Stockholm zieht die Notbremse, Frankreich warnt

Schwedens Schwenk: Willkommenskultur wid zurückgefahren.
Zustrom muss drastisch eingeschränkt werden, fordert Paris. Schweden und Dänemark schotten sich ab.

Knapp vor dem Eintreffen von Angela Merkel zu einem Arbeitsdinner mit Präsident François Hollande in Paris am Mittwoch feuerte der französische Premierminister Manuel Valls einen Schuss vor den Bug der Kanzlerin in Sachen Flüchtlingspolitik. Der sozialistische Regierungschef, der in der französischen SP für eine harte Ordnungspolitik eintritt, erklärte in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung, die EU müsse den Zustrom von Flüchtlingen aus dem Nahen Osten einbremsen.

"Wir können nicht mehr so viele Flüchtlinge in Europa aufnehmen", sagte Valls. Die Kontrolle von Europas Grenzen entscheide über das Schicksal der EU: "Wenn wir das nicht tun, dann werden die Völker sagen: Schluss mit Europa!"

Der ursprünglichen Willkommenserklärung von Merkel für die Flüchtlinge und der Aussetzung der EU-Asylregeln durch Deutschland zollte Valls zweideutigen Respekt: "Deutschland hat da eine ehrenwerte Wahl getroffen." Paris, so gab er aber zu verstehen, sei von dieser Entscheidung überrascht worden: "Es war nicht Frankreich, das gesagt hat: Kommt!"

Frankreich hatte sich noch im Frühjahr gegen eine Quotenregelung zur Aufteilung der Syrien-Flüchtlinge auf die EU-Staaten gestemmt. Im September hatte Paris dann doch zugestimmt, von einem damals auf 160.000 Menschen veranschlagten Gesamtpotenzial ein Kontingent von 30.000 aufzunehmen – "aber nicht mehr", wie Valls betonte.

Valls und Hollande zeigen zwar Standfestigkeit bei der Verteidigung der "französischen Tradition der Flüchtlingsaufnahme und dem Grundrecht auf Asyl" gegenüber dem konservativen Ex-Staatschef Nicolas Sarkozy und der Nationalistin Marine Le Pen, die beide, auf ihre jeweilige Weise, an diesen Prinzipien sägen. Aber gleichzeitig betonte Valls von Anfang an, Europa könne nicht "Millionen Syrer" aufnehmen.

"Atempause"

Demonstrativ zieht indessen die schwedische Regierung am Dienstag in der Migrationspolitik die Notbremse. "Schweden braucht eine Atempause", erklärte der sozialdemokratische Premierminister Stefan Löfgen. So wird ein unmittelbarer Aufnahmestopp aller Asylsuchenden umgesetzt, bis auf die im Juli innerhalb der EU festgelegten Quoten-Flüchtlinge. Auch wird die Familienzusammenführung eingeschränkt, sie soll nur noch für Kinder gelten. Auch die Versorgung der Migranten soll reduziert werden. Zudem soll eine medizinische Altersbestimmung der Migranten verpflichtend werden.

Die neuen Bestimmungen sollen spätestens im April in Kraft treten und auf drei Jahre begrenzt sein. Doch die Umstände, in denen derzeit die Flüchtlinge leben müssen, weisen auf eine baldige Umsetzung der Gesetze hin. Ein Teil der Ankommenden in Malmö schlief bei Schneetreiben im Freien.

Die schwedische Ausländerbehörde "Migrationsverket" geht für dieses Jahr von 190.000 Asylsuchenden aus. Schweden ist seit den späten 60er-Jahren für seine liberale Einwanderungspolitik bekannt. Darum nahm das Land in diesem Jahr mit seinen rund neun Millionen Einwohnern am meisten Menschen pro Kopf innerhalb der EU auf. Viel zu viel, wie die rechtspopulistische Partei ständig kritisierte.

Den migrationsskeptischen Ton der Schwedendemokraten schlagen indessen in Dänemark alle Parteien bis auf die Linken an. Das Land war bislang vor allem Station für die Migranten auf der Reise nach Schweden. Doch nun glaubt man, durch die neue schwedische Abschottungspolitik mit den ehemals Durchreisenden überfordert zu sein. "Ich hoffe, dass sich dies schrittweise in Schweden entwickelt", so Integrationsminister Inger Stöjberg. Ministerpräsident Lars Lökke Rasmussen erklärte diese Woche, man wolle nun die einstige Zustimmung, tausend Flüchtlinge aus Griechenland oder Italien aufzunehmen, wieder zurückziehen.

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