TTIP: Freihandel mit Fragezeichen

Proteste gegen das EU-Freihandelsabkommen mit den USA (TTIP) erhalten Unterstützung: Deutschland lehnt Abkommen mit Kanada ab.
Abkommen EU/USA. Kritik an "Geheimverhandlungen", Warnung vor Chlorhühnern.

Es hätte wohl günstigere Termine gegeben: Am Montag wurden in den USA die Gespräche zum transatlantischen Freihandelsabkommen (Transatlantic Trade and Investment Partnership, kurz: TTIP) fortgesetzt. Und ausgerechnet in der Woche der EU-Wahl steht in der fünften Runde einer der heikelsten Punkte auf der Agenda: Der umstrittene Investorenschutz. "Das zeigt, wie wenig ernst die EU-Kommission die Bedenken der Bürger nimmt", sagt Martin Häusling, EU-Abgeordneter der deutschen Grünen.

Die Kritik passt zu dem, was man im EU-Wahlkampf über das Freihandelsabkommen gehört hat. Alle Parteien äußerten sich zurückhaltend bis ablehnend: Geheimverhandlungen hinter verschlossenen Türen fänden hier statt. Dazu kommt die Warnung, mit dem Handelsabkommen würden – Stichwort: Chlorhühner – Lebensmittel- und andere Standards in Europa gesenkt.

Mit dem Wirbel um einige wenige Details ist der Blick aufs große Ganze etwas verloren gegangen – und mit ihm die anfängliche Euphorie: Immerhin sollen EU-Staaten von TTIP jährlich mit 119 Milliarden Euro profitieren.

In der EU-Kommission, die die Verhandlungen für die Mitgliedsstaaten führt, will man die Aufregung nicht so recht verstehen: Es liege in der Natur der Sache, dass bei derartigen Verhandlungen nicht alle Dokumente sofort öffentlich seien. "Das ist wie beim Autokauf", sagt ein EU-Diplomat: "Feilschen hat nur Sinn, wenn der andere meinen Spielraum nicht kennt."

Staaten entscheiden

Am Ende der Verhandlungen soll das Ergebnis offengelegt werden – bevor die Mitgliedsstaaten ihren Sanktus geben. Aller Voraussicht nach müssen auch noch alle nationalen Parlamente zustimmen.

Vor Chlorhühnern fürchtet man sich in Brüssel nicht – sie werden wohl mit oder ohne TTIP nicht nach Europa fliegen. Gentechnisch behandelte Lebensmittel dürfen schon heute in der EU verkauft werden, wenn sie gekennzeichnet sind – auch das wird sich nicht ändern. Überhaupt, heißt es in der Kommission, werde es am Ende kein Absenken von Standards geben. Ziel sei vielmehr, Standards, die heute schon auf gleichem Niveau liegen, gegenseitig anzuerkennen.

Bleibt der umstrittene Investorenschutz, der ausländische Investoren vor Diskriminierung und Enteignung bewahren soll. Derartige Klauseln sind bei Handelsabkommen Standard, haben in den letzten Jahren aber für Aufsehen gesorgt: Tabakkonzerne klagten gegen Rauchergesetze, Energiekonzerne gegen den Atomausstieg. EU-Diplomaten räumen einen Kultur-Unterschied ein – in Europa würde man länger verhandeln, in den USA schneller klagen. Doch gerade wegen der Klagen der letzten Jahre würde man sich bei TTIP "sicher nicht klagswütigen US-Konzernen ausliefern".

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