15.000 Soldaten vor Einmarsch

Einsätze in Syrien und im Irak: Das türkische Parlament soll am Donnerstag über ein Entsendegesetz beraten.

Das Mausoleum eines mittelalterlichen Herrschers könnte das NATO-Mitglied Türkei schon bald in eine direkte militärische Auseinandersetzung mit der Dschihadisten-Miliz „Islamischer Staat“ (IS) in Syrien treiben: IS-Truppen haben, wie der KURIER berichtete, rund um das von türkischen Soldaten in Syrien bewachte Mausoleum von Süleyman Schah, dem Großvater des osmanischen Reichsgründers Osman, starke Verbände zusammengezogen, wie die Regierung in Ankara mitteilte. Ankara befürchtet, dass der IS versuchen könnte, die 36 türkischen Wachsoldaten als Geiseln zu nehmen.

Das auf einer Halbinsel im Euphrat rund 35 Kilometer südlich der türkischen Grenze gelegene Mausoleum ist seit 1921 türkisches Staatsgebiet. Nun soll der IS rund tausend Kämpfer in der Nähe versammelt haben. Was sie vorhaben, ist nicht bekannt – die Region um das Mausoleum wird schon seit Monaten vom IS beherrscht, ohne dass ein Angriff versucht wurde. Türkische Elitesoldaten stehen an der nahen Grenze bereit, um im Notfall per Hubschrauber zum Mausoleum zu fliegen und die Wachsoldaten zu verteidigen.

Eine erneute Geiselnahme von Türken durch den IS könnte Ankara dazu zwingen, die gerade erst erklärte Bereitschaft zur Unterstützung der internationalen Anti-IS-Koalition wieder rückgängig zu machen. Die Türkei hatte erst nach Freilassung von fast 50 türkischen Geiseln durch den IS vor knapp zwei Wochen ihre ablehnende Haltung aufgegeben und eine aktive Teilnahme am Vorgehen gegen die Dschihadisten versprochen.

Stützpunkte für Allianz

Die Gegend um das Süleyman-Schah-Mausoleum gehört genau zu den Gebietsabschnitten, die laut Presseberichten von türkischen Militärplanern für eine von mehreren Pufferzonen auf syrischem Gebiet ausgesucht worden sind. Das türkische Parlament soll am Donnerstag über ein Entsendegesetz beraten, das Auslandseinsätze der Armee in Syrien und im Irak erlaubt. Die Vorlage beinhaltet auch die Erlaubnis zur Stationierung ausländischer Truppen in der Türkei und die Bereitstellung türkischer Stützpunkte für Partnerstaaten im Kampf gegen den IS.

Generalstabschef Necdet Özel plant laut Presseberichten mit bis zu 15.000 türkischen Soldaten, die nach Syrien geschickt werden sollen, um die Pufferzonen zu sichern. Mehrere Zehntausend weitere Soldaten sollen aus anderen Ländern kommen – bisher ist allerdings nicht klar, welche Länder das sein sollen.
Ankara argumentiert, die Pufferzonen würden gebraucht, um syrische Bürgerkriegsflüchtlinge in Syrien selbst versorgen zu können. Die Türkei hat bisher rund 1,5 Millionen Syrer aufgenommen; allein in den vergangenen zwei Wochen haben die Kämpfe zwischen syrischen Kurden und dem IS um die syrische Grenzstadt Kobane mehr als 100.000 Menschen in die Türkei getrieben.

10 Menschen geköpft

In Kobane gingen die Kämpfe am Mittwoch weiter; von der türkischen Grenze aus war laut türkischen Medien aufsteigender Rauch zu sehen. 14 Kilometer westlich von Kobane haben IS-Dschihadisten laut einer Beobachtergruppe zehn Menschen, darunter fünf kurdische Kämpfer, öffentlich geköpft – zur Einschüchterung der Bevölkerung, wie meistens in solchen Fällen.

15.000 Soldaten vor Einmarsch
Kurdenpolitiker argwöhnen, die geplanten Pufferzonen sollten auch dazu dienen, Autonomiegebiete der syrischen Kurden entlang der türkischen Grenze zu zerschlagen. Diese Befürchtungen wachsen mit der Eskalation um das Süleyman-Schah-Mausoleum noch weiter, da das Grabmal südlich des kurdischen Gebietes um Kobane liegt.

Die türkisch-kurdische Rebellengruppe PKK, deren syrischer Ableger in Kobane gegen den IS kämpft, warnte die türkische Regierung davor, die Pufferzonen im syrischen Kurdengebiet zu errichten: Wenn das geschehen sollte, sei der Friedensprozess mit dem türkischen Staat beendet, sagte PKK-Kommandeur Cemil Bayik dem türkischen Journalisten Fehim Tastekin. „Dann fängt der Krieg an.“

Sprengt sie einfach in die Luft“, hatte ein Schweizer Mitarbeiter einer Hilfsorganisation getwittert. Dazu schrieb Oscar B. die Koordinaten einer Gefechtsstellung der radikal-islamistischen IS-Milizen in Syrien. Er habe nur gehofft, sagte der 50-jährige Mann später, dass die amerikanische Luftwaffe die besagte IS-Stellung nahe Aleppo bombardiere. Sein Tweet sei nicht unbedingt eine gute Idee gewesen, gab er später zerknirscht zu.

Der IS-Bunker steht noch immer – dafür erntete der Schweizer jedoch einen weltweiten Sturm der Entrüstung internationaler Hilfsorganisationen: In ihrer Arbeit seien sie strikter Neutralität verpflichtet, lautete unisono die Antwort der Helfer. Man müsse alles vermeiden, um nicht als „Spion“ verdächtigt zu werden oder angreifbar zu werden. Erst vor wenigen Wochen war ein britischer Mitarbeiter einer Hilfsorganisation, der in Syrien verschleppt worden war, vor laufender Kamera von einem IS-Terroristen geköpft worden.

Ganz kleinlaut ist Oscar B. aber noch immer nicht: Der Standort des Bunkers sei jedem bekannt gewesen, sagte er zur Zeitung Blick. „Das ist, als ob ich die Koordinaten des Eiffelturms getwittert hätte.“

Der irakischen Luftwaffe ist bei ihrem Einsatz gegen den IS ein schwerer Fehler unterlaufen, wie NBC berichtet. Lebensmittel, Wasser und Munition wurden über einem Gebiet abeworfen, das unter Kontrolle der Dschihadisten steht – der Lapsus ist passiert, weil man eigentlich eingeschlossene Regierungssoldaten versorgen wollte,

Die Soldaten wurden in den Dörfern Saglawija und Sidschar in der westirakischen Provinz Anbar festgehalten und waren dringend auf Nachschub angewiesen. „Weil die Kommandeure in der irakischen Armee ungenaue Pläne haben und weil die Piloten unerfahren sind, haben wir den IS-Kämpfern geholfen, unsere Soldaten zu töten", so die Rechtfertigung Hakim al-Samili, eines Mitglieds im Ausschuss für Sicherheit und Verteidigung. Ein General der Armee bestätigte den Vorfall gegenüber NBC; „die sind alle jung und neu", sagte er.

Wegen der Bedrohung durch die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) hat Papst Franziskus seine Botschafter aus dem Nahen Osten zu einem Krisengipfel in den Vatikan gebeten. Die an diesem Donnerstag beginnenden Beratungen sollen bis Samstag dauern, wie es am Mittwoch aus dem Presseamt des Heiligen Stuhls hieß.

Anlass sei das Vorgehen der Terrormiliz gegen Christen und andere nicht-sunnitische Minderheiten, hatte Radio Vatikan bereits am Vortag berichtet. Zu den Gesprächen werden demnach die Botschafter des Papstes aus Ägypten, Israel/Palästina, Jordanien/Irak, Iran, dem Libanon, Syrien und der Türkei erwartet. Zudem sollen die Vertreter des Heiligen Stuhls bei den Vereinten Nationen sowie bei der Europäischen Union sowie Vertreter der römischen Kurie teilnehmen. Der Papst werde die Teilnehmer zu Beginn der Beratungen begrüßen.

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