Schöne neue Orban-Welt

Ausländische Investitionen im Produktions-Sektor sind Ungarns Premier Viktor Orban willkommen – bei den Dienstleistern und Bauern macht er Druck auf Nicht-Ungarn
Ausländischen Banken und österreichischen Bauern bläst im anlaufenden Wahlkampf scharfer Wind der Regierung entgegen.

Wahlkampfzeit ist die Zeit der Feindbilder. Kommenden April wird in Budapest das Parlament neu gewählt, und Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban nimmt daher auch wieder ausländische Banken und österreichische Bauern auf ungarischem Boden ins Visier (siehe unten). Vor allem bei den Hunderttausenden Ungarn, die sich für eine Wohnung überschuldet haben, kommen die Verbalattacken und hohen Sonderabgaben für Banken gut an. Der national-konservative Premier und seine FIDESZ können darauf hoffen, mit Angriffen „gegen die ausländischen Einflüsse“ und „die Profitgier“ zu punkten.

Handelspartner

Die Klagen der österreichischen Geldinstitute über Bankensteuern und Auflagen zugunsten der ungarischen Kreditnehmer sind unüberhörbar. „Dabei wird in der medialen Berichterstattung aber gern übersehen, dass 99 Prozent unserer Unternehmen sehr glücklich in Ungarn sind“, sagt die österreichische Handelsdelegierte in Budapest, Erika Teomann-Brenner. „Ungarn ist ein sehr wichtiger Handelspartner für uns. Mit einem Volumen von knapp vier Milliarden Euro ist es unser siebtgrößter Exportmarkt in der Welt.“ Im Dienstleistungsbereich wolle der Staat zwar seine Hand drauf haben, „aber im Produktionssektor – dem A und O der ungarischen Wirtschaft – greift der Staat überhaupt nicht ein“, sagt Teomann-Brenner. Und dank der niedrigen Produktionskosten fänden die Unternehmer in Ungarn gute Bedingungen vor.

Martin Palansky ist einer von ihnen. Der Österreicher lässt in einer Fabrik nahe der nordostungarischen Stadt Eger bereits seit fast zwei Jahrzehnten Landhausmöbel herstellen. Über eine Verschlechterung seiner Produktionsbedingungen seit der Ära Orban, über Sonderauflagen oder gezielte Maßnahmen gegen seinen Betrieb kann Palansky nicht klagen. Sein Problem sei vielmehr, erzählt er dem KURIER, „dass ich ununterbrochen Mitarbeiter verliere, die ins Ausland gehen. Der bisher letzte hat gestern gekündigt.“ Österreich oder Deutschland locken mit viel höheren Löhnen, während der ungarische Durchschnittslohn umgerechnet rund 500 Euro pro Monat beträgt. Allein 2013 hat der österreichische Fabrikant rund ein Zehntel seiner Arbeitnehmer ans Ausland verloren.

Exodus

Fast eine halbe Million Ungarn arbeitete im Vorjahr fern der Heimat. Zusammen haben sie knapp zwei Milliarden Euro nach Hause überwiesen – wo die wirtschaftliche Lage nach wie vor schwierig bleibt. Mit der Einführung einer Flat-Tax von 16 Prozent hatte die Orban-Regierung gehofft, den Konsum im Land wieder anzukurbeln. Doch der größte Effekt war ein Riesenloch im Budget. Mehr denn je drehen die Ungarn heute ihre schwer verdienten Forint drei Mal um, bevor sie sie ausgeben, denn 80 Prozent der Haushalte profitierten von der Steuerreform nicht oder haben gar noch weniger als zuvor. „Nur das reichste Zehntel der Haushalte hat heute mehr Geld als vor der Steuerreform“, sagt Ungarn-Experte Sandor Richter vom Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche.

Milliarden einkassiert

Formal gesehen sei Orban in seiner Regierungszeit die Konsolidierung des schwer defizitären ungarischen Budgets geglückt – „zu einem fragwürdigen Preis“, sagt Richter. Die fehlenden Milliarden wurden geholt, wo die Regierung meinte, sie leicht einkassieren zu können – mit Sonderabgaben bei Finanzdienstleistern, ausländischen Großhandelsketten, Energieunternehmen und nicht zuletzt bei der höchst umstrittenen Verstaatlichung des privaten Pensionskassenvermögens.

Auch wenn die Rezession überwunden ist, sieht Wirtschaftsexperte Richter aber dank Orbans unorthodoxer Wirtschaftspolitik „keine Bedingungen für ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum“. Nach wie vor zweifelten ausländische Investoren an der „Glaubwürdigkeit der Regierung, an der Berechenbarkeit des Wirtschaftens und der Rechtssicherheit in Ungarn“, sagt Sandor. „Man weiß nie, was von der Orban-Regierung kommt, und für die Wirtschaft ist das ganz schlecht.“

Bei Österreichs Bauern brennt der sprichwörtliche Hut – zumindest bei jenen, die in Ungarn Ackerflächen bewirtschaften. Laut einem neuen Gesetz sollen sie ihre Nutzungsrechte mit 1. Mai 2014 verlieren. Wie viele der 200 österreichischen Landwirte, die insgesamt 200.000 Hektar in Ungarn bearbeiten, betroffen sind, wird evaluiert. Die Aufregung ist groß.

Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter wollte die Agrarmesse Grüne Woche in Berlin dazu nutzen, seinen ungarischen Amtskollegen Sandor Fazekas in der Causa zu treffen. „Er ist aber nicht da und hat auch keinen hochrangigen Vertreter geschickt“, ärgerte sich Rupprechter am Freitag in Berlin. Die geplante Aufkündigung der Verträge sei „nicht zu akzeptieren“ und eine „Enteignung“. Rupprechter: „Ich werde Fazekas nach Wien einladen und stoße für ein Gespräch auch gern in die ungarischen Tiefebenen vor.“ Zumindest in den Messehallen von Berlin ist Rupprechter schon am Freitag bis Ungarn vorgestoßen. Am Stand der Landesvertretung stellte ihm ein Staatssekretär des ungarischen Landwirtschaftministeriums für Februar ein Gespräch auf Ministerebene in Aussicht.

Seinen Ärger über das neue Gesetz in Ungarn hat Rupprechter auch in Brüssel deponiert. Er habe EU-Landwirtschaftskommissar Ciolos gesagt, dass er „die Kommission in die Pflicht nehmen“ werde. Es handle sich schließlich um ein EU-Thema. „Auch unsere Nachbarn müssen sich an EU-Recht halten“. Im Gespräch ist ein gemeinsames Vorgehen mit der Slowakei, Rumänien, Italien und Frankreich – die ebenfalls betroffen sind. Heute Samstag, ist ein Treffen mit dem französischen Agrarminister angesetzt.

Honig zum Frühstück

Auf der Grünen Woche geht es freilich auch um andere Themen. Bienen etwa. Sloweniens Agrarminister lud Rupprechter am Messestand zu einer Honigverkostung ein. Gemeinsam wollen sich die Amtskollegen in der EU-Kommission für die Förderung eines Honigfrühstücks in Schulen – nach dem Vorbild der Schulmilch – starkmachen. Darauf prosteten sie sich mit Honig-Sekt zu. „Na Zdravje! Zum Wohl!“

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