Stochern im Euro-Rettungs-Nebel

Spannung um Barroso. EU-Kommission will mehr Europa, Merkel sich aber Zeit lassen

Mit Spannung wurde in Berlin erwartet, welche Vorschläge EU-Kommissionschef Barroso für den EU-Gipfel am 13. Dezember machen will. Eine Pressekonferenz über die von ihm geplanten Maßnahmen zur Vertiefung der Gemeinschaft hat er am Mittwoch aber kurzfristig verschoben. Dies wurde in Berlin als Zeichen für noch fehlende Abstimmungen mit den Mitgliedern gedeutet.
Zuletzt hatte es zwischen Barroso und Kanzlerin Merkel in fast allen Punkten beträchtliche Meinungsverschiedenheiten gegeben, obwohl auch sie „mehr Europa“ als Generalrezept für den Ausweg aus der Staatsschuldenkrise deklariert hat. Ihr Druck auf mehr Budgetdisziplin und Reformen der Arbeitsmärkte ist in den südlichen Krisenländern aber so umstritten wie in Frankreich, seit sich die Franzosen mit der Wahl von Präsident Hollande für eine Stärkung des Sozialstaats entschieden.

Merkel will neue Verpflichtungen Deutschlands zumindest vor der Bundestagswahl vermeiden. Auch hat sie im eigenen Land derzeit genügend Baustellen, allein schon mit der aktuellen Rettung Griechenlands. Erstmals muss sie nach der von den EU-Finanzministern am Dienstag beschlossenen Zwischenfinanzierung zugeben, dass direkt deutsches Steuergeld nach Athen fließt: 760 Millionen Euro ist der deutsche Anteil an der Überweisung, die als Verzicht auf die Zinsen aus der griechischen Staatsschuld in deutscher Hand deklariert wird. Indirekt hat Deutschland bereits zehn Milliarden Euro durch die Abwertung griechischer Staatsanleihen der verstaatlichten Abwicklungsgesellschaft für die deutsche Pleitebank HRE verloren.
Die Unterstützung Griechenlands muss rasch vom Bundestag gebilligt werden. Entgegen ihrer bisherigen Aussage dringt die SPD nun aber zu mehr Bedenkzeit. Nach Stimmen in der Parteiführung, die „zwar Griechenland, aber nicht der Koalition helfen wollen“, zögern SPD und Grüne die Abstimmung auf Freitag hinaus. Anders seien die komplizierten Vorlagen nicht zu studieren.

Wahltaktiken

Auch versuchten SPD-Politiker mit der Drohung der Enthaltung wie bei der ersten Griechenland-Abstimmung ihrem Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück mehr Aufmerksamkeit in der Debatte zu verschaffen. Eine große Mehrheit ist den Regierungsvorlagen aber sicher. Inzwischen mehren sich auch in der Koalition die Stimmen, die einen Schuldenerlass für Griechenland fordern, so wie es die Opposition schon länger tut. Bisher sind die Parteichefs Merkel (CDU) und Horst Seehofer (CSU) strikt dagegen, weil sie den Folgeeffekt bei anderen Südländern und den Zorn ihrer Wähler fürchten. FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle will 2016 darüber reden. Gegen die Überweisung von Zins-Gewinnen der Bundesbank nach Athen hat Bundesbank-Chef Jens Weidmann zuletzt Bedenken angedeutet.

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