"Schutzfunktion Österreichs an oberster Stelle"

Warnt vor allzu lauten Rufen nach Loslösung von Italien oder Doppelstaatsbürgerschaft: Kompatscher
Interview: Südtirols LH Kompatscher über die unrealistische Idee einer Doppelstaatsbürgerschaft.

Der 43-jährige Arno Kompatscher ist seit Beginn des Vorjahres als Nachfolger von Luis Durnwalder Landeshauptmann von Südtirol. Mit dem KURIER sprach er in Wien über ...

... Österreichs Schutzfunktion für Südtirol Die Schutzfunktion Österreichs steht für uns politisch an oberster Stelle. Sie ist von fundamentaler Bedeutung. Das hat sich neulich auch konkret gezeigt, beim Briefwechsel zwischen Rom und Wien anlässlich der Finanzverhandlungen. Da wacht Österreich darüber, dass Italien die Verpflichtungen, die es eingegangen ist, auch einhält.

... den Einfluss Österreichs in Rom Ich wundere mich oft darüber, wie oft man die Rolle Österreichs in der EU unterschätzt. Österreichs Schutzfunktion wird in Rom sehr ernst genommen. Österreich hat ein Standing in der EU, wie es sonst nur größere Länder haben. Ich brauche keinen größeren Bruder als Österreich, der mir hilft.

... die Zukunft der Südtiroler Autonomie Wir wollen noch eigenständiger werden und die Landesteile von Tirol noch stärker vernetzen, auf dem europäischen Weg. Ich bin überzeugt davon, dass es mehr Europa braucht, sonst wird die Idee des gemeinsamen Europa scheitern, sonst funktioniert vor allem die Einheitswährung nicht. Das heißt aber, dass die Nationalstaaten weiter an Bedeutung verlieren werden, damit werden die Regionen aufgewertet, und die Grenze wird irgendwann überhaupt nicht mehr spürbar.

... die Forderung nach einer Volksabstimmung über die Loslösung von Italien Es hat ja immer Gruppen gegeben, die die Autonomie für den falschen Weg gehalten haben. Natürlich ist der heutige Status auch für uns nicht der Endpunkt der Geschichte. Diese Gruppen aber wollen auch heute noch bei erster Gelegenheit den Weg der Autonomie verlassen. Das heißt dann Volksabstimmung mit dem Ergebnis, entweder eigener Staat oder zurück zu Österreich.

Diese Gruppe ist natürlich heute viel größer geworden, das hängt auch mit der Wirtschaftskrise zusammen. Natürlich ist Italien ein Hemmschuh in vielen Bereichen, weil die italienische Administration nicht gut funktioniert, weil die Gesetzgebung eine Katastrophe ist. Aber wenn man die Arbeitslosenzahlen betrachtet, sind die immer noch niedriger als im österreichischen Durchschnitt und auch als im Bundesland Tirol. Eigener Staat, Rückkehr nach Österreich, das ist heute nicht machbar. Denen, die das fordern, ist nicht klar, dass sie mit dem Feuer spielen und riskieren, dass alles, was in Jahrzehnten erarbeitet worden ist, auch verloren gehen kann.

... Die Idee einer Doppelstaatsbürgerschaft Natürlich ist der Wunsch nach einem Doppelpass grundsätzlich eine positive Geschichte, das Ganze ist nur nicht ganz zu Ende gedacht, die Folgen sind nicht geklärt. Etwa, wer zahlt dann wo Steuer? Da machen es sich ein paar Leute zu einfach, und der Doppelpass wird so politisch instrumentalisiert.

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