Ende des Waffenembargos: Golan-Einsatz wackelt

epa03720607 Israeli soldiers are seen moving on a military training ground in the center of Golan Heights, during an Israeli military exercise near the Israeli-Syrian border, 27 May 2013. EPA/ABIR SULTAN
Außenminister Spindelegger sieht nach dem Nichtbeschluss der EU zum Embargo keinen Grund für einen Abzug vom Golan. Aber die UNO-Mission wackelt.

Eine politische Entscheidung sieht anders aus: Weil sich die EU-Außenminister in der Nacht auf Dienstag nicht auf eine Verlängerung des Waffenembargos gegen Syrien einigen konnten, läuft es Ende Mai aus. Man einigte sich aber, sicherzustellen zu wollen, dass aus der EU bis August keine Waffen geliefert werden, um politische Lösungen nicht zu blockieren.

Am Tag danach war Österreich um eine einheitliche Haltung in Sachen UN-Mission auf dem Golan bemüht. Denn für den Fall eines Waffenembargo-Endes hatten Kanzler und Vizekanzler ja ein Ende des österreichischen Blauhelmeinsatzes angedeutet bis angedroht, weil die EU dann Partei und die Sicherheit der Soldaten nicht gewährleistet sei. Bundespräsident Heinz Fischer sieht keinen unmittelbaren Handlungsbedarf, Kanzler Werner Faymann zeigte sich „besorgt und beunruhigt“, und Verteidigungsminister Gerald Klug gab den Auftrag für die Planung eines möglichen Abzugs, den die Opposition massiv fordert.

Für Außenminister Spindelegger ist ein Abzug noch nicht nötig. Im KURIER-Gespräch erläutert er, warum.

Ende des Waffenembargos: Golan-Einsatz wackelt
APA12280346-2 - 12042013 - GOLAN - ISRAEL: ZU APA 0168 AI - Vizekanzler Michael Spindelegger (r.) besuchte am Freitag, 12. April 2013, im Rahmen seiner Nah Ost Reise die auf den Golanhöhen stationierten österreichischen UNO-Truppen. Im Bild: Spindelegger bei der Besichtigung des Stützpunktes. APA-FOTO: DRAGAN TATIC
KURIER: Das Waffenembargo läuft Ende Mai aus, bis August sollen keine Waffen geliefert werden, und dann: Zieht Österreich vom Golan ab?

Michael Spindelegger: Das heißt es nicht automatisch. Wir sehen aus Anlass der Entscheidung der EU keinen Grund, abzuziehen. Weil wir verhindert haben, dass die EU Waffenlieferungen autorisiert. Aber wir haben immer gesagt, wenn Waffen geliefert werden, wird es sehr schwierig, das Mandat aufrechtzuerhalten. Wir werden die Reaktionen abwarten, die vom Assad-Regime und den Rebellen kommen, tagesgleich entscheiden.

Was muss passieren, dass Österreich sagt: Wir ziehen ab?

Das ist eine Beurteilung aus unserer Expertise vor Ort und aus dem, was die UNO sagt. Wir erleben ja nicht, dass das Auseinanderhalten Syriens und Israel, also das Mandat, nicht gelingt, sondern dass Gruppen in Syrien kämpfen, auch auf dem Golan – das hat mit der Erfüllung des Mandats nichts zu tun.

Lässt sich umsetzen, dass Großbritannien und Frankreich tatsächlich keine Waffen liefern?

Ende des Waffenembargos: Golan-Einsatz wackelt
Wenn sie liefern wollen, brauchen sie Verträge, nationale Bewilligungen – ich glaube nicht, dass das in den nächsten zwei Monaten praktisch passiert.

Der Verteidigungsminister hat die Planung für einen möglichen Abzug bekannt gegeben – stimmt es, dass er auch ein Datum bekannt geben wollte?

Das haben wir nie besprochen und stimmt so nicht. Und die Notfallpläne des Verteidigungsministeriums sind da.

Die Nicht-Entscheidung in Brüssel: Ein Glanzstück gemeinsamer EU-Außenpolitik?

Das war es sicher nicht. Es war von vornherein klar, dass es sehr unterschiedliche Positionen gibt.

Und am Ende gab es einen butterweichen Kompromiss.

Das war gar kein Kompromiss. Es gab keine Mehrheit für eine Aufhebung des Embargos, wie Großbritannien das wollte. Und wir haben nicht erreicht, dass es fortgesetzt wird. Aber wichtig ist, dass nicht die EU als Friedensgemeinschaft einen Schritt gesetzt und ihre Politik völlig verändert hat, nämlich einer Seite Waffen zu liefern.

Die EU würde ja nicht liefern.

Aber sie hätte die Grundlage dafür schaffen können und hat es nicht getan.

Die gestrige Entscheidung der EU auf einer Notenskala von eins bis fünf?

Zwei bis drei. Ich habe vorausgesehen, dass wir uns nicht einigen werden. Aber es war eine gute Diskussion über unterschiedliche Standpunkte.

Und bis Juli sollen sich die Standpunkte annähern?

Das wird sehr davon abhängen, wie der Genfer Syrien-Prozess anläuft.

Verteidigungsminister Gerald Klug drängt: Als Konsequenz aus dem EU-Debakel – „ich bin bitter enttäuscht, dass den Außenministern nicht gelungen ist, das Waffenembargo zu verlängern“ – hat er Dienstagfrüh Generalstabschef Othmar Commenda beauftragt, den Abzug der 380 österreichischen Blauhelme vom Golan unverzüglich und im Detail vorzubereiten.

Der bestehende Exit-Plan wird jetzt inhaltlich und zeitlich operationalisiert und konkretisiert. „Bei einer sich wesentlich verschärften Lageentwicklung ist der Abzug unserer Soldaten binnen Stunden über Israel möglich“, sagte der Minister zum KURIER.

Er ist ständig im Kontakt mit dem Bundespräsident sowie der Regierungsspitze. „Wir sind eng abgestimmt über unser Vorgehen, wir wissen, was wir zu tun haben.“

Eine Taskforce im Ministerium beobachtet stündlich die Lage am Golan. Nachrichtendienste kontrollieren jede Truppenbewegung im syrischen Bürgerkrieg, Waffenlieferungen werden registriert und nach Wien gemeldet.

Auch wenn Großbritannien angekündigt hat, zwei Monate keine Waffen an die syrischen Rebellen liefern zu wollen, heißt das nicht, dass diverse radikale islamistische Gruppen nicht aufrüsten.

Schonfrist

Klug hofft auf „eine Schonfrist bis zum 1. August“. Sollte sich die Lage bis dahin verschärfen, schließt er eine sofortige Aktion nicht aus. Auf Knopfdruck könnten dann die Blauhelme zurückgeholt werden. „Die Sicherheit unserer Soldaten ist für mich oberste Priorität.“

Auf die Frage, ob die UNO-Mission am Golan fällt, wenn Österreich seine Soldaten abzieht, sagt Klug: „Wir müssten die UNO rechtzeitig vorwarnen. Die Verantwortung liegt aber bei der UNO.“

Worauf haben sich die EU-Außenminister Montagnacht geeinigt?

Es gab nur einen Minimal-Kompromiss: Die wirtschaftlichen Sanktionen gegen das Assad-Regime (Konto-Sperren, Visa-Einschränkungen) werden verlängert. Das Waffen-Embargo hingegen läuft mit 31. Mai aus. Allerdings dürfen erst frühestens im August Waffen an die Rebellen geliefert werden.

Warum gibt es diese Frist bis August?

Die Mehrheit der EU-Staaten drängt darauf, die von den USA und Russland initiierte Friedenskonferenz in Genf im Juni abzuwarten. Sie hoffen, dass dort Fortschritte hin zu einer politischen Lösung gemacht werden. Dass Frankreich und Großbritannien dem zustimmten, dürfte auch praktischen Gründe haben: Es ist ohnehin nicht möglich, früher als in zwei Monaten Waffen zu liefern.

Ist es schon fix, dass dann Waffen geliefert werden?

Nein. Das (bedingte) Auslaufen des Waffen-Embargos ist auch eine Droh-Gebärde in Richtung Assad-Regime. Der britische Außenminister Hague etwa erwartet – im Gegensatz zu Spindelegger –, dass so der Druck auf das syrische Regime und damit die Erfolgsaussichten der Genfer Konferenz steigen. Daher soll vor dem 1. August auch noch einmal geprüft werden, ob es nicht ein neues Waffen-Embargo der EU geben kann. Dieses kann aber nur einstimmig beschlossen werden, Frankreich und Großbritannien haben hier also ein Veto.

Warum ist Österreich so strikt gegen Waffen-Lieferungen an die Rebellen?

„Mehr Waffen bringen keinen schnelleren Frieden, das hat noch nie funktioniert“, sagt Spindelegger. Als Friedensprojekt dürfe sich die EU prinzipiell nicht in bewaffnete Konflikte einmischen. Neben diesem grundsätzlichen Argument und der Gefährdung der österreichischen UN-Soldaten am Golan gibt es auch die sorgenvolle Frage, in wessen Hände die Waffen fallen könnten. Die Aufständischen in Syrien sind zersplittert, von 600 bis 1000 verschiedenen Gruppierungen ist die Rede – darunter gibt es auch Extremisten wie die Al-Nusra-Front, die mit der El Kaida alliiert ist.

Teilen London und Paris nicht die Sorge, dass Extremisten sich diese Waffen holen könnten?

Die militärische Lage der Rebellen in Syrien gilt heute als viel verzweifelter als noch vor einem Jahr. Um deren Niederlage zu verhindern, sehen Frankreich und Großbritannien laut Militär-Analytiker Henry Boyd vom International Institute for Strategic Studies (IISS) „die Lieferung von Waffen durch EU-Staaten an die Rebellen als die noch am wenigsten schlechte Lösung an“. Denn eine militärische Intervention des Westens, die das Assad-Regime zu Fall bringen könnte, steht derzeit nicht zur Diskussion.

Würden Waffenlieferungen die Lage der Rebellen entscheidend stärken?

Mit Maschinengewehren, Munition und panzerbrechenden Waffen könnten sich die Rebellen besser verteidigen. Ob sie damit den Krieg gegen die mit starker Luftwaffe kämpfende syrische Armee gewinnen können, scheint jedoch sehr fraglich. An die Lieferung von tragbaren Luftabwehrwaffen denkt man laut Pieter Wezeman vom schwedischen Friedensforschungsinstitut Sipri in London und Paris vorerst nicht: „Das Risiko wäre zu groß, dass wir diese Waffen irgendwann bei Terroristen wieder sehen und sie diese dann gegen Passagierflugzeuge richten könnten.“

Was passiert, wenn die EU Waffen liefert – und Österreich dann seine UN-Soldaten vom Golan abzieht?

General Günther Greindl, ehemaliger österreichischer Kommandant auf dem Golan, rät ab. Er sieht die österreichischen Blauhelme vorerst nicht als explizit gefährdet an: Österreich sei in seiner Ablehnung von Waffenlieferungen immer eindeutig gewesen, „das kann uns dann zugute kommen“. Sollte Österreich tatsächlich seine rund 380 Mann abziehen, immerhin das größte Kontingent im wichtigsten Golan-Abschnitt, ist laut Greindl die „ganze Mission nicht mehr durchführbar“. Am International Institut for Strategic Studies in London sieht man das anders: „Die UNO wird alles daran setzen, die Mission am Golan aufrecht zu erhalten“, sagt Boyd. Die österreichischen Blauhelme würden dann durch „möglicherweise weniger gut qualifizierte“ Soldaten aus anderen Ländern ersetzt werden.

Barsch und mit umwölkter Stirn wie stets in brisanten Situationen gab der Sprecher von Präsident Wladimir Putin sein Statement zu dem EU-Beschluss ab, mit dem der Lieferstopp von Waffen an die syrische Opposition aufgehoben wird: Derartige Schritte und Beschlüsse oder gar Besuche hochrangiger Politiker bei Stellungen an der Grenzen zu Syrien – gemeint war die jüngste Visite von US-Senator McCain (siehe rechts) – seien „nicht hilfreich für die Vorbereitung einer neuen internationalen Syrien-Konferenz, an der derzeit sehr viele Seiten arbeiten“, rügte Dmitri Peskow. Auf russisches Verständnis könne der Westen nicht hoffen.

Ähnlich hatte sich zuvor schon der russische Außenamtschef Sergej Lawrow geäußert, der Montagabend in Paris seinen amerikanischen Amtskollegen John Kerry getroffen hatte. Dabei ging es vor allem um die gemeinsame Vorbereitung einer weiteren Syrien-Konferenz, die für Anfang Juni angedacht war. Zu Details sollen sich Vertreter beider Außenministerien in allernächster Zeit treffen. Sowohl der Termin, als auch die Teilnehmer sind offen.

Verflogene Illusionen

Zwar haben sich die Positionen Russlands und der USA zu Syrien seit Kerrys Besuch in Moskau Anfang Mai zu Einzelfragen angenähert. So ist für die USA der Rücktritt von Diktator Bashar al-Assad nicht länger Voraussetzung für eine Beilegung der Krise. Russische Experten erklären den Sinneswandel in Washington vor allem damit, dass der Westen sich von anfänglichen Illusionen zum Demokratiepotenzial der syrischen Opposition weitgehend verabschiedet hat und nach einem Kollaps des Regimes eine Machtübernahme durch islamische Fundamentalisten fürchtet. Moskau hatte vor einem derartigen Szenario von Anfang an gewarnt. Auch mit Hinblick auf die Entwicklungen in anderen Staaten der Region nach dem Arabischen Frühling.

Beide Großmächte wurden sich bei dem Treffen ihrer Chefdiplomaten auch darüber einig, dass der Syrien-Konflikt ohne Einmischung von außen gelöst werden muss. Die jetzt von der EU beschlossene Aufhebung des Lieferstopps für Waffen an Assads Gegner ist aus russischer Sicht daher ein Schritt zurück. „Damit wird nur Öl ins Feuer gegossen“, warnte Moskaus Botschafter bei der NATO, Alexander Gruschko.

Streit um Irans Rolle

Erhebliche Differenzen zwischen Moskau und Washington bestehen nach wie vor auch zum Kreis der Teilnehmer der Syrien-Konferenz. Russland will möglichst viele Staaten der Region an den Verhandlungstisch holen und hält vor allem die Teilnahme des Iran für unerlässlich. Teheran hat sowohl auf das Assad-Regime als auch auf die von Syrien unterstützte Hisbollah in Libanon entscheidenden Einfluss. Russland und Iran ziehen in Nahost an einem Strang.

Israel drohte derweil Russland vor der Lieferung hochmoderner Luftabwehrraketen an das Assad-Regime. Sollte Moskau Boden-Luft-Raketen vom Typ S-300 liefern, wisse Israels Regierung „was zu tun ist“, so Verteidigungsminister Yaalon.

Ein tatsächliches Interesse an einer Eskalation im Libanon hat zwar niemand. Aber immer öfter stehen auch im Libanon jene Fraktionen einander gegenüber, die sich in Syrien längst einen unerbittlichen Kampf liefern. Und immer öfter endet das auch im Libanon blutig. Am Dienstag starben in der Bekaa-Ebene nahe der Grenze zu Syrien drei libanesische Soldaten bei einem Überfall auf einen Kontrollposten der Armee. Die nicht identifizierten Täter flohen über die Grenze nach Syrien.

In der nordlibanesischen Stadt Tripoli liefern Sunniten und Alawiten einander seit einer Woche schwere Kämpfe. Am Sonntag feuerten Unbekannte zwei Raketen auf ein schiitisches Viertel in der Hauptstadt Beirut ab – fünf Personen wurden verletzt.

Vor allem der Angriff in Beirut alarmiert Beobachter. Es war der erste frontale Angriff auf eine Hochburg der Schiiten seit Beginn der Krise in Syrien. Auch wenn sich niemand zu der Tat bekannt hat – es wird vermutet, dass sunnitische Kreise hinter der Tat stecken, die mit sunnitischen Aufständischen in Syrien sympathisieren. Schließlich hat sich die stärkste schiitische Fraktion, die Hisbollah-Bewegung, klar auf die Seite des syrischen Regimes von Bashar al-Assad gestellt. Kämpfer aus ihren Reihen kämpfen mittlerweile offiziell an der Seite der syrischen Armee.

Zugleich rufen sunnitische Scheichs im Libanon unverblümt zur Unterstützung der syrischen Aufständischen auf. Und für die ist der Libanon von strategisch hoher Bedeutung. Wichtige Versorgungsrouten laufen über die grüne Grenze.

Die wahre Macht im Libanon liegt bei Milizen. Derzeit ist zudem die Politik des Landes gelähmt. Seit dem Rücktritt von Premier Najib Mikati vor zwei Monaten versucht sein Nachfolger Tammam Salam ohne Erfolg eine Regierung zusammenzuzimmern. Anfang Juni, so der Plan, sollte ein neues Parlament gewählt werden. Jetzt werden bereits Stimmen laut, die Wahl solle verschoben werden.

Seine Haltung in Sachen Syrien war immer eindeutig. Und sie stand immer in klarem Gegensatz zu jener von US-Präsident Barack Obama. Am Montag besuchte der republikanische US-Senator John McCain Syrien. Freilich, von den Rebellen gehaltene Gebiete im Norden des Landes. Es war der bisher erste und einzige Besuch eines US-Politikers in den syrischen Rebellengebieten. McCain war dabei Gast von Salim Idris, dem obersten Kommandanten der Freien Syrischen Armee (FSA).

Der einstige republikanische Präsidentschaftskandidat McCain hatte sich immer für eine entschiedenere Gangart der USA zugunsten der syrischen Rebellen ausgesprochen. Konkret: Für eine umfassende Bewaffnung der Aufständischen. US-Präsident Barack Obama hat sich dem wiederholt verwehrt und lediglich der Lieferung nicht-tödlicher Militärgüter an die Rebellen zugestimmt: Etwa Helme oder Splitterschutzwesten.

Idris nannte den Besuch McCains „sehr wichtig und sehr hilfreich“. „Wir brauchen amerikanische Hilfe“, sagte er und nannte die derzeitige Lage „kritisch“. In Gesprächen hatten Rebellenkommandanten gegenüber McCain anscheinend zudem die Schaffung einer Flugverbotszone über Syrien gefordert.

An zahlreichen Fronten sind Rebellenverbände derzeit in der Defensive – oder bekämpfen einander gegenseitig. Die Armee von Machthaber Assad hat an mehreren Orten Offensiven eröffnet. Zahlreiche Versorgungsrouten der Rebellen wurden unterbrochen. Und die Lufthoheit der syrischen Armee ist weiterhin ungebrochen.

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