Hickhack vor dem Genf-Gipfel

Ein Kämpfer nahe Damaskus. Rebellenverbände kämpfen hier gegen Armee und den IS – bis zuletzt war die umstrittenste Frage in Genf: Wer ist ein „Terrorist“ und wer nicht
Erstmals sollten Vertreter von Opposition und Regierung zusammentreffen.

Angesetzt war das Treffen für vergangenen Montag. Man vertagte sich auf Freitag. Und am Freitag hieß es dann bangen, wer tatsächlich kommen würde. Geplant war, dass erstmals Vertreter der syrischen Regierung sowie der Opposition an den Gesprächen teilnehmen würden.

Die syrische Delegation kam dann auch, jene der Opposition ließ auf sich warten. Aus Riad – dort ist das Verhandlungskomitee der Opposition ansässig – hieß es erst, man werde nicht teilnehmen, ehe alle Luftangriffe eingestellt und die Blockaden von Städten beendet würden. Später wurde innerhalb des zerstrittenen Bündnisses diskutiert, statt einer großen Delegation nur zwei oder drei Vertreter zu entsenden. In Genf trafen derweil UN-Vermittler mit der syrischen Delegation sowie mit Vertretern der syrischen Zivilgesellschaft zusammen. Es hieß warten.

Mit völlig unklarer Aussicht: Denn zuletzt hatten Vertreter der Oppositionskomitees an UN-Syrien-Vermittler Staffan de Mistura massiv Kritik geübt. Dieser habe die Agenda von Assads Verbündeten Russland und Iran angenommen, so der Vorwurf. Das Problem: Das Verhandlungskomitee sieht sich als einzig legitimer Verhandler der Assad-Gegner, vereint aber nur eine Handvoll Gruppen – und auch das mehr schlecht als recht. Mächtige Verbände wie etwa die Ahrar al-Sham sind nicht vertreten. Ebenso wenig die kurdische Partei PYD, deren Milizen aber praktisch ganz Nordost-Syrien kontrollieren. Die PYD wurde zu dem Treffen in Genf von der UNO nicht eingeladen – Russland forderte aber deren Teilnahme. Das Riad-Komitee betrachtet die linke PYD wiederum nicht als Opposition. Ebenso nicht am Tisch sitzen die Terror-Organisationen Al-Nusra und "Islamischer Staat" (IS), die aber weite Landesteile kontrollieren.

Verwirrungen

Nicht weniger kompliziert ist es auf internationaler Ebene. Russland etwa hatte wiederholt die Aufstellung einer Liste terroristischer Gruppen gefordert, mit denen keine Gespräche geführt werden. Das ist bisher nicht passiert. Russland ist da mehr oder weniger auf Linie mit dem Iran sowie der syrischen Regierung, die praktisch alle bewaffneten Gruppen, die gegen Assad kämpfen, als "terroristisch" sehen.

Die USA sehen das anders: Washington besteht zwar nicht mehr auf einem sofortigen Rücktritt von Syriens Machthaber Assad, will aber keinesfalls eine Rückkehr zum Status quo vor Kriegsbeginn. Diese angedeutete Kursänderung hat die großteils ohnehin US-abgeneigte syrische Opposition verprellt, was den Einfluss der sunnitischen Regionalmacht Saudi-Arabien vergrößert. Saudi-Arabien aber verfolgt in Syrien eigene Ziele im Wettstreit mit der Regionalmacht Iran und fördert offen radikale Gruppen.

US-NATO-Partner Türkei wiederum scheint weniger IS und Co. als die kurdische Selbstverwaltung der PYD (sie steht der als Terrorgruppe gelisteten PKK nahe) in Nordsyrien als größte Gefahr zu orten. Die Miliz der PYD aber wird von den USA als vertrauenswürdigste Kraft in Syrien betrachtet.

Immerhin konnten sich die USA und Russland bereits auf einen prinzipiellen Fahrplan zur Beendigung des Krieges einigen: Binnen 18 Monaten sollen Wahlen stattfinden. Bedingung dafür: Ein Waffenstillstand. Der Kreml gab sich im Vorfeld der jetzigen Genf-Runde aber pessimistisch, dass man sich darauf wird einigen können.

Wohl, weil der Anreiz fehlt: So lange eine Kriegspartei Aussicht auf militärische Siege hat, stehen die Chancen auf eine Einigung schlecht. Mit Russlands Luft- sowie Irans Boden-Unterstützung ist die syrische Armee derzeit auf dem Vormarsch. Dabei aber wächst jeden Tag das Potenzial des Konflikts, noch weiter auszuufern. Die militärischen Siege der Kurden gegen den IS lassen den Unsicherheitsfaktor Türkei anwachsen. Und hinzu kommt der iranisch-saudische Stellvertreterkrieg, in den sich beide Seiten verbissen haben.

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