Türkei-Gipfel soll Schengen-System retten

Strenge Kontrollen an Europas Rändern sollen freies Reisen weiterhin ermöglichen.

Kein Tag vergeht, wo sich nicht eine prominente Stimme zum Ablaufdatum des Schengen-Systems meldet – aber auch zur Rettung des selben. Am Freitag war es Eurogruppen-Vorsitzender Jeroen Dijsselbloem, der Schengen mit seinen offenen Grenzen kaum noch eine Überlebenschance gibt: "Ich bin nicht sehr optimistisch", sagte er dem Handelsblatt.

Wenn die Grenzen offen bleiben und der Flüchtlingsstrom anhält, könne der Sozialstaat nicht aufrecht erhalten bleiben, argumentierte der niederländische Finanzminister. Außerdem fehle es an Solidarität in der EU und an politischem Willen, die Flüchtlinge gerechter zu verteilen und die EU-Außengrenzen besser zu schützen.

Die Kontrolle der Außengrenze soll durch die enge Zusammenarbeit mit der Türkei entschieden verbessert werden, heißt es in Brüssel. "Der Türkei-Gipfel am Sonntag ist ein Meilenstein für den effizienten Schutz der EU-Außengrenze und für die Eindämmung der Flüchtlingsströme", sagt ein hoher Diplomat. Das Treffen der 28 Staats- und Regierungschefs mit der Türkei wird ein "heimlicher Schengen-Gipfel".

Bereits vor Tagen stellte Kanzlerin Angela Merkel einen engen Zusammenhang zwischen dichter Außengrenze, Solidarität bei der Aufteilung der Flüchtlinge und der Rettung des Schengen-Systems her. EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker ging noch weiter: Bei einem Schengen-Aus wäre auch der Euro als Gemeinschaftswährung in Gefahr, warnte er im EU-Parlament.

Klagen der Wirtschaft

Von einem Ende des Schengen-Systems will auch Österreichs Vizekanzler Reinhold Mitterlehner nichts wissen. Mit Spekulationen über ein Ende wolle er "die öffentliche Diskussion nicht weiter befeuern". Der freie Personen- und Warenverkehr sowie der Wegfall der Grenzkontrollen gehören zu den "größten Errungenschaften der EU", sagte der Wirtschaftsminister zum KURIER. Schon jetzt gebe es durch die temporäre Einführung von Grenzkontrollen im Zuge der Flüchtlingskrise "enorme Einschränkungen für die Wirtschaft und für den Tourismus", beklagte Mitterlehner.

Nichts hält der ÖVP-Politiker von der niederländischen Forderung nach einer Art Mini-Schengen, an dem die Benelux-Staaten, Deutschland, Österreich und Schweden teilnehmen. Beamte würden im Hintergrund darüber schon verhandeln. Ein entschiedenes Nein zu der Idee aus Den Haag für ein Mini-Schengen kam gestern auch aus Berlin. "Unser Ansatz ist ein anderer. Unser Ansatz ist der Versuch, das Schengen-System in der gegenwärtigen Form zu erhalten", sagte der Sprecher von Merkel. Die Bundeskanzlerin arbeite intensiv daran, die Außengrenzen der EU besser zu schützen. Und dafür diene auch der Gipfel mit der Türkei am Sonntag.

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