USA: Nur ein kleiner Lichtblick im Budgetstreit

Während weltweit die Besorgnis wächst, fahren die meisten Abgeordneten ins verlängerte Wochenende.

Im US-Budgetstreit ist weiterhin keine Lösung in Sicht. Führende Demokraten im Senat bekräftigten am Samstag nach einem Treffen mit Präsident Barack Obama, dass über alles Mögliche verhandelt werden könne - aber erst dann, wenn ein Übergangsetat verabschiedet und die Schuldenobergrenze angehoben worden sei.

Zuvor hatte Obama einen Vorschlag der Republikaner im Abgeordnetenhaus abgelehnt. Umgekehrt scheiterten die Demokraten im Senat mit einer eigenen Initiative. Einziger Lichtblick: Die Streitparteien bleiben weiter im Gespräch. So setzten sich die Fraktionschefs der Republikaner und Demokraten im Senat am Samstag zusammen.

Erst mal Wochenende

Die meisten Abgeordneten reisten unterdessen für ein verlängertes Wochenende in ihre Wahlkreise: Der kommende Montag ist ein Feiertag in den USA. Damit könnten etwaige Abstimmungen in der größeren Kongresskammer im Fall eines Kompromisses vermutlich frühestens am Montagabend (Ortszeit) stattfinden.

USA: Nur ein kleiner Lichtblick im Budgetstreit
U.S. President Barack Obama meets U.S. Senate Democrats including Senate Majority Leader Harry Reid (D-NV) (R) in the Oval Office of the White House in Washington, October 12, 2013. The White House urged Congress on Saturday to "do its job" and find a solution to end a fiscal impasse over raising the U.S. debt ceiling and end a government shutdown after the Senate rejected a Democratic plan. REUTERS/Jason Reed (UNITED STATES - Tags: POLITICS BUSINESS)

Aber die Zeit für eine Lösung drängt. Stichtag für eine Erhöhung des Schuldenlimits ist der 17. Oktober. Danach könnten die USA nach Expertenberechnungen zwar etwa zwei Wochen lang ihre Rechnungen bezahlen, dann würden sie aber in die Zahlungsunfähigkeit abrutschen - mit möglicherweise katastrophalen Folgen für die Weltwirtschaft.

Außerdem befinden sich weiter Hunderttausende öffentliche Bedienstete im Zwangsurlaub, weil die Regierung seit dem 1. Oktober ohne Haushalt operieren muss. Zahlreiche öffentliche Einrichtungen sind geschlossen oder laufen auf Sparflamme.

Obama bleibt hart

Der von Obama zurückgewiesene Vorschlag sah eine Erhöhung der Schuldenobergrenze für lediglich sechs Wochen und keine sofortige Übergangsfinanzierung zur Beendigung des teilweisen Verwaltungsstillstands in den USA vor. Beides lehnte Obama als unannehmbar ab. Im Senat bekamen die Demokraten nicht die nötigen 60 Stimmen zusammen, um ein Votum der Kammer über einen Entwurf zur bedingungslosen Anhebung des Schuldenlimits bis 2014 anzusetzen.

Auch ein Kompromissvorschlag der moderaten republikanischen Senatorin Susan Collins brachte am Samstag keinen Durchbruch. Der demokratische Mehrheitsführer Harry Reid machte klar, dass der Plan in dieser Form nicht in Betracht komme. Der Vorschlag sieht einen Übergangsetat für sechs Monate, eine Erhöhung des Schuldenlimits bis Ende Jänner und kleinere Änderungen an Obamas Gesundheitsreform vor.

Außerdem sollen die im Frühjahr in Kraft getretenen massiven Kürzungen querbeet durch den US-Etat im Haushaltsjahr 2014 beibehalten werden. Nach Meinung von Republikanern soll nur davon abgerückt werden, wenn es als Ausgleich Einsparungen bei Sozialprogrammen gibt. Das stößt aber vor allem bei Liberalen auf Widerstand. Zudem pochen die Demokraten weiterhin auf Steuererhöhungen für die Reicheren, um die Bundeskasse aufzufüllen. Das aber ist wiederum für die Republikaner ein Tabu.

Besorgnis wächst

Unterdessen sitzt den Politikern in Washington zunehmend die eigene Bevölkerung im Nacken: Einer Reuters/Ipsos-Umfrage zufolge macht fast ein Drittel der US-Bürger die Republikaner für den Streit verantwortlich, verglichen mit 26 Prozent in der Woche zuvor. Auch Obamas Rolle wird immer kritischer gesehen. Ihm geben inzwischen 16 (zuvor 14) Prozent die Hauptschuld. Seine Demokraten dagegen sehen gerade vier Prozent in der Verantwortung, ein Rückgang von einem Prozentpunkt.

USA: Nur ein kleiner Lichtblick im Budgetstreit
A protester giving only her first name as Nancy holds up a sign calling for an end to the U.S. government shut down on Capitol Hill in Washington, October 10, 2013. U.S. House of Representatives Republicans are considering signing on to a short-term increase in the government's borrowing authority to buy time for negotiations on broader policy measures, according to a Republican leadership aide. REUTERS/Jason Reed (UNITED STATES - Tags: POLITICS BUSINESS)

Auch international wird das Drama in den USA mit zunehmender Ungeduld verfolgt. Nach den Finanzministern der führenden Industrie- und Schwellenländer (G-20) ermahnte auch der Lenkungsausschuss des Internationalen Währungsfonds (IWF) die USA zu unverzüglichem Handeln.

In den Chor der Mahner stimmte am Samstag auch der österreichische Notenbankchef Ewald Nowotny ein. Es sei "extrem gefährlich", wenn man in Washington nur auf kurzfristige innenpolitische Ziele fokussiert. Die USA riskierten den Status des Dollars als Weltleitwährung, sagte er am Samstag dem Ö1-Morgenjournal. "Wenn es tatsächlich zu einem Zusammenbruch hier kommt, weiß eigentlich niemand ganz genau, was da passiert", warnte Nowotny.

"Die Vereinigten Staaten müssen dringende Maßnahmen ergreifen, um die kurzfristigen finanziellen Unsicherheiten anzugehen", erklärte der IWF-Lenkungsauschuss nach seiner Sitzung am Samstag in Washington. Ähnlich hatten sich bereits am Vortag die Finanzminister und Notenbankchefs der G-20-Staaten im Abschlusskommuniqué ihres Treffens geäußert, das am Rande der Herbsttagung von IWF und Weltbank in der US-Hauptstadt stattfand.

Auch wenn US-Präsident Barak Obama den Vorschlag der Republikaner, für die nächsten sechs Wochen wieder Kredite aufnehmen zu können, zurückweist, weil er dann in eineinhalb Monaten wiederum vor dem gleichen Dilemma stehen würde, ist laut Experten sicher, dass die Schuldengrenze erhöht werden wird: Offen bleibt, für welchen Zeitraum, und was dann passieren wird.

Sind die USA wirklich pleite?

Das Kuriose ist: Die USA sind alles andere als zahlungsunfähig. Sie erhalten von den Finanzmärkten weiter Geld – und das sehr günstig. Nur Deutschland und einige weitere Staaten können sich noch billiger verschulden. Das politische Gezerre führt aber dazu, dass keine Schulden gemacht werden dürfen. Offiziell pleite sind die USA, sobald sie einen Kredit oder offene Zinsforderungen nicht rechtzeitig zahlen. Wann dieser Moment erreicht sein wird, kann nicht einmal US-Finanzminister Jacob Lew sagen. Die Schuldenobergrenze wurde eigentlich schon im Mai durchbrochen, seither hielt sich die Regierung mit Umschichtungen im Budget über Wasser.

Wie würde es weitergehen, wenn sich die Parteien nicht einigen?

Dann müsste die Regierung entscheiden, welche Zahlungen am Wichtigsten sind. An erster Stelle stehen Zinsen und Altschulden: Eine Pleite soll möglichst lange vermieden werden. Halb so schlimm, finden einige Republikaner: Die Regierung sollte mit weniger auskommen und Prioritäten setzen. Bei 80 Millionen Schecks, die Washington pro Monat auszahlt, eine fast unmögliche Aufgabe. Und: Wer entscheidet, was wichtiger ist: Sozialhilfe oder Veteranen-Pensionen?

Was wäre so schlimm, wenn die USA ihre Schulden nicht sofort begleichen?

Aus Finanzmarktsicht wäre es der größte anzunehmende Unfall – womit niemand rechnet. US-Schuldenpapiere sind nämlich eine Art globaler Standard und im gesamten Finanzsystem als Sicherheiten üblich. Sie galten als Wertpapier mit geringstem Risiko und bester Verkaufsmöglichkeit – dank ihres Gesamtvolumens von 11.500 Milliarden Dollar.

Was wären die Folgen?

Der Vertrauensverlust wäre enorm. Werden viele US-Anleihen auf den Markt geworfen, verfällt ihr Kurs – das würde Anleger und Banken weltweit treffen. Wie nach Lehman drohen zudem irrationale Panikreaktionen – mit weltweiten Folgen. Womöglich würden Banken wieder Geld horten und die Kreditvergabe untereinander einstellen.

Ist jetzt schon ein Schaden feststellbar?

Den US-Unternehmen entgehen durch den Stillstand der Verwaltung Aufträge, es wird weniger konsumiert. Die Börsenkurse sind deutlich gefallen. Hingegen sind für die USA die Zinskosten gestiegen: Für Staatspapiere, die kurz nach dem 17. Oktober rückgezahlt werden müssen, hat sich die Rendite (quasi als „Risikoprämie“)verdreifacht – innerhalb von nur einer Woche.

Der frühere Bürgermeister Kwame Kilpatrick trägt diesmal nicht wie gewöhnlich einen maßgeschneiderten Anzug, sondern eine hellgrüne Gefängniskleidung mit kurzen Ärmeln. Der hochgewachsene Mann scheint wie in sich versunken. Seine Arme hat er vor sich auf den Tisch gelegt und starrt sie an. Nicht ein einziges Mal schaut er hoch zu Richterin Nancy Edmunds im Gerichtsgebäude in der Downtown von Detroit. Sie ist gerade dabei, Kilpatrick zu 28 Jahren Haft zu verurteilen. Es geht um Erpressung, Bestechung, Betrug, und andere kriminelle Geschäfte. Kilpatrick war ein aufstrebender Politiker – jetzt ist er zur tragischen Symbolfigur des Niedergangs von Detroit im Staat Michigan geworden.

Konkurs

Vergangenen Sommer hat die einst stolze Stadt der amerikanischen Autobauer Konkurs beantragt. Auch darüber wird ein Gericht entscheiden. Nächsten Monat soll die Entscheidung fallen.

USA: Nur ein kleiner Lichtblick im Budgetstreit
A woman walks next to the abandoned Packard Motor Car Company building, that ceased production in the 1950's, in Detroit, Michigan in this file photo from December 18, 2008. Detroit, which made the largest Chapter 9 municipal bankruptcy filing in U.S. history, on August 29, 2013, filed a request for proposals for $350 million in unprecedented financing, the city emergency manager's office said. REUTERS/Rebecca Cook/Files (UNITED STATES - Tags: BUSINESS EMPLOYMENT TRANSPORT)
In der US-Geschichte wurde nur ein anderer Beamter – der Landkreisverwalter Jimmy Dimora aus dem Nachbarstaat Ohio – zu 28 Jahren Haft wegen Erpressung verurteilt. Der berüchtigte Gouverneur von Illinois, Rod Blagojevich, der die frei werdende Senatoren-Stelle des PräsidentenBarack Obamaverkaufen wollte, kam mit 14 Jahren davon.

Kilpatrick kam aus einer angesehenen Familie lokaler Politiker, studierte Jus und stieg in der Demokratischen Partei schnell auf: Mit nur 31 Jahren wurde er Bürgermeister der Autometropole Detroit – von 2002 bis 2008. Die Korruptionsskandale begannen schon in seiner ersten Amtsperiode. Die zweite brachte er gar nicht erst zu Ende. Kilpatrick hatte eine Affäre mit einer Mitarbeiterin, verschwendete öffentliches Geld für Partys, Luxusurlaube und teure Autos für sich und seine Familie, die er sich, laut Gerichtsakten unmöglich mit seinem Bürgermeistergehalt leisten konnte. Dagegen kassierte er illegale Provisionen von Firmen für öffentliche Aufträge. Kilpatrick habe Detroit nicht in die Pleite gebracht, sagt Richterin Edmunds bei der Urteilsverkündung. „Größere soziale und wirtschaftliche Faktoren haben daran seit Jahrzehnten gewirkt. Aber Kilpatrick hat seinen Anteil daran.“

Gier

„Es geht um Gier“, meint der 52-jährige Postbeamte Jim, ein weißer Amerikaner, und schüttelt den Kopf. „So, wie das alles hier läuft, ist es nicht gut für diese Stadt und für dieses Land.“ Am Tag von Kilpatricks Verurteilung hat er frei, zieht sich sein weißes Hemd und die beste Hose an und kommt zum Gericht, um zu sehen, wie Kilpatrick ins Gefängnis geschickt wird. Jim ist zufrieden mit dem Urteil. „In letzter Zeit ist in diesem Land alles komisch geworden – die Regierung in der Hauptstadt Washington macht zu. Die Korruption überall ist einfach verrückt“, sagt er. Jims Familie war eine der ersten, die Detroit verlassen hat, um in die Vororte zu ziehen. Das war nach den Rassenunruhen 1967.

USA: Nur ein kleiner Lichtblick im Budgetstreit
General Motors Corp. world headquarters is seen from an old, mostly abandoned warehouse district in Detroit, Michigan March 31, 2009. General Motors and Ford Motor Corp. announced a new series of incentives covering payments of customers who lose their jobs, joining rivals in offering heavy discounts to attract customers sidelined by the recession. REUTERS/Rebecca Cook (UNITED STATES BUSINESS TRANSPORT)
Die Unruhen und der Niedergang der Autoindustrie nach dem Zweiten Weltkrieg, haben den Ruin in Gang gesetzt, sagt der Autor und gebürtige Detroiter Bill McGraw zum KURIER. Dazu kommen Jahrzehnte schlechter Stadtverwaltung und Korruption. „Es gibt nicht nur einen Grund, warum Detroit sich in der jetzigen Lage befindet“, sagt McGraw.

Nun steht die Stadt vor einem Schuldenberg von 18,5 Mrd. Dollar. Viele Jobs in der Industrie sind weg. Von den einst zwei Millionen Einwohnern sind 700.000 geblieben. Straßen, die früher voll Leben waren, werden von leeren und zerfallenen Häusern gesäumt. In vielen Stadtteilen ist die Kriminalität so hoch, dass sich dort nach Dämmerung niemand mehr hintraut. Die Polizei kann nichts dagegen tun, sie ist aus Geldmangel massiv reduziert worden.

Armut

Armut plagt die einst wohlhabende Stadt. „Manche stehen jeden Tag vor dem Dilemma, entweder Essen auf den Tisch zu stellen oder Geld für andere dringende Bedürfnisse zu zahlen“, sagt Shane Bernardo. Er arbeitet beim Wohltätigkeitsprojekt eines Kapuzinerklosters. Seit mehr als zwei Jahrzehnten geben sie in einer der schlimmsten Detroiter Gegenden gratis Mahlzeiten aus. „Zu uns kommen auch Menschen, die arbeiten, trotzdem aber nicht genug Geld zum Essen haben. Immer öfter sind das Junge“, erzählt Bernardo.

Fast alles in der Küche kommt aus dem eigenen Garten – einem Stadt-Bauernhof. Der liegt unweit von der berühmten Packard-Autofabrik, einem Symbol des Zerfalls Detroits. Der Bauernhof befindet sich auf einem verlassenen Stück Land. Eines der Treibhäuser steht an der Stelle, wo einst ein Greißler war. Aber Bernando glaubt an die Zukunft Detroits.

Darüber hat der jetzige Detroiter Bürgermeister Dave Bing, ein Demokrat, nichts zu sagen. Ende März hat ihn der Gouverneur von Michigan Rick Snyder, ein Republikaner, entmachtet und einen Notverwalter eingesetzt – Kevyn Orr. Der soll die Finanzen der Stadt sanieren. Kurz nach seiner Ernennung, Mitte Juli, beantragte Orr den Konkurs. Sollte dieser vom Richter angenommen werden, was jeder erwartet, können viele in der Stadt ihre Pensionen verlieren. Denn Pensionsfonds gehören zu den größten Schuldnern.

Kann sich die Stadt den Boykott leisten?

Was den Notverwalter angeht, gibt es auch Gerüchte. Gouverneur Snyder soll nicht genau wissen, wer die 4200 Dollar für die monatliche Unterkunft von Orr im Detroiter Westin Book Cadillac Hotel bezahlt, sowie dessen Flüge in den Heimatstaat Maryland weiter südlich. Ein enger Mitarbeiter des Verwalters soll ein lukratives Jahresgehalt von 100.000 Dollar beziehen. Die Frage ist, so sagen die Detroiter ironisch, ob sich die Stadt den Bankrott überhaupt leisten kann.

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