektrums zu finden – und dabei geht es vorrangig um das Abhören von US-Bürgern. Linksliberale Bürgerrechtler lehnen die Überwachung von Amerikanern als Eingriff in die Privatsphäre und Beschränkung der Freiheit ab. Für die rechte Tea Party dagegen ist die NSA nur ein weiteres bürokratisches Monster einer Zentralregierung, die sie ohnehin grundsätzlich nicht akzeptiert.

Nur Kritik an Kosten

In der politischen Mitte dagegen sind die NSA und ihre Abhöraktionen weniger aus ideologischen als aus ganz pragmatischen Gründen umstritten. „Rechtfertigen die Erfolge die Kosten?“, formuliert etwa die demokratische Senatorin Dianne Feinstein die Kritik in ihrer Partei an den Telefonspionen.

Doch Feinstein liefert in einem Kommentar für das Wall Street Journal auch gleich die Antwort darauf: „Das Programm ist notwendig und muss erhalten werden, wenn wir Terrorangriffe verhindern wollen.“

Die Demokratin nimmt sogar das Scheitern der Geheimdienste vor den Anschlägen des 11. September 2001 als Beweis für die Wichtigkeit der NSA-Lauschangriffe rund um den Globus. Telefonaufzeichnungen von Terroristen der Hamburger Zelle – der Planungszentrale für die Anschläge – hätten damals nicht sinnvoll analysiert und zugeordnet werden können. Mit der Hilfe der NSA-Datenbank wäre man den Terroristen auf die Spur gekommen. Feinsteins Fazit: „Wir müssen die Lektion des 11. September lernen. Wenn wir dieses lebenswichtige Programm beenden, machen wir unsere Nation nur noch verwundbarer für einen Terroranschlag.“

In Europa, betont auch der Republikaner King, läge die terroristische Gefahr verborgen – und darum sei Spionage dort gerechtfertigt. Und die Franzosen, machte er seinem Ärger Luft: „Die sollen überhaupt nicht reden. Tatsache ist doch, dass die auch die USA ausspioniert haben.“

Die offizielle Webseite, das Twitter-Konto und das Facebook-Profil von US-Präsident Barack Obama sind am Montag kurzzeitig von Hackern gekapert worden. Zu der Attacke bekannte sich die "Syrian Electronic Army" (SEA), die aus Unterstützern des syrischen Machthabers Bashar al-Assad bestehen soll.

Digitale Vergeltung

Die Aktion solle die weltweite Spionage des US-Geheimdienstes NSA vergelten, teilte die Gruppe auf Twitter mit. "Obama hat keine ethischen Bedenken dabei, die Welt auszuspionieren, also haben wir die Aufgabe übernommen, uns bei ihm zu revanchieren."

Die SEA veränderte die Links auf Obamas Twitter-Seite und leitete Besucher dadurch zu einem Video, das gewalttätige Szenen zeigt. Auch die Links auf Obamas offizieller Facebook-Seite führten kurzzeitig zu dem Video. Ein Mitarbeiter von Obamas Kampagnen-Team sagte der Huffington Post, dass die Gruppe nicht das Twitter-Konto geknackt, sondern sich lediglich Zugang zum Link-Verkürzer verschafft habe.

Die SEA hatte sich bereits zu Attacken auf Twitter-Profile großer Medienunternehmen bekannt, darunter die Financial Times, der britische Sender BBC und die US-Nachrichtenagentur AP. Vor zwei Monaten bekannte sie sich auch zu einem Angriff auf die Seite der New York Times, deren Nachrichtenportal für mehrere Stunden nicht erreichbar war.

Kommentare