Häftlinge produzieren Nazi-Symbole

Bilder mit Nazi-Motiven gehören in ungarischen Gefängnissen zum Zeitvertreib ihrer Insassen.
Ein ehemaliger Insasse einer Justizanstalt in Budapest erzählt dem KURIER, womit Häftlinge ihre Zeit verbringen.

Einfacher Holztisch, zwei Sesseln: Wir sitzen in einem engen Glaskobel einer österreichischen Justizanstalt.

Herr PJR (der volle Name ist dem KURIER bekannt, Anm.) hat einige Erfahrungen mit dem Leben in Haftanstalten , auch in Ungarn, wo er bis vor Kurzem noch war. Der 55-Jährige hat eine Plastiktasche mit Unterlagen bei sich und einen Sack voll bunter Garne.

Er ist nervös, fühlt sich ständig beobachtet und erzählt hastig über die Alltagsbeschäftigungen in einem Budapester Gefängnis. Aufseher lassen Handarbeiten mit verschiedenen Nazi-Symbolen anfertigen. Der KURIER ist im Besitz eines Originals dieser seltsamen Werke. Auf rotem Hintergrund sieht man einen goldenen Reichsadler und ein Hakenkreuz, das mit Eichenlaub verziert ist (siehe Foto). Es gibt aber auch noch andere Motive: Totenköpfe mit Runenschrift zum Beispiel.

Schläge auf den Kopf

"Wir bekamen einen dicken Karton, auf dem die verschiedenen Motive mit Bleistift gezeichnet waren. Dann mussten wir mit Garnfäden die Flächen ausfüllen. Die Fäden wurden auf das Papier geklebt", erklärt PJR die Details der Handarbeiten. Der Nylonsack mit den Garnen, den er nach Österreich mitgenommen hat, soll das beweisen.

"Mit den Nazi-Handarbeiten wollte ich nichts zu tun haben, ich habe mich geweigert, die Bilder zu machen." Dafür gab es Schläge auf den Kopf und in den Bauch. Jene Häftlinge, die mit den Nazi-Bildern kein Problem hatten, wurden sehr gut behandelt. "Die bekamen ein gutes Zeugnis und wurden auch früher entlassen."

Was ungarische Justizbeamte mit den Werken machen, oder wer die Auftraggeber sind, weiß PJR nicht. Er beobachtete, dass Häftlingen die fertigen Stücke sofort abgenommen wurden. "Die Bilder mit den Nazi-Symbolen wurden rasch eingesammelt und weggebracht, sie lagen nie herum." Angeblich "schmücken" diese Arbeiten die kahlen Büros der Budapester Justizanstalt, erzählt PJR. "Ich nehme an, dass es Jobbik-Leute sind, denen diese Bilder gefallen." Jobbik ist eine rechtsextreme Partei und derzeit die drittstärkste Kraft im ungarischen Parlament.

Teddybären

Als Beschäftigungstherapie wurden nicht nur Nazi-Bilder, sondern auch Werke mit niedlichen Motiven angefertigt: "Teddybären, Weihnachtsmänner, Zwerge und Rosensträuße." Auch diese Vorlagen hat PJR bei sich.

Ein Gefängnispfarrer kann auf KURIER-Anfrage nicht bestätigen, dass er von diesen Nazi-Arbeiten Kenntnis hat. Aber: "Herr PJR fantasiert sich das nicht zusammen." Sozialarbeiter und Menschenrechtsexperten, die Einblick in das Innere von ungarischen Gefängnissen haben, halten die Schilderungen von PJR für realistisch.

"Niemand redet im Gefängnis darüber, niemand erzählt es Besuchern, weil jeder Angst vor Schlägen und Gewalt hat", sagt PJR. In einem Gefängnis in Österreich wagt er es, darüber zu reden.

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