Mehr Bildung alleine reicht nicht

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Frauen holen bildungsmäßig auf, doch die berufliche und politische Gleichstellung bleibt aus.

Seit Jahrzehnten setzen sich internationale Organisationen wie die Vereinten Nationen oder die Weltbank für bessere Bildung in der weiblichen Bevölkerung ein. Sie nehmen an, die Gleichstellung zwischen Mann und Frau werde somit vorangetrieben, die Gehaltsschere einigermaßen geschlossen und die Zahl der armutsgefährdeten Menschen reduziert. Eine Studie der University of Vermont in den USA dämpft jedoch die Hoffnung, dass Bildung alleine diese Probleme lösen kann.

Die Forscher um Stephanie Seguino haben für eine Untersuchung zum Thema Bildung und Gleichstellung von Frauen Daten der vergangenen zwei Jahrzehnte (1990-2010) aus 150 Ländern analysiert. Das ernüchternde Ergebnis: Obwohl Frauen überall immer besser gebildet sind, haben sie noch immer die schlechter bezahlten Jobs.

"Die 'unsichtbare Hand' des Marktes schafft es nicht"

Während Frauen in diesem Zeitraum bildungsmäßig weltweit aufgeholt haben und nahezu an die Ausbildungszeit der Männer herankommen sind (91 Prozent), liegt die Beschäftigungsquote noch immer 30 Prozent unter jener der Männer. In manchen Sparten ist der weibliche Anteil sogar rückläufig. Im industriellen Sektor, wo das Einkommen generell höher ist, gab es seit 1990 einen Rückgang von rund 20 Prozent.

"Klar, Bildung alleine wird dieses Problem nicht lösen", fasst Seguino die Erkenntnisse der Studie, die im Journal of African Development veröffentlicht wurde, zusammen. "Wir brauchen konkrete politische Mittel, um die geschlechtsdiskriminierenden Barrieren zu brechen. Die 'unsichtbare Hand' des Marktes schafft es nicht."

Dass Bildung kein Garant für sozialen Aufstieg und Gleichstellung ist, bestätigt auch der deutsche Bildungsforscher Roman Langer. Besonders für Menschen aus sozioökonomisch schwächeren Familien sei es kaum möglich, alleine durch Bildung besser bezahlte Jobs zu bekommen und dementsprechend mehr zu verdienen. Das liege unter anderem daran, dass in vielen Systemen (Schulsystem oder Arbeitsmarkt) nicht nach Leistung, sondern nach sozialer Herkunft oder Geschlecht selektiert werde, sagt Langer zum KURIER.

Frauen von gutbezahlten Jobs ausgeschlossen

Das Forscherteam aus Vermont hat für die niedrigere Beschäftigungsquote und das niedrigere Einkommen von Frauen zwei Hauptursachen ausgemacht: Erstens seien Frauen von gutbezahlten Jobs häufig ausgeschlossen und zweitens würden sie einen überproportionalen Anteil an unbezahlter Arbeit leisten - im Haushalt wie bei der Versorgung und Pflege von Kindern und älteren Menschen. "Ohne gleichberechtigten Zugang zu gutbezahlten Jobs, werden Frauen entmachtet", schreibt die Ökonomin Seguino. Darüber hinaus wird auch die Annahme, dass der Mann der alleinige Brotverdiener in der Familie sei, verfestigt. Das führe unweigerlich zu einem Konflikt.

Doris Weichselbaumer, Professorin für Gender und Ökonomie an der Johannes Kepler Universität Linz, hat bereits in einem früheren KURIER-Gespräch darauf hingewiesen, "dass eine Frau selbst wenn sie die gleiche Ausbildung wie ein Mann aufweist und vollzeitbeschäftigt in demselben Beruf tätig ist wie dieser etwa elf Prozent weniger verdient." Zahlreiche Studien würden beweisen, dass Bewerberinnen trotz hoher Qualifikationen geringere Chancen haben in typische Männerberufe einzusteigen. Bei Männern, die sich für typische Frauenberufe bewerben, sei es zwar ähnlich, aber weil Männerberufe üblicherweise besser entlohnt werden als Frauenberufe, können Frauen auch seltener höhere Einkommen erwirtschaften.

Frauen und Politik

Am extremsten sei der Gender Gap in der Politik. Der Anteil von Repräsentantinnen in den Regierungen sei zwar seit 1990 (14 Prozent) gestiegen, aber über 25 Prozent ist er bis heute nicht gekommen. In einigen Staaten wie Haiti oder Katar gibt es noch immer keine weiblichen Regierungsmitglieder. Bezeichnet für diese Entwicklung ist auch Österreich. Nach der Rochade im ÖVP-Team (Wolfgang Sobotka ersetzt Johanna Mikl-Leitner im Innenministerium) befinden sich nur noch vier Frauen in der 16-köpfigen Regierungsmannschaft (ÖVP: 1, SPÖ: 3). Nun liegt der Frauenanteil nur noch bei 25 Prozent und ist somit so niedrig wie zuletzt 1997 unter Viktor Klima.

Doch gerade Frauen seien extrem wichtig in der Politik, erklärt Seguino. Ohne Frauen würden Regierungen das Steuergeld eher dort investieren, wo es hauptsächlich Männern zugutekommt. "Wir benötigen mehr Repräsentantinnen in der politischen Verantwortung, damit ihre Lebensbedingungen und Bedürfnisse vermehrt in Entscheidungen einfließen."

Um diese verfahrene Situation zu verbessern, nennt das Forscherteam konkrete Maßnahmen: darunter eine leistbare Kinderbetreuung, bezahlte Karenzzeiten, geänderte Anstellungsbedingungen und wenn möglich, sogar Frauenquoten. Länder wie Ruanda, Bolivien und Kanada, wo der Frauenanteil in der Regierung quasi über Nacht auf 50 Prozent gestiegen ist, zeigen, dass die Gleichstellung in politischen Positionen nicht unmöglich ist.

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