Symbolträchtige Stärkung für Balten

Vor dem NATO-Gipfel in Wales machte US-Präsident Obama Halt beim Jung-Mitglied Estland.

Es ist ein symbolträchtiger Besuch vor einem historischen Gipfel – oder auch ein historischer Besuch vor einem symbolträchtigen Gipfel. Am Dienstagabend traf US-Präsident Barack Obama in Estlands Hauptstadt Tallinn ein. Am Mittwoch wollte er dort die Staatschefs der baltischen Staaten Estland, Litauen und Lettland treffen. Am Donnerstag wird Obama in Newport im britischen Wales erwartet. Dort treffen einander die Staatschefs und Außenminister der NATO-Staaten. Und sowohl in Tallinn als auch in Newport steht ein Thema ganz oben auf der Tagesordnung: Die Krise in der Ukraine – oder die Krise zwischen EU sowie USA und Russland.

Die baltischen Staaten sind allesamt NATO-Mitglieder – und als solche die einzigen Zerfallsprodukte der Sowjetunion im Verband des Nordatlantischen Verteidigungsbündnisses. Und sie verbindet eine Gegebenheit: Sie alle beherbergen große russische Minderheiten, die in manchen Landesteilen die Bevölkerungsmehrheit stellen und sich oftmals als Bürger zweiter Klasse verstehen – was politische Partizipation oder Anerkennung ihrer Muttersprache angeht. Umstände, die Russland wiederholt scharf kritisiert hat – wenn es auch keinerlei separatistische Tendenzen in den baltischen Staaten gibt.

Die Annexion der Krim sowie die Krise in der Ostukraine und Russlands zumindest verbal offene Unterstützung pro-russischer Bewegungen bereiten den baltischen Staaten Sorgen. So ist Obamas Visite vor allem als Signal an sie zu verstehen. Und als Signal an Moskau. In der Reiseankündigung war seitens des Weißen Hauses von "eisernen Verpflichtungen" die Rede. Ein klarer Hinweis auf die Beistandspflicht der NATO-Staaten, festgelegt in Artikel 5 des NATO-Vertrages. Es ist genau dieses Bekenntnis, dass die Vertreter der baltischen Staaten einfordern und wohl erhalten.

Truppenpräsenz

Die Forderungen der baltischen Staaten aber auch des NATO-Landes Polen gehen jedoch noch weiter. Sie fordern eine Präsenz von NATO-Truppen in Osteuropa. Im Vorfeld des NATO-Gipfels war die Forderung östlicher NATO-Staaten laut geworden, eine 1997 getroffene Vereinbarung mit Russland aufzukündigen, die eine Dauerstationierung von NATO-Truppen in Osteuropa verbietet.

An dieser Vereinbarung will die NATO laut ihrem Noch-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen – er wird im Zuge des Gipfels von Norwegens Ex-Premier Jens Stoltenberg abgelöst werden – jedoch festhalten. Besprochen werden wird beim Gipfel am Donnerstag und Freitag neben dem Abzug der NATO-Truppe ISAF aus Afghanistan auch die Einrichtung einer schnellen Eingreiftruppe sowie die Einlagerung von Kriegsgerät in den östlichen Mitgliedsstaaten. Laut NATO-Diplomaten im Vorfeld des Gipfels ist eines klar: Russland wird, wie in den vergangenen 20 Jahren, nicht mehr als Partner der NATO betrachtet – wenn auch nicht ausdrücklich als Gegner. Ein Diplomat drückte es derart aus: Russlands Präsident Wladimir Putin habe die Frage über die Zukunft der NATO bereits beantwortet.

Schließlich wird zu klären sein, wie mit der Ukraine selbst verfahren werden soll: Der ukrainische Premier Arseni Jazenjuk hatte ja gemeint, Kiew strebe die NATO-Vollmitgliedschaft an. Russlands Außenminister Sergej Lawrow hatte dazu gesagt: Die "Partei des Krieges" unternehme Schritte, die eindeutig politische Bemühungen untergraben sollten.

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Symbolträchtige Stärkung für Balten

Bei Angriffen

In Artikel 5 des Washingtoner Vertrages, dem Gründungs-dokument der NATO von 1949, ist die Beistandspflicht festgelegt. Damit wird jeder Angriff auf ein NATO-Mitgliedsland als Angriff auf sämtliche NATO-Staaten betrachtet. So gilt für alle das Recht auf Selbstverteidigung. Die Staaten sind somit zur Unterstützung des angegriffenen Mitgliedslandes verpflichtet. Diese Unterstützung muss aber nicht zwingend militärisch sein.

11. September

Der Artikel 5 wurde bisher nur ein Mal angewendet. Nach den Terroranschlägen auf New York und Washington am 11. September 2001. So wurden die Anti-Terror-Operationen der USA in Afghanistan, aber etwa auch im Indischen Ozean unterstützt.

Handelsverbote für eine Reihe von Finanzprodukten und weitere Sanktionen gegen russische Staatsfirmen: Das und anderes will die EU-Kommission heute, Mittwoch, auf den Tisch legen, am Freitag sollen es die EU-Botschafter beschließen. Und ein "nächster Schritt" wird schon angedacht und lanciert: Sanktionen gegen den Stahl- und Telekom-Sektor und der Ausschluss Russlands von Sportveranstaltungen – Russland richtet 2018 die Fußball-WM aus.

Gleichzeitig ist ein Gipfel zwischen der Ukraine, Russland und der EU zur Gaskrise für Mitte September im Gespräch. Russland hat im Juni den Gashahn für die Ukraine zugedreht, Gas nach Westeuropa fließt noch. Die Sorge Europas ist, dass Russlands Präsident Putin Gaslieferungen auch für Europa abdrehen könnte und außerdem, dass die Ukraine für Europa bestimmtes Gas abzweigt.

Die künftige EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini erklärte, Russland sei kein strategischer Partner der EU mehr. Und Australien will Putin vom G20-Gipfeltreffen im November in Brisbane ausladen.

Für Aufregung sorgt das von der La Repubblica kolportierte Putin-Zitat "Wenn ich will, kann ich Kiew binnen zwei Wochen einnehmen", angeblich gefallen im Gespräch mit EU-Kommissionspräsident Barroso. Die Kommission wollte dazu nicht Stellung nehmen, Kreml-Berater Uschakow sagte, die Weitergabe eines solchen Zitats, das vermutlich "aus dem Zusammenhang gerissen wurde", widerspreche diplomatischen Gepflogenheiten.

Laut Flüchtlingshilfswerk UNHCR sind inzwischen mehr als eine Million Ukrainer auf der Flucht, 814.000 in Russland, 260.000 in der Ostukraine.

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