Tourismus in Türkei in der Terrorfalle

Tourismus in Türkei in der Terrorfalle
Amerikaner und Israelis sehen Gefahr vor allem für Antalya und Istanbul.

Selten waren Lokale und Restaurants im Istanbuler Ausgehviertel Beyoglu so leer wie in diesem Frühjahr. "Jedes Wochenende dasselbe", seufzte ein Wirt am Samstagabend. "Immer dann kommen die Terrorwarnungen." Diesmal waren es Hinweise der Regierungen Israels und der USA, die Touristen und Einheimischen am Bosporus die Laune verdarben. Einige Bars blieben gleich ganz geschlossen, in anderen saßen nur ein paar Stammgäste.

Die Angst vor neuen Anschlägen ist nach vier blutigen Attentaten groß: Im März sprengte sich ein mutmaßlicher Anhänger des "Islamischen Staates" (IS) auf der belebtesten Einkaufsstraße Istanbuls, der Istiklal Caddesi, in die Luft und riss drei Israelis sowie einen Iraner mit in den Tod. Im Februar und März verübten kurdische Extremisten zwei Autobombenanschläge in Ankara mit insgesamt mehr als 60 Toten. Und im Jänner starben zwölf deutsche Touristen bei einem IS-Anschlag in der Altstadt von Istanbul.

Drohendes Desaster

Die Gewalt hat die Buchungen in dem für die türkische Wirtschaft wichtigen Tourismussektor einbrechen lassen, doch es könnte noch schlimmer kommen. Das US-Konsulat in Istanbul warnte am Samstag vor "glaubhaften Drohungen" gegen touristische Ziele in der Türkei. Dazu zählten besonders belebte Plätze und Häfen in Istanbul und Antalya – ein Anschlag in der südtürkischen Urlauberhochburg würde dem Fremdenverkehr für dieses Jahr wohl den Rest geben.

Einen Tag vor Veröffentlichung der US-Warnung hatte Israel seine Bürger aufgerufen, die Türkei so schnell wie möglich zu verlassen. Schon vor dem Istanbuler Anschlag vom März hatten diverse westliche Staaten Terrorwarnungen für die Türkei herausgegeben, was von den türkischen Behörden teilweise als Panikmache kritisiert worden war.

Diesmal reagieren die türkischen Sicherheitskräfte mit äußerster Vorsicht. Am Taksim-Platz in Istanbul wurde Samstagabend ein verdächtiges Paket gesprengt, das sich später als harmlos herausstellte; am Sonntag sperrte die Polizei nach dem Fund eines anderen mysteriösen Behälters eine Brücke über das Goldene Horn. Ein kleinerer Sprengsatz im Geschäftsviertel Mecidiyeköy verletzte drei Menschen leicht. In der ganzen Stadt verstärkte die Polizei die Kontrollen.

Der 171. Jahrestag der Gründung der türkischen Polizei am Sonntag galt bei Experten als möglicher Anlass für neue Terroranschläge – neben der kurdischen PKK zielt auch die linksextreme Gruppe DHKP-C immer wieder auf die Sicherheitskräfte. Beide Organisationen setzen Selbstmordattentäter ein. Auch der IS hat der Türkei den Kampf angesagt.

Ein weiterer Grund für die verstärkten Sicherheitsvorkehrungen am Sonntag war die geplante Einweihung des neuen Fußballstadions des Spitzenclubs Besiktas in der Istanbuler Innenstadt unter Beteiligung von Präsident Erdogan und Ministerpräsident Davutoglu. Zur Feier waren Politiker und Funktionäre eingeladen, die Fans mussten draußen bleiben.

Deutschland im Visier

Deutschland, das seine Einrichtungen in der Türkei nach Terrorhinweisen vorübergehend geschlossen hatte, ist äußerst vorsichtig. Es sei klar, dass deutsche Städte so wie Paris oder Brüssel auf der Liste des IS stünden, sagt der deutsche Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen. Erkenntnisse über konkrete Anschlagspläne lägen aber nicht vor. Laut Welt am Sonntag suchen deutsche Sicherheitsdienste derzeit 76 mutmaßlich gewaltbereite Islamisten per Haftbefehl.

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