Terrorgruppe IS nimmt Deir al-Zor ein

Terrorgruppe IS nimmt Deir al-Zor ein
IS kontrolliert in Syrien mittlerweile ein Gebiet, das fünfmal so groß ist wie der Libanon.

Die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) hat große Teile der syrischen Stadt Deir al-Zor (Deir Ezzor) eingenommen. Damit festigen die Extremisten ihre Stellung im Osten des Landes weiter. IS-Kämpfer hätten über mehrere Viertel der Stadt die Kontrolle übernommen, nachdem sich andere islamistische Gruppen zurückgezogen hätten, berichtete die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Montag.

Gebiete der Al-Nusra-Front übernommen

Demnach kontrolliert die Terrorgruppe nun rund 95 Prozent der ölreichen Provinz Deir al-Zor. Anfang des Monats hatte sie dort bereits das wichtige Ölfeld Al-Omar kampflos von der Al-Nusra-Front übernommen. Die Terrorgruppe kontrolliert in Syrien mittlerweile ein Gebiet, das fünfmal so groß ist wie der Nachbarstaat Libanon. Es reicht von der türkischen Grenze bis zur Grenze des Irak, wo IS-Kämpfer ebenfalls große Teile im Norden und Westen des Landes übernommen haben.

Einige Teile von Deir al-Zor werden noch von Truppen der syrischen Regierung kontrolliert, darunter ein Militärflughafen im Süden der Stadt. Die Regierungseinheiten hätten nach dem IS-Vormarsch ihre Kontrollpunkte verstärkt und neue errichtet, berichtete die syrische Beobachtungsstelle.

Seit der Machtübernahme der radikal-sunnitschen Terrorgruppe Islamischer Staat im Irak und in Großsyrien (ISIS) in weiten Teilen des Irak droht das Land zu zerfallen. Mit der Ausrufung eines Kalifats hat so etwas wie eine Zeitwende im Nahen Osten eingesetzt.

Die Big Player im Irak-Konflikt bleiben die gleichen: USA, Iran, die Golfstaaten, Türkei und die Kurden. Die Verhältnisse zwischen Ihnen sind aber äußerst komplex und für Laien nur schwer verständlich. Wie stehen sie zueinander?

Iran und USA

Rund 35 Jahren, seit der Islamischem Revolution mit dem Sturz des Schahs, der Geiselnahme von 52 US-Bürgern für 444 Tage 1979-1980 und der Erstürmung der US-Botschaft in Teheran, herrscht diplomatischer Stillstand zwischen den beiden Staaten. In den vergangenen Jahren kam der Streit um das iranische Atomprogramm erschwerend dazu.

Die Machtübernahme der ISIS in machen Teilen des Irak veranlasst die amerikanische und iranische Regierung zu gemeinsamen Gesprächen. Während US-Präsident Barack Obama etwa 800 Militärberater nach Bagdad sendet, kann sich Irans Präsident Hassan Rohani Waffenlieferungen an das irakische Militär vorstellen. Warum? Der hauptsächlich schiitische Iran führt engste Beziehungen zur irakischen Regierung, die ebenfalls schiitisch dominiert ist. Gemeinsam will man die sunnitische ISIS-Bewegung stoppen.

Aber das Verhältnis zwischen den USA und dem Iran ist trotz der gemeinsamen Vorgehensweise im Irak weiterhin angespannt. Vor allem der Bürgerkrieg in Syrien stellt derzeit eine unüberwindbare Hürde dar. Der Iran untersützt das Regime von Bashar al-Assad, das gegen die sunnitischen Rebellen vorgeht. Die USA hingegen stärken den Oppositionellen den Rücken, was der iranischen Regierung nicht gefällt.

USA und Golfstaaten

Kuwait, Bahrain, Saudi Arabien, Katar, Vereinigte Arabische Emirate und Oman (Golfstaaten) wollen gemeinsam mit den USA die Nuklearwaffen-Bestrebungen des Iran stoppen und somit den iranischen Einfluss in Nahost unterbinden.

Vor allem Saudi Arabien (mehrheitlich sunnitisch-wahabitisch) kämpft gegen den schiitischen Iran um die Vormachtstellung im Nahen Osten. Einer Meinung sind sich die USA und die Golfstaaten auch in Bezug auf den Bürgerkrieg in Syrien: gegen Assad, für die syrischen Rebellen.

Aber die USA sind auf Katar, Vereinigte Arabische Emirate und Saudi Arabien nicht gut zu sprechen. Diese gelten nämlich als wichtige Finanziers der sunnitisch-militanten Bewegungen im Irak und Syrien.

In Katar ist auch der Sitz des TV-Senders Al Jazeera. Der Emir finanziert die ägyptische Muslimbruderschaft, was zu Spannungen zwischen Saudi Arabien und Katar führte. Die Golfstaaten wiederum lehnen die von den USA unterstützte schiitisch-dominierte Regierung Iraks ab - der irakische Ministerpräsidenten Nuri al-Maliki ist ihnen ein Dorn im Auge.

Türkei und irakische Kurden

Ablehnend stehen sich die Türkei und die Kurden gegenüber. In den letzten Jahren gab es aber mehrere Annäherungsversuche, was zu einer breiten, finanziellen Beziehungen zwischen ihnen führte.

Der anhaltende Bürgerkrieg in Syrien ist ein großes Problem für die Türkei und für die dort ansässigen Kurden. Die türkische Regierung fürchtet weitere Flüchtlingsströme und neue Kampfhandlungen nahe der syrisch-türkischen Grenzen. Die Kurden fühlen sich von dem Vormarsch der ISIS bedroht - sie könnten kurdisch bewohnte Gebiete in Syrien übernehmen. Man einigte sich deshalb auf eine Zusammenarbeit in Syrien.

Aber die Regierung in der Türkei ist über den Erfolg der Kurden über die sunnitische ISIS im Irak besorgt. Die Türkei befürchtet, dass die Autonomiebestrebung (siehe hier) der irakischen Kurden auf die kurdische Bewegung in der Türkei überspringen könnte. Deswegen misstrauen die Kurden jegliche Intervention der Türkei im Irak - es könnte ein Hinterhalt sein.

Kurden und al-Malikis Regierung

Nachdem der Präsident der autonomen Region Kurdistan im Nordirak, Masud Barzani, in einem BBC-Interview ein Unabhängigkeitsreferendum angekündigt hat, ist das Verhältnis zu al-Maliki noch angespannter. Wenn es um Öl-Gewinne, Grenzen und die Autonomiebestrebung geht, sind Kurden und die irakische Regierung gegensätzlicher Meinung,

Die Mehrheit der Kurden im Nordirak sind Sunniten. Regierungschef al-Maliki macht jedoch keine Anzeichen, für eine Einheitsregierung der Schiiten, Sunniten und Kurden weichen zu wollen. Die politische Partizipation der Kurden in Bagdad bleibt also weiterhin aus.

Aber Kurden und die Regierung al-Malikis machen sich gegen eine sunnitisch-militante Übernahme Iraks und Syriens stark. Gemeinsam gehen sie taktisch gegen die Terrorgruppe ISIS vor.

Golfstaaten und ISIS

Der gemeinsame Feind sitzt in Syrien: Bashar al-Assad. Durch finanzielle Mittel der Golfstaaten (Katar, Arabische Emirate und Saudi Arabien) werden die sunnitischen Rebellen im syrischen Bürgerkrieg unterstützt. Gemeinsam teilen sie auch eine Antipathie gegenüber schiitischen Regeln und dem iranischen Einfluss im Irak und in der Region.

Aber die Golfstaaten betrachten die Terrorgruppe ISIS und das Ziel eines kompromisslosen Kalifats als zu extrem und bedrohlich für den Nahen Osten. Die Rebellen sehen in den Golfstaaten korrupte Machenschaften und unreligiöse Ansichten, die mit einem islamischen Staat nicht vereinbar sind.

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