Tunesien wählt - Beteiligung mittelmäßig

Im Geburtsland des Arabischen Frühlings wird eine Stichwahl im Dezember erwartet.

Fast vier Jahre nach der Jasminrevolution stimmen die Tunesier erstmals bei einer demokratischen Direktwahl über ihren Präsidenten ab. Die besten Chancen hat nach Umfragen der säkulare Kandidat Beji Caid Essebsi (87). Die islamistische Ennahda hat keinen Kandidaten ins Rennen geschickt, um das Land nicht weiter zu spalten. Es wird mit einer Stichwahl am 28. Dezember gerechnet

Dass einer der 27 Bewerber, von denen mindestens vier bereits ihren Rückzug angekündigt haben, schon in der ersten Runde die absolute Mehrheit erreicht, gilt nämlich als unwahrscheinlich. Die von Regierungschef Mehdi Jomaa als "historisch" bezeichnete Wahl stand unter strengen Sicherheitsvorkehrungen, da Störaktionen oder gar Anschläge islamistischer Milizen befürchtet wurden. Zehntausende Polizisten und Soldaten wurden als Wachen abgestellt.

Die Abstimmung soll den Übergangsprozess zur Demokratie in Tunesien vollenden, der nach dem Sturz von Machthaber Zine El Abidine Ben Ali im Frühjahr 2011 eingeleitet worden war. Bekommt kein Präsidentschaftskandidat im ersten Durchgang eine absolute Mehrheit, folgt Ende Dezember eine Stichwahl.

Verzögerungen

Noch vor Öffnung der Wahllokale bildeten sich am Sonntag Warteschlangen in der Hauptstadt Tunis, sie waren aber kürzer als noch bei der Parlamentswahl vor einem Monat. Aus anderen Teilen des nordafrikanischen Landes zeigte das tunesische Fernsehen nur eine mittelmäßige Wahlbeteiligung.

In einigen Gebieten nahe der Grenze zu Algerien gab es nach Angaben der Wahlkommission wegen der schwierigen Sicherheitslage Verzögerungen. Dort sollten die Wahllokale erst zwei Stunden nach dem offiziellen Beginn des Wahltags öffnen. "Diese Gegenden liegen an der Front im Kampf gegen die Terroristen in den Bergen", hieß es. Die Grenze zum Krisenland Libyen wurde bereits im Voraus gesperrt.

Der säkulare Kandidat Essebsi gab eine halbe Stunde nach Öffnung der Wahllokale in einer von der Polizei massiv abgesicherten Schule in einem Vorort von Tunis seine Stimme ab. "Hoch lebe Tunesien" riefen einige der Anwesenden.

Seine Anhänger wünschen sich vor allem Sicherheit und wirtschaftlichen Aufschwung und deswegen einen "erfahrenen" Präsidenten. So auch Sauda, eine ältere Frau, die in einem Mittelklassestadtteil von Tunis ihre Stimme abgab. Sie habe auch unter dem gestürzten Langzeitpräsidenten Zine El Abidine Ben Ali an Wahlen teilgenommen. "Das hier ist etwas ganz anderes", sagt sie. "Wir haben wirklich die Wahl."

Eine Kandidatin

Neben Essebsi sind der derzeitige Übergangsstaatschef Moncef Marzouki sowie der Linkspolitiker Hamma Hammami die wichtigsten Kandidaten im Rennen. Der einzigen Frau unter den Bewerbern, Richterin Kalthoum Kannou, werden wenig Chancen vorausgesagt. Insgesamt waren mehr als fünf Millionen registrierte Wahlberechtigte zur Teilnahme aufgerufen.

Tunesien ist das Geburtsland des Arabischen Frühlings. Nach dem Sturz von Langzeitherrscher Ben Ali Anfang 2011 begannen auch in Ägypten, Libyen, Syrien und anderen Ländern Massenproteste.

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