Putin: Lösung der Krise in Aussicht

Russischer Präsident hält Einigung zwischen Kiew und Rebellen noch in dieser Woche für möglich. Kiew lehnt den Plan aber ab.

Der russische Präsident Wladimir Putin hält eine Vereinbarung zwischen der ukrainischen Regierung und den Separatisten im Osten des Landes noch in dieser Woche für möglich. Ein Abkommen zur Lösung der Krise könnte bis Freitag gefunden werden, sagte Putin am Mittwoch gegenüber der staatlichen Nachrichtenagentur Ria Nowosti.

In Form eines Sieben-Punkte-Plans soll die Einigung herbeigeführt werden. Dafür nannte das russische Staatsoberhaupt eine Reihe von Bedingungen, so müsse etwa die ukrainische Militäroperation im Osten des Landes gestoppt und internationale Beobachter entsandt werden. Zudem sei ein Austausch von Gefangenen sowie die Errichtung humanitärer Korridore für Flüchtlinge und Hilfslieferungen Voraussetzung für eine Einigung, erklärte Putin. Seine Ansichten und die des ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko dazu lägen nahe beieinander.

Kiew lehnt ab

Die prowestliche Regierung in Kiew hat einen Sieben-Punkte-Plan allerdings abgelehnt. "Das ist ein Plan zur Vernichtung der Ukraine und zur Wiederherstellung der Sowjetunion", sagte Ministerpräsident Arseni Jazenjuk am Mittwoch in Kiew.

Die Aufständischen reagierten hingegen positiv auf Putins Erklärung. Die "Volkswehr" sei bereit, die Kämpfe einzustellen, wenn sich die Regierungseinheiten zurückziehen würden, sagte Separatistenführer Miroslaw Rudenko in Donezk. Ein möglicher Gefangenenaustausch könne beim nächsten Treffen der Ukraine-Kontaktgruppe besprochen werden.

Verwirrung um Waffenruhe

Kurz davor wurde noch über eine mögliche Waffenruhe im Osten des Landes gestritten. Der russische Präsident hat nach Kremlangaben keinen Waffenstillstand mit dem ukrainischen Staatschef Petro Poroschenko im Konfliktgebiet Donbass vereinbart. Russland könne solche Vereinbarungen nicht treffen, weil es keine Konfliktpartei sei, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der Staatsagentur Ria Nowosti am Mittwoch.

Die ukrainische Präsidialverwaltung hatte zuvor von einer vereinbarten Waffenruhe gesprochen. Ruderte anschließend aber zurück: Die Behörde strich den Zusatz "dauerhaft" und informierte nur noch von einem vereinbarten "Regime der Feuerpause", wie am Mittwoch auf der Internetseite des Präsidentenamtes zu sehen war. Sollte Putin tatsächlich mit Poroschenko eine Waffenruhe vereinbart haben, wäre dies das erste offizielle Eingeständnis einer russischen Beteiligung an dem Konflikt.

Die EU-Kommission hat trotz der Annäherung zwischen Poroschenko und Putin den Mitgliedsstaaten einen Vorschlag für verschärfte Russland-Sanktionen vorgelegt.

Obama empfängt Poroschenko

Ungeachtete dessen zeigten sich die Separatisten in der Konfliktregion Donbass am Mittwoch zu Gesprächen über eine politische Lösung der Auseinandersetzung bereit. Die Separatisten meldeten zudem, ukrainische Soldaten würden sich schon aus Donbass zurückziehen. Bereits in der Nacht hätten sie bedeutende Truppenbewegungen beobachtet, teilten die Aufständischen mit.

US-Präsident Barack Obama hat sich in einer ersten Reaktion zurückhaltend zu Berichten über eine mögliche Waffenruhe in der Ostukraine geäußert. Es sei für eine eingehende Bewertung noch zu früh, sagte Obama am Mittwoch bei einem Besuch in Estland (siehe unten). Eine Einigung sei ohnehin nicht möglich, solange Russland weiter als Separatisten getarnte Soldaten in die Ostukraine schicke.

Er verkündete aber später, dass er den ukrainischen Staatschef Petro Poroschenko noch dieses Monat im Weißen Haus empfangen wolle. Zugleich betonte er, dass der "dreiste Angriff auf die Unversehrtheit der Ukraine" von Russland ausgehe. Die Rechte der Ukrainer könnten ihnen nicht einfach mit roher Gewalt genommen werden.

Mauer an Grenze geplant

Die ukrainische Regierung plant indes entlang der rund 2.000 Kilometer langen Staatsgrenze zu Russland den Bau einer Mauer. "Wir wollen einen echten Schutz", sagte Ministerpräsident Arseni Jazenjuk am Mittwoch in Kiew. Denkbar sei auch ein Elektrozaun mit Minen und Stacheldraht. Das Projekt soll etwa 100 Millionen Euro kosten. In ihrem Kampf gegen prorussische Separatisten hat die Regierung in Kiew derzeit die Kontrolle über einen Teil der Grenze in der Ostukraine verloren. Die prowestliche Führung wirft Moskau vor, hier Nachschub für die Aufständischen einzuschleusen.

In Minsk kein Durchbruch

Ein Treffen Putins mit Poroschenko in der weißrussischen Hauptstadt Minsk in der vergangenen Woche hatte zunächst keinen Durchbruch in dem Konflikt gebracht.

Dieser hatte sich in den vergangenen Tagen sogar noch zugespitzt. Insbesondere wirft die ukrainische Regierung Moskau vor, immer mehr Soldaten in die Region zu schicken, um die prorussischen Separatisten im Kampf gegen die Regierungstruppen zu unterstützen. Moskau weist die Vorwürfe zurück.

Die Märkte reagierten international erleichtert auf die Meldungen über eine Waffenruhe. Die Indizes Dax und EuroStoxx50 verdoppelten ihre Kursgewinne auf jeweils mehr als ein Prozent. Der Euro stieg binnen Minuten auf 1,3150 Dollar von 1,3125 Dollar. Der Moskauer Aktienindex RTS gewann 4,1 Prozent und der Micex 2,8 Prozent.

Russisches Großmanöver

Ungeachtet der offenbaren Annäherung kündigte das russische Verteidigungsministerium für September ein Großmanöver an. Wie die Nachrichtenagentur RIA am Mittwoch meldete, sollen daran Streitkräfte teilnehmen, die für das nukleare Langstreckenraketen-Arsenal Russlands zuständig sind. Im Gespräch sind demnach mehr als 4.000 Soldaten und etwa 400 technische Einheiten.

US-Präsident Barack Obama ist in Tallinn eingetroffen: Obama hat die Entsendung weiterer Soldaten der Luftwaffe und Flugzeuge in das Baltikum angekündigt. Diese sollen zu Übungszwecken am estnischen Militärstützpunkt Ämari stationiert werden, sagte Obama nach einem Treffen mit dem estnischen Präsidenten Toomas Hendrik Ilves am Mittwoch in Tallinn. Zahlen nannte er nicht.

Der Kongress in Washington muss dem Schritt allerdings noch zustimmen. Ende April hatten die USA vor dem Hintergrund der Ukraine-Krise eine Entsendung von rund 600 Soldaten ins östliche Mitteleuropa angekündigt, die an Militärübungen in Polen, Litauen, Lettland und Estland teilnehmen sollen. 150 davon sind in Estland stationiert und sollen voraussichtlich bis Ende des Jahres bleiben. Im Juni hatte Obama in Warschau außerdem bis zu eine Milliarde Dollar (761 Millionen Euro) zur Stärkung der militärischen Sicherheit in Ostmitteleuropa zugesagt, auch dieses Geld muss der US-Kongress noch freigeben.

Geplant war auch ein Treffen Obamas mit Ilves und den Präsidenten Lettlands und Litauens, Andris Berzin und Dalia Grybauskaite. Nach einer Rede Obamas im Konzerthaus Nordea und einer Ansprache vor Soldaten sollte Obama am Abend zum NATO-Gipfel nach Newport (Wales) weiterreisen.

Verwirrung um Waffenruhe: Obama zurückhaltend

Obama hat sich in einer ersten Reaktion zurückhaltend zu Berichten über eine mögliche Waffenruhe in der Ostukraine geäußert. Es sei für eine eingehende Bewertung noch zu früh, sagte Obama. Eine Einigung sei ohnehin nicht möglich, solange Russland weiter als Separatisten getarnte Soldaten in die Ostukraine schicke. Der Präsident rief die Staatengemeinschaft auf, kurzfristig der Wirtschaft der Ukraine unter die Arme zu greifen. Zudem müssten die NATO-Staaten jeweils einen fairen Anteil zu den Verteidigungsausgaben leisten.

Das ukrainische Präsidialamt hatte zuvor von einer Einigung auf eine "permanente Waffenruhe" im Osten der Ukraine berichtet, dies später jedoch auf "Feuerpause" korrigiert. Moskau hatte umgehend erklärt, keine Vereinbarung über einen Waffenstillstand treffen zu können, da Russland keine Konfliktpartei sei.

Obama besucht Estland vor dem zweitägigen NATO-Gipfel ab Donnerstag in Wales. Estland, Lettland und Litauen sind Mitglieder der NATO und der Europäischen Union. Die ehemaligen Sowjet-Staaten haben russische Minderheiten und sind stark von Energielieferungen des großen Nachbarn abhängig.

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