Roth: "Sanktionen sind kein Selbstzweck"

„Wir sind bereit, die Lasten der Sanktionen zu tragen“: Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Roth
Interview: Der SPD-Minister plädiert für Russland-Gespräche.

EU, Ukraine und Antisemitismus waren Themen, die der deutsche Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Roth, am Dienstag in Wien besprach. Er traf Außenminister Sebastian Kurz, Vizebürgermeisterin Renate Brauner und den Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde, Oskar Deutsch.

KURIER: Herr Minister, was ist von den Außenminister-Gesprächen zur Ukraine zu erwarten?

Michael Roth: Angesichts der dramatischen Lage in der Ost-Ukraine und des angespannten Verhältnisses zwischen Kiew und Moskau ist jedes Gespräch ein Gewinn. Die EU muss dabei geschlossen auftreten. Auf dem Weg zu einem Waffenstillstand gibt es noch viele strittige Punkte: Allen voran die Modalitäten der Grenzsicherung in der Ost-Ukraine.

Die Ukraine hat den Westen um Militärhilfe ersucht. Ist die Ukraine ein NATO-Fall?

Die Ukraine gehört nicht zur NATO. Eine militärische Reaktion steht nicht in Rede. Wir betreiben die politische Lösung.

Gibt es die Gefahr der russischen Invasion?

Wir müssen festhalten, dass das Vertrauen nachhaltig gestört ist, weil viele Vereinbarungen und Verabredungen nicht eingehalten wurden. Durch die Sanktionen haben wir ein klares Signal gesetzt. Die EU lässt sich nicht auseinanderdividieren.

Was bedeuten die Gegenmaßnahmen Russlands für die europäische Wirtschaft?

Die Auswirkungen lassen sich noch nicht im Einzelnen absehen. Wir sind aber bereit, die Lasten von Sanktionen zu tragen. Innerhalb der EU haben wir uns zu Solidarität verpflichtet. Wir wollen, dass aus den Sanktionen heraus eine Dynamik für einen politischen Prozess entsteht, dass wir in den Verhandlungen mit Russland vorankommen. Sanktionen sind ja kein Selbstzweck.

Wie steht es um die Rechte der russischsprachigen Minderheit in der Ost-Ukraine?

Wir drängen darauf, dass Kiew die Menschen in der Ost-Ukraine einbindet. Dazu müssen der nationale Dialog und die runden Tische fortgesetzt werden, dazu bedarf es einer Verfassungsreform.

Wird die italienische Außenministerin die neue Hohe Beauftragte für die Außenpolitik?

Wir brauchen eine starke Persönlichkeit. Es gibt eine Reihe veritabler Kandidaten.

Hat Berlin Präferenzen?

Das Personalpaket muss ausbalanciert sein. Es braucht eine angemessene Frauen-Repräsentanz. Eine EU-Führungsspitze ohne angemessene Vertretung aus Mittel- und Osteuropa ist unvorstellbar.

Es gibt eine Zunahme von Antisemitismus in der ganzen EU. Macht die EU genug dagegen?

Wir machen sicher noch nicht genug, sonst wären wir nicht in dieser besorgniserregenden Situation. Die EU kann nur glaubwürdig gegenüber autoritären Staaten auftreten, wenn wir keinerlei Zweifel daran lassen, dass wir unsere eigenen Werte im Geist und im konkreten Handeln strikt befolgen.

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