Nach Sieg der Separatisten in Katalonien droht Chaos

Umweht von Kataloniens Nationalflagge Estelada: Regierungschef Artur Mas
Stimmenmehrheit verfehlt.Spannungen in Koalition für die Unabhängigkeit von Spanien. Nur radikale Linke als Partner.

Nach der Wahl ist – ja vor was eigentlich? Am Tag nach den Regionalwahlen herrscht in der spanischen Region Katalonien vor allem Rätselraten? Das eigens für das Votum aus allen politischen Lagern zusammengestellte Wahlbündnis "Junts pel Si" ("Gemeinsam für ein Ja") hat erwartungsgemäß gewonnen. Reicht das für die Trennung von Spanien, und wenn ja, wann soll diese kommen? Der KURIER beantwortet die wichtigsten Fragen.

Wer hat eigentlich die Wahl gewonnen?

Das separatistische Wahlbündnis "Junts pel Si" ist zwar der Sieger, hat aber keine absolute Mandatsmehrheit. Man braucht also Koalitionspartner.

Wird "Junts pel Si" jetzt Katalonien regieren?

Das ist das Ziel des bisherigen katalanischen Regierungschefs Artur Mas. Doch sein Parteienbündnis ist eine wilde Mischung aus Bewegungen von links bis rechts plus unabhängigen Kandidaten und hat eigentlich nur ein gemeinsames Ziel: Die Unabhängigkeit von Spanien. Da man die absolute Mehrheit verfehlt hat, braucht das Bündnis weitere Unterstützung, um jetzt die Regierung zu übernehmen. Da kommen nur Kataloniens radikale Linke in Frage, die sind zwar auch für die Unabhängigkeit, lehnen aber den Wirtschaftsliberalen Mas komplett ab. Auch im Bündnis "Junts pel Si" zeigen sich schon erste Risse. Komplizierte Verhandlungen könnten drohen.

Wie reagiert die Zentralregierung in Madrid?

Die separatistischen Parteien – also inklusive der radikalen Linken – haben zwar eine absolute Mehrheit in Mandaten erreicht, haben aber insgesamt nur 47,8 Prozent der abgegebenen Stimmen erreicht. Die konservative Regierung in Madrid meint daher, das katalanische Volk habe sich gegen die Unabhängigkeit entschieden und schaltet daher auf stur. Man bleibt bei der Haltung, dass eine Abtrennung einer Provinz in der spanischen Verfassung nicht vorgesehen ist, und verbietet sie daher.

Wie geht es also weiter?

Artur Mas hat angekündigt, weiter so rasch wie möglich die Unabhängigkeit anzusteuern. Doch dazu muss er erst eine Regierung bilden, die vom Parlament in Barcelona abgesegnet wird. Dann erst könnte er die Unabhängigkeit dort beschließen lassen, was aber von Madrid nicht anerkannt würde – jetzt noch weniger als vor der Wahl. Es stehen, da sind sich politische Beobachter in Spanien einig, schwierige Verhandlungen an, an deren Ende vermutlich ein Kompromiss mit erweiterter Autonomie für Katalonien stehen könnte. Außerdem könnten die Parlamentswahlen in ganz Spanien im Dezember die politische Lage erneut komplett verändern.

Offiziell schweigen die EU-Granden zum Wahlsieg der Separatisten in Katalonien. "Das ist eine innerspanische Angelegenheit", sagte gestern der Sprecher der EU-Kommission. Wenige Tage vor den plebiszitären Regionalwahlen klang er noch ganz anders: "Nach einer einseitigen Unabhängigkeitserklärung würde Katalonien ein Drittstaat werden und automatisch aus der EU ausscheiden."

Nach Griechenland, Flüchtlingskrise und dem Konflikt in der Ukraine braucht die Europäische Union keine neuen Baustellen. Sie will keine gefährlichen Präzedenzfälle und keine Abenteuer, das ist die Haltung in Brüssel.

Juncker stärkt Rajoy

Und das drückte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker kürzlich diplomatisch aus: "Katalonien hat nicht das Recht, die Unabhängigkeit auszurufen, weil dies gegen die spanische Verfassung sei." Das heißt, Barcelona sollte nicht glauben, automatisch ein neuer EU-Staat werden zu können. Damit will Juncker seinem Parteifreund, dem spanischen Premier Mariano Rajoy, den Rücken stärken.

Sollte es Katalonien dennoch darauf anlegen, ein eigener Staat und EU-Mitglied werden zu wollen, ist das äußerst kompliziert. Alle EU-Mitglieder müssten einem Beitrittsantrag Kataloniens zustimmen. Dass Spanien das macht, wird ausgeschlossen, eine Abspaltung bekommt nie den Segen Madrids. Und auch andere Staaten sind mehr als skeptisch.

Rein theoretisch könnte ein unabhängiges Katalonien den Euro behalten, ähnlich wie Montenegro oder der Kosovo dies tun, die nicht der EU angehören. Allerdings hätte ein unabhängiges Katalonien keinen Einfluss auf die Währungspolitik der Eurogruppe und es würde auch keine Kredite von der Europäischen Zentralbank erhalten.

Von einem Tag auf den anderen fielen auch die fetten Subventionen an die Bauern weg ebenso wie EU-Förderungen an Unternehmen.

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